Wettlauf gegen die Zeit

Von Daniel Reimann
Eintracht Frankfurt stieg als Zweitplatzierter in die Bundesliga auf
© Getty

In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Eintracht Frankfurt.

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Der Kader wurde grundlegend umgebaut, Armin Veh will seinem Team eine neue Identität verleihen. Die Eintracht erfindet sich neu - doch der Umbau ist mit Risiken verbunden. Es droht eine Geduldsprobe.

Das ist neu

Zehn Neuzugänge kann die Eintracht gut zwei Wochen vor Transferschluss aufweisen. Sollten die Wunschspieler Carlos Zambrano und Dorge Kouemaha ebenfalls kommen, wären die Personalplanungen damit abgeschlossen. Die sportliche Führung hat kräftig in die Breite des Kaders investiert, was sich laut Trainer Armin Veh in jedem Trainingskick bemerkbar macht: "Früher gingen die Spiele 5:0, 6:0 aus, heute weiß man nicht, wer A- und wer die B-Mannschaft ist. Das ist ein großer Unterschied zum letzten Jahr."

Doch manche Neuverpflichtungen haben auch neue Baustellen geschaffen. So offenbarte Innenverteidiger Vadim Demidov in den Vorbereitungsspielen zahlreiche Unsicherheiten, sodass mittlerweile nicht nur die Position seines Nebenmannes, sondern auch seine eigene vakant scheinen.

Der aus Gladbach zurückgekehrte Bamba Anderson konnte ebenfalls noch nicht überzeugen. Der neue Hoffnungsträger heißt nun Zambrano, dessen Verpflichtung in diesen Tagen endlich unter Dach und Fach gebracht werden soll.

Auch im Tor brennt der Konkurrenzkampf. Kevin Trapp, der für 1,5 Millionen Euro von Absteiger Lautern nach Frankfurt gewechselt ist, hat Klub-Legende Oka Nikolov im Nacken, der in der Vergangenheit schon einige vermeintliche Stammkeeper verdrängt hat.

In anderen Mannschaftsteilen hingegen fehlt es an gleichwertigen Alternativen. So fragt man sich, wer den Zweitliga-Torschützenkönig der vergangenen Saison, Olivier Occean, ersetzen soll, falls dieser Ladehemmungen hat oder sich verletzt. Erwin Hoffer hängt hinterher, "er muss ein bisschen was aufholen" (Veh). Und auch Kouemaha, der kurz vor einem Wechsel zur Eintracht steht, wird nach seinem Achillessehnenriss im Frühjahr noch einige Wochen brauchen, um auf das konditionelle Level seiner Teamkollegen zu kommen.

Die Taktik

Nach seinem ersten Jahr bei der Eintracht und dem direkten Wiederaufstieg will Veh seiner Mannschaft mehr Eigeninitiative einbläuen. "Wir wollen agieren, nicht reagieren", beschreibt Sebastian Rode die neue Frankfurter Maxime.

Für einen Aufsteiger eine durchaus ambitionierte Vorgabe, die Veh ausgibt. "Wir wollen uns nicht bis zum Sechzehner zurückziehen, sondern mit unserem eigenen Stil die Punkte holen - obwohl wir Neuling und jung sind. Wir wollen eine eigene Identität haben."

Damit verbunden ist die Abkehr vom 4-4-2 hin zum 4-2-3-1-System. Die Basis des Erfolgs ist klar definiert: Mehr Laufarbeit und konsequenteres Pressing im Spiel gegen den Ball. Was auf die Truppe im Bundesliga-Alltag zukommt, wurde im Training bereits durch eine enorm gesteigerte Intensität und umfangreichere Konditionseinheiten angedeutet.

Bei eigenem Ballbesitz sind künftig vor allem die Außenverteidiger deutlich stärker gefragt als zuvor, "sie müssen brummen" (Veh). Sie sollen der Kreativ-Flügelzange Aigner/Inui den Rücken freihalten, damit beide häufiger ihrem Zug zum Tor freien Lauf lassen können. Vehs Hoffnung: Sein Team ist damit für den Gegner "schwerer zu greifen".

Dass der Plan, sich als Aufsteiger mit einem runderneuerten Kader und finanziellen Einschränkungen auf dem Platz neu zu erfinden, mit Risiken verbunden ist, muss Veh eingestehen: "Es kann schon sein, dass wir Probleme bekommen." Dennoch sollen seine Jungs versuchen, "unser Spiel durchzubringen".

Der Spieler im Fokus

Takashi Inui. Er versteht nur minimal Deutsch, spricht kein Wort Englisch und kapiert "natürlich nicht alles, was der Trainer meint". Dennoch soll Inui gemeinsam mit Stefan Aigner und Alex Meier die neue Frankfurter Dreierkette im offensiven Mittelfeld bilden.

