Herr Rummenigge, mit welchen Intentionen geht der FC Bayern erneut auf USA-Reise?
Karl-Heinz Rummenigge: Wir sind eine globale Marke und müssen uns präsentieren. Es ist ja kein Zufall, dass alle europäischen Topklubs in den USA oder Asien, speziell China unterwegs sind. Das sind Märkte, die jetzt schon wichtig sind und noch wichtiger werden. Als wir das erste Mal in Amerika waren, hatten wir da drei Fanklubs, jetzt sind es 150. Es gibt keine Alternative zu diesen Reisen.
Sehen Sie auf diesem Markt noch Steigerungspotenzial?
Rummenigge: Das Merchandising stößt national an Grenzen. Wachstumsmärkte sind exklusiv in Amerika und Asien, speziell in China. In diesen Ländern entwickelt sich auch das Sponsoring gut. Allein in Amerika haben wir inzwischen sechs Sponsoren, auch in Asien haben wir in den letzten Jahren einige Partner hinzugewinnen können. Unsere Büros in New York und Schanghai machen einen guten Job, die Präsenz dort hat sich total ausgezahlt.
Inwiefern?
Rummenigge: Das ist eine duale Strategie: Wir haben einerseits amerikanische und chinesische Sponsoren, andererseits aber auch nationale, die alle - ob das Adidas, Allianz oder Audi sind, um nur die drei Shareholder zu nennen - Wert darauf legen, dass der FC Bayern sich auch global präsentiert. Wir müssen uns da zeigen. Nach jetzt zwei USA-Reisen hintereinander werden wir nächstes Jahr wohl wieder nach China gehen.
Präsident Uli Hoeneß hat einmal von einem schwierigen Spagat gesprochen und die Sorge geäußert, heimische Fans zu verprellen.
Rummenigge: Der Spagat ist nicht so schwierig. Ich glaube, dass unsere Fans hier in Deutschland und Bayern totales Verständnis dafür haben, dass wir das machen müssen. Unser Spruch 'In Bayern daheim, in der Welt zu Hause' hat immer noch Gültigkeit. Wir gewinnen sogar weltweit Fans dazu.
Trainer Niko Kovac sprach von 'erschwerten Bedingungen' in der Vorbereitung. Hat er recht?
Rummenigge: Die Tour ist top organisiert. Unsere Leute haben da alle einen großartigen Job gemacht. Wir sind jetzt neun Tage in den USA, bestreiten drei Spiele. Es wird täglich trainiert. Und wenn wir zurückkommen, sind es noch rund drei Wochen bis zum Bundesligastart mit einem Trainingslager vorher auch wieder am Tegernsee. Ich sehe die Vorbereitung in keinster Weise belastet. Ganz im Gegenteil: Unsere Spieler mögen solche Reisen.
Welche Bedeutung hat bei der Reise für Sie der Besuch des Holocaust-Museums in Los Angeles?
Rummenigge: Das Holocaust-Museum veranstaltet zu Ehren unseres ehemaligen Präsidenten Kurt Landauer eine Sonderausstellung. Das finde ich schon sehr bemerkenswert und macht uns stolz. Wir haben in New York auch eine Kooperation mit dem 9/11 Memorial. Speziell zu den jüdischen Gemeinden haben wir eine enge Verbindung, in München durch Charlotte Knobloch, aber auch im Ausland. Das pflegen wir ganz bewusst.
Welche Werte wollen Sie dabei transportieren?
Rummenigge: Der FC Bayern steht gegen Rassismus, gegen Gewalt - für Offenheit, für Toleranz. Wir wollen hier Klartext reden. Wir haben auch den Christopher Street Day in München unterstützt und den Fanklub Queerpass, der sich etwa für Homosexuelle einsetzt. Ich habe da auch schon böse Briefe bekommen, warum der FC Bayern so etwas mache. Aber die landen bei mir ganz schnell im Schredder. Wir sind ein weltoffener Verein. Es ist unsere Aufgabe, für diese Werte einzutreten.
Sie sprachen zuletzt auch im Zusammenhang mit dem Transfermarkt von Menschlichkeit. Muss man sich diese auch leisten können?
Rummenigge: Das Transfergeschäft wird jedes Jahr komplizierter und teurer. Trotzdem muss ein Klub wie der FC Bayern seine eigene Philosophie haben, in der die Menschlichkeit eine Rolle spielt, und im Zweifel auf einen Spieler oder ein Geschäft verzichten. Wir haben trotzdem eine gute Mannschaft und müssen uns nicht beklagen.
Sitzt der FC Bayern nicht trotzdem in der Transferfalle, weil die Talente woanders hingehen und später als Stars nicht mehr zu haben sind?
Rummenigge: Junge Spieler wollen und müssen spielen. Bei der Qualität, die in Klubs wie Real Madrid, FC Barcelona oder Bayern München herrscht, ist das schwieriger als bei denen, die eine Stufe darunter stehen. Die Topklubs müssen immer höhere finanzielle Risiken eingehen, um Qualität und Erfolg zu gewährleisten. Das bereitet mir schon etwas Sorge.
Wie wollen Sie gegensteuern?
Rummenigge: Wir müssen das Zwei-Säulen-System, das den FC Bayern immer erfolgreich gemacht hat, wieder komplett aktivieren. Auf der einen Seite holst du den Star - den Neuer, Lewandowski, Robben, Ribery oder jetzt Hernandez. Auf der anderen Seite brauchst du die jungen Spieler. Die müssen zum Teil selbst ausgebildet werden wie Müller, Lahm oder Schweinsteiger. Oder sie müssen mit 15, 16 Jahren geholt werden, damit sie in der Lage sind, mit 18, 19 zumindest im Kader zu stehen. Das muss die Philosophie der nächsten Jahre sein.
Ist der FC Bayern international abgehängt?
Rummenigge: Nein, überhaupt nicht. Der FC Bayern steht im aktuellen UEFA-Klub-Ranking immerhin auf Platz drei. Wir werden jetzt noch den ein oder anderen Transfer bewerkstelligen. Unsere Mannschaft wird auch in dieser Saison wieder sehr stark sein. Keine Sorge.
Wird dennoch der erwartete Topstar kommen?
Rummenigge: Wir arbeiten mit Volldampf am Transfermarkt. Und wichtig ist, dass wir keine Wasserstandsmeldungen abgeben. Wenn es was konkretes zu verkünden gibt, werden wir das tun. Und bitte nicht vergessen, wir haben bis zum 2. September Zeit, neue Spieler zu verpflichten. Schaun mer mal.
Ist dafür überhaupt noch Geld auf dem berühmten Festgeldkonto?
Rummenigge: Das Festgeldkonto wird ohne Frage in diesem Jahr geringer. Die Ablösesummen sind ja schon der Wahnsinn, aber noch vielmehr bereitet mir die Explosion der Gehälter Bauchschmerzen. Wir sprechen oftmals über unglaubliche Summen, gerade bei den großen Klubs im Ausland. Und wenn du dir als FC Bayern so einen Spieler ins Haus holst, hast du mit Gehalt und Beraterhonorar plötzlich pro Jahr 40 Millionen Euro Minus in der Bilanz stehen. Daher müssen wir mit kühlem Kopf, sehr überlegt und nicht emotional vorgehen.