Der 47-Jährige trug von 1987 bis 1995 das Trikot von Werder Bremen und gewann mit den Hanseaten unter anderem den Pokal der Pokalsieger. Seit über einem Jahrzehnt ist er nun Sportdirektor bei Rosenborg Trondheim, wird aber im neuen Jahr von seinem Job zurücktreten.
Am Dienstag reicht Trondheim auf Schalke ein Remis, um das Champions-League-Achtelfinale zu erreichen. (Verfolgen Sie das spannende Finale am Dienstag um 20.45 Uhr im SPOX-LIVE-TICKER oder in einer speziellen deutschen Konferenz nur mit Schalke und Werder bei Premiere und im Internet TV!)
Als einziger norwegischer Klub ist Rosenborg in Europa wettbewerbsfähig, national ist der Verein jedoch nicht mehr die Referenz Nummer eins. Nach 14 Meistertiteln in den letzten 15 Jahren wurde die abgelaufene Saison nur auf Platz fünf beendet.
Im SPOX.com-Interview spricht Rune Bratseth über Berufsmüdigkeit, giftige Ex-Trainer und Mäzene aus Russland.
SPOX: Herr Bratseth, wir sind überrascht, dass Sie nach wie vor Rosenborgs Sportdirektor sind. Wir dachten, Sie hätten aufgehört.
Rune Bratseth: Es stimmt, dass ich meinen Rücktritt erklärt habe. Aber dieser ist erst ab 2008 wirksam. Bis zum Ende des Jahres ziehe ich es durch und arbeite meinen Nachfolger und guten Freund Knut Torbjörn Eggen ein. Danach bleibe ich dem Verein als Berater erhalten, nur eine genaue Stellenbeschreibung gibt es noch nicht.
SPOX: Es wurde kolportiert, Sie hören auf, weil Sie ausgebrannt sind.
Bratseth: Das ist stark übertrieben. Bei mir zuhause ist es halt wie in Deutschland. Die Zeitungen schreiben das, damit es interessant klingt. Sicherlich verspüre ich eine gewisse Müdigkeit, aber nach 13 Jahren an vorderster Front ist es auch nicht weiter verwunderlich.
SPOX: Ist es nur die Müdigkeit?
Bratseth: Mir ist es wichtig, dass ich selbst bestimmen kann, wann und wie ich ein Kapitel beende. Ich habe seit 1994 als sportlich Verantwortlicher einiges mitgemacht, aber die Entwicklung in den letzten Jahren gefällt mir nicht. Diese ganze Hektik und der Druck, der von außen in den Verein rein getragen wird.
SPOX: Ist in Trondheim durch die veränderten Rahmenbedingungen der familiäre Touch verloren gegangen?
Bratseth: Überhaupt nicht. Wenn man als Fan oder Journalist in unser Trainingszentrum kommt, kann man sich mit jedem unterhalten und einen Kaffee trinken. Diese Harmonie ist dem Klub extrem wichtig.
SPOX: Bei aller Harmonie verschliss Rosenborg seit Nils Arne Eggens Rücktritt 2002 fünf Trainer. Ganz so harmonisch geht es offenbar doch nicht mehr zu.
Bratseth: Das muss man differenziert sehen, denn von den fünf Trainern sind zwei freiwillig gegangen. Age Hareide wurde norwegischer Nationaltrainer, Per Mathias Högmo verlor die Lust an der Aufgabe. Und zu den anderen Trainern: Eggen hat einen hohen Maßstab gesetzt und einige waren dem Job einfach nicht gewachsen.
SPOX: Damit spielen Sie sicherlich auf Knut Törum an, der im Oktober - wie sagt man so schön - gegangen wurde.
Bratseth: Mit ihm hat es einfach nicht gepasst. Ich weiß noch immer nicht warum, aber Törum hat eine Blockadeposition eingenommen und sich geweigert, mit uns zu kommunizieren. So etwas ist Gift für einen Verein.