Entsprechend schnell war Veh wieder von seinem anfänglichen Optimismus ("Fußball ist international, wir brauchen keinen Dolmetscher") abgekehrt und besorgte einen Übersetzer für Inui, der zudem in seiner Freizeit nun fleißig Vokabeln pauken muss. Veh will nichts dem Zufall überlassen, damit sich sein 1,2-Millionen-Euro-Neuling möglichst perfekt einfügt.

Inui, vom Spielertyp her eigentlich ein Zehner, wird wohl auf den linken Flügel ausweichen, da in der Mitte an Meier kein Vorbeikommen ist. Doch das neue Kreativ-Duo, das mit Blick auf die körperlichen Spezifikationen ungleicher kaum sein könnte, birgt jede Menge Variabilität: "Es gibt ja viele Mannschaften, die zwei Zehner haben", sagt Meier, "ich bin derjenige, der mehr in der Zentrale spielt, aber wir können uns ja auch abwechseln."

Während Meier zentral und Aigner auf rechts gesetzt sind, spielt Inui vorerst auf Bewährung. Denn sowohl Dauer-Frankfurter Benjamin Köhler als auch Youngster Sonny Kittel drängen sich als Alternativen zu Inui auf. Sehr viel wird davon abhängen, wie schnell sich der Japaner integriert und wie gut die Kommunikation mit den Kollegen auf dem Platz funktioniert.

Das Interview

SPOX: Nicht anders war dagegen der Aufschrei von Trainer Armin Veh, der wie im Vorjahr Neuzugänge für Defensive und Sturm forderte. Kam das für Sie unvorbereitet?

Bruno Hübner: Nein. Ich stehe ja in tagtäglichem Austausch mit dem Trainer. Es ist normal, dass wir nach dem Aufstieg nun andere Ansprüche an die Qualität der Spieler haben. Da gibt es welche, die an ihre Grenzen stoßen. Es ist unsere Aufgabe, ihnen das zu aufgrund von Leistungsdaten zu erklären und versuchen gleichzeitig, dass wir alle Positionen doppelt besetzen.

SPOX: Mit einem Vorgriff aufs TV-Geld der kommenden Jahre, wie Sie kurz nach dem Aufstieg vorgeschlagen haben?

Hübner: Grundsätzlich sind wir hier in Frankfurt schon gut aufgestellt. Ich bin ein Freund davon, dass man sich vorzeitig auf ein Budget festlegt. So weiß man frühzeitig, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Wenn man nach und nach aufstockt, reagiert man nur nach Bedarf. Das Budget wurde ja letztlich auch sinnvoll korrigiert, so dass alle damit leben konnten.

Das komplette Interview mit Manager Bruno Hübner lesen Sie nächste Woche bei SPOX!

Die Prognose

Das Saisonziel lautet Klassenerhalt - doch der ein oder andere blickt bereits darüber hinaus: "Europa League, am besten Champions League", so lautet der Traum von Sebastian Rode. Ob das noch bei Eintracht Frankfurt möglich sei? "Warum sollte uns nicht so was gelingen, wie Gladbach oder Hannover?", entgegnet der Mittelfeldmann.

Allerdings sind Europacup-Träume angesichts der aktuellen Situation völlig fehl am Platz und höchstens ferne Zukunftsmusik. Die Eintracht wird von Beginn an gegen den Abstieg spielen.

Denn selbst wenn die Mannschaft Vehs neues System adaptiert und die theoretischen Vorgaben auf dem Platz erfüllt, wird es Zeit brauchen, bis die stark umgebaute Startelf eingespielt ist und die Neuzugänge auch sportlich integriert sind. Doch ob Veh und seiner Truppe diese Zeit von Vorstand und Fans auch in Krisenphasen gewährt wird, bleibt abzuwarten. Frankfurts Kampf gegen den Abstieg ist somit auch ein Kampf gegen die Zeit.

Mut macht da die erfolgreiche Vorbereitung: Acht von neun Testspielen wurden gewonnen (u.a. der krönende Abschluss beim 4:2 gegen Valencia), im Gegensatz zur Konkurrenz blieb die Eintracht dabei von schwerwiegenden Ausfällen verschont. Zudem ist Frankfurts Kader im Vergleich zu den beiden Mit-Aufsteigern Fürth und Düsseldorf gerade in der Breite stärker besetzt und verfügt über deutlich mehr Bundesliga-Erfahrung.

Doch reicht diese aus, um weitere Konkurrenten hinter sich zu lassen? Eine positive Antwort fällt schwer. Die runderneuerte Eintracht ist ein heißer Kandidat für den Relegationsplatz.

Der Kader von Eintracht Frankfurt