Der Niederländer erinnerte gegen Barcelona an den genialen Robben aus dem Frühjahr 2010. Die bevorstehende Ankunft eines neuen Konkurrenten scheint ihn zu beflügeln. Für den Erfolg des FC Bayern hat Robben auch seine Spielweise angepasst.
Vor elf Monaten erlebte Arjen Robben seinen schlimmsten Moment als Spieler des FC Bayern München. Genau genommen war er an diesem 22. Mai 2012 gar kein Spieler des FC Bayern, er trat sogar gegen ihn an. Mit der niederländischen Nationalmannschaft spielte Robben gegen seinen Klub, mit dem er 70 Stunden zuvor das Champions-League-Finale dahoam auf dramatische Weise verloren hatte.
Das vorab und unabhängig vom Ausgang des Champions-League-Finals für wenig sinnvoll erachtete Streitschlichtungsspiel zwischen dem FC Bayern und dem niederländischen Fußballverband KNVB geriet für Robben zum Spießrutenlauf. Bei jeder Ballberührung wurde er von Teilen der Bayern-Fans ausgepfiffen.
Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge lieferte später die fadenscheinige Begründung, die Fans hätten Robben gerne auch im Bayern-Trikot gesehen. Dabei hatten die Anhänger Robben als Hauptschuldigen für die Final-Pleite gegen Chelsea ausgemacht, weil er, wie schon ein paar Wochen zuvor in der Bundesliga in Dortmund, einen Elfmeter verschossen hatte.
Dass Robben nach diesem für den FC Bayern "peinlichen Vorfall" (Mark van Bommel) jemals wieder für die Münchner spielen werde, war nicht zweifelsfrei klar. Rafael van der Vaart und andere Kollegen aus der Elftal legten Robben einen Vereinswechsel nahe.
Krankheit und Verletzungen in der Hinrunde
Zwei Monate später stand Robben wieder auf dem Platz. In Trainingsklamotten mit dem Bayern-Logo. Der neue Sportvorstand Matthias Sammer attestierte ihm eine höchstprofessionelle Einstellung.
Im Supercup gegen Dortmund und im ersten Bundesligaspiel gegen Fürth stand Robben in der Startelf und bereitete drei der fünf Bayern-Tore vor. Der Neuanfang schien gelungen, Robben war wie die gesamte Mannschaft hungrig auf Erfolg nach drei zweiten Plätzen.
Dann aber stoppten ihn erneut Krankheiten und Verletzungen. Elf Hinrundenspiele in der Bundesliga verpasste Robben, meistens wegen muskulärer Probleme. Als er zur Rückrunde wieder fit war, musste er sich hinten anstellen. Das offensive Mittelfeld war mit Ribery, Kroos und Müller in den 1a-Spielen besetzt, nur Heynckes' Rotation spülte Robben hin und wieder in die Startelf.
Seine Reservistenrolle nahm Robben an, öffentliche Forderungen nach mehr Einsatzzeit konnte er sich aber nicht verkneifen. "Wenn ich der Trainer wäre, würde ich mich öfter spielen lassen", sagte er Anfang Februar nach dem 4:0 gegen Schalke.
Matchwinner gegen Dortmund
Drei Wochen später sollte ausgerechnet Robben im bis dato wichtigsten Saisonspiel für den FC Bayern den Unterschied ausmachen. Für den gesperrten Ribery in die Startelf gerutscht, erzielte er im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund den sehenswerten Siegtreffer zum 1:0. Ein Tor als Balsam für die Bayern-Seele, ein Tor als Indikator für "eindeutig geklärte Verhältnisse" in Fußball-Deutschland (Uli Hoeneß).
Doch erst durch die schwere Verletzung von Toni Kroos, erlitten im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Juventus Turin, wurde aus dem Rotationsspieler Robben wieder ein Stammspieler. Ein guter Stammspieler.
Robben überzeugte in beiden Spielen gegen Juventus, er war beim 6:1 im Pokal gegen Wolfsburg an drei Toren beteiligt und beim 6:1 in Hannover sogar Kapitän nach Riberys Auswechslung.
Offensiv und defensiv stark
Seinen ganz großen Auftritt hob sich Robben aber gegen die beste Mannschaft der Welt auf. Seine Sprints, sein Einsatz, sein Explosivität und sein klasse Tor gegen den FC Barcelona erinnerten an den genialen Robben aus dem Frühjahr 2010, als er die Bayern im Alleingang ins Pokal- und Champions-League-Finale schoss.
Damals war Robben überwiegend für spektakuläre Dinge in der Offensive zuständig, im taktischen Geflecht des FC Bayern 2012/13 nimmt er wie alle anderen Spieler auch in der Defensive eine wichtige Rolle ein. Robben hat seine Spielweise angepasst.
Er ging gegen Barca wie Ribery auf der anderen Seite enorm weite Wege auch in die eigene Hälfte, um gemeinsam mit Philipp Lahm die rechte Bayern-Seite gegen Jordi Alba und Alexis Sanchez zu beherrschen. Robben gewann starke 65 Prozent seiner Zweikämpfe, legte reihenweise lange Sprints hin und war an der Hälfte aller Torschüsse der Bayern beteiligt (8 von 16), mehr als jeder andere Spieler.
"Da darf man ruhig stolz sein"
Robben gab am Dienstagabend ein ganz starkes Statement ab, nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der Verpflichtung von Mario Götze, dem Wunschspieler von Pep Guardiola. Schnell machten sich viele schlaue Leute Gedanken, wer denn für Götze in der nächsten Saison weichen muss. Robben natürlich, der hat ja eh keine Lobby bei Guardiola, weil seine Spielweise mit der Philosophie des neuen Bayern-Trainers nicht vereinbar ist.
Robben hat allen Zweiflern gegen Barca die passende Antwort gegeben. Der 29-Jährige hat erneut in einem großen Spiel geliefert. Seine eigene Leistung wollte er nicht in den Vordergrund stellen, vielmehr imponiert ihm das, was die ganze Mannschaft in dieser Saison leistet.
"Dass wir in Hannover 6:1 gewinnen, war schon unglaublich, so kurz vor dem Spiel gegen Barca. Und dieses 4:0 ist erst recht kaum zu glauben. In den letzten fünf Jahren hat Barcelona Europa dominiert, da darf man ruhig stolz sein", sagte Robben.
Noch sind die Bayern aber nicht am Ziel. Und Robben erst recht nicht. 2010 verlor er nach dem Champions-League- auch das WM-Finale. 2012 war wohl sein schlimmstes Jahr als Profi. Der Gewinn der Champions League steht bei Robben sportlich über allem. Auch dank seiner Leistung gegen Barcelona bekommt der FC Bayern aller Voraussicht nach am 25. Mai eine weitere Chance.
FC Bayern München - FC Barcelona: Daten zum Spiel