SPOX: War das auch der Grund für die schwachen Auftritte in der norwegischen Liga?
Bratseth: Bestimmt ein wichtiger. Seit Trond Henriksen interimsweise das Amt übernommen hat, läuft es wieder richtig gut. Wir beharren auch nicht mehr starr auf einem 4-3-3-System, sondern variieren und spielen auch mal mit zwei Stürmern. Das hat einen immensen Einfluss.
SPOX: Trotz der guten Leistungen fühlen Sie sich auf Schalke sicherlich mit der Außenseiterrolle sehr wohl.
Bratseth: Wir wehren uns nicht dagegen.
SPOX: Weil sich Trondheim hinten einigeln und auf Konter spielen kann?
Bratseth: Ja. Das 0:4 gegen Chelsea hat gezeigt, was passieren kann, wenn man mutig mit einer Spitzenmannschaft mitspielen möchte. Da fliegt man schnell auf die Nase. Daher gehe ich davon aus, dass die Spieler daraus gelernt haben und disziplinierter auftreten. So gesehen könnte uns das 0:4 noch einige Millionen bescheren.
SPOX: Sie sprechen den finanziellen Aspekt an. In Norwegen ist Trondheim trotz der Champions-League-Einnahmen nicht mehr der Krösus. Warum?
Bratseth: Mittlerweile ist es auch in Norwegen so, dass richtig reiche Investoren kommen und einzelne Vereine unterstützen. Da können wir nicht mehr mithalten.
SPOX: Es klingt, als ob Sie sich nach einem Mäzen aus Russland sehnen.
Bratseth: Das ist ein schwieriges Thema. Solange es geht, werden wir versuchen, mit eigenen Mitteln konkurrenzfähig zu bleiben. Aber wenn wir irgendwann an die Grenzen stoßen, muss man neue Quellen suchen.
SPOX: Trotz der moderaten Finanzlage hat sich Trondheim in den letzten 13 Jahren zwölfmal für die Champions League qualifiziert. Häufiger als der FC Barcelona. Was ist das Geheimnis?
Bratseth: Wir sind seit Mitte der 90er Jahre mit dabei und im Laufe der Zeit haben wir uns Know-How und einen unersetzbaren Erfahrungsschatz angeeignet, um uns durch die Qualifikationsphase zu beißen. So eine Qualität kann man sich nicht einkaufen, die muss man sich erarbeiten. Deswegen sind wir auch der einzige norwegische Klub, der sich international behauptet.
SPOX: Ist es denkbar, dass Rosenborg irgendwann mal zu den Top-15-Klubs in Europa gehört?
Bratseth: Das ist ausgeschlossen. Unter den ersten 30 ja, aber mehr geht nicht.
SPOX: Zum Beispiel, weil die besten Spieler abgeworben werden?
Bratseth: Das ist klar.
SPOX: Welche Spieler aus Ihrer Mannschaft könnten sich gegen Schalke für einen Wechsel in die Bundesliga anbieten?
Bratseth: Da gibt es schon einige. Steffen Iversen ist ja hinlänglich bekannt, den muss ich nicht mehr vorstellen. Vor allem im Mittelfeld sind wir sehr ordentlich besetzt. Mit dem Slowaken Marek Sapara, der ungemein wichtig für uns ist, sowie Alexander Tettey und Per Skjelbred, zwei richtig junge Leute, die auch in der Nationalmannschaft überzeugt haben.
SPOX: Und wie steht es bei Ihnen? Kommt für Sie eine Rückkehr nach Deutschland nicht in Frage?
Bratseth: Ich habe in der Vergangenheit einige Angebote aus der Bundesliga ausgeschlagen, um in Trondheim zu bleiben. Und derzeit sehne ich mich nicht nach einer neuen Herausforderung. Ich freue mich auf die Aussicht, nächstes Jahr nicht mehr so im Fokus zu stehen und mich in die zweite Reihe zurückziehen zu können. Dennoch will ich nichts ausschließen. Man weiß ja nie, was kommt.