"Es ist nicht schwer, mich zu verstehen"

Von Interview: Fatih Demireli
Nuri Sahin wurde vom BVB für anderthalb Jahre ausgeliehen
© getty

Für Nuri Sahin wird das Aufeinandertreffen mit Real Madrid im Halbfinal-Hinspiel der Champions League (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) etwas ganz Besonderes. Der Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund ist noch bis 2016 an die Madrilenen gebunden. Im Interview spricht der Türke über ein Wiedersehen mit Jose Mourinho, Kicken mit Zinedine Zidane und Jakub Blaszczykowskis Fortschritte.

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SPOX: Nuri Sahin, Jürgen Klopp war unter der Dusche, als das Los Real Madrid gezogen wurde. Wo waren Sie eigentlich?

Nuri Sahin: Ich war zu Hause. Meine Frau hat gerade den Kleinen ins Bett gebracht, und ich habe von dem Los eher so nebenbei erfahren.

SPOX: Wie fiel die erste Reaktion aus?

Sahin: Ganz nüchtern. Es gab vorab kein Wunschlos, weil alle drei Mannschaften Top-Favoriten auf den Titel sind. Für mich ist es aber schon etwas Besonderes, gegen meinen Ex-Klub zu spielen.

SPOX: Hatten Sie Gelegenheit, mit Jose Mourinho in Fürth zu sprechen?

Sahin: Ja, wir haben nach dem Spiel miteinander gesprochen.

SPOX: Ihr inniges Verhältnis ist bekannt. Wie rege ist der Kontakt?

Sahin: Sehr regelmäßig. Nach der Auslosung war der Kontakt natürlich wieder etwas intensiver. Wir reden aber nicht nur über Fußball, sondern auch über Gott und die Welt. Ich brauche keine Hemmungen zu haben, ihn anzurufen oder um etwas zu bitten. Wir rufen uns einfach an. Das ist völlig normal.

SPOX: Auch Wesley Sneijder und Didier Drogba haben am Rande der Champions-League-Spiele zwischen Galatasaray und Real erzählt, dass sie stets Kontakt zu Mourinho halten. Ihm scheint das wichtig zu sein.

Sahin: Natürlich. Wir sind ja nicht nur Fußballer. Wir haben ein Jahr miteinander gearbeitet, waren jeden Tag zusammen. Da baut man eine Verbindung auf. Ich habe ein vernünftiges Verhältnis zu ihm. Wir schätzen uns gegenseitig.

SPOX: Mit wem haben Sie im Viertelfinale eigentlich mitgefiebert, als Real gegen Galatasaray spielte: Stammklub oder Landsleute?

Sahin: Schwierige Frage. Ich konnte zu beiden Partien keine Bindung aufbauen, weil wir zeitgleich selbst gespielt haben.

SPOX: Neben Mourinho war für Sie zu Real-Zeiten Zinedine Zidane eine wichtige Bezugsperson.

Sahin: Wir reden immer wieder mal. Ich freue mich total, ihn in Madrid wiederzusehen. Wir haben uns zu meiner Zeit bei Real fast jeden Tag gesehen und unterhalten, weil er immer nah bei der Mannschaft war. Ich habe seine Meinung immer sehr geschätzt. Was mich sehr berührt hat, war seine Unterstützung, als ich verletzt war. Das kann ich gar nicht genug hoch einschätzen.

SPOX: Er war ein überragender Fußballer. Haben Sie nicht mal zu ihm gesagt: Komm' Zizou, lass' uns mal kicken gehen?

Sahin: Ich hatte wirklich einmal das Glück, dass er bei uns mittrainiert hat. Er hat es noch drauf (lacht).

SPOX: Als Außenstehender denkt man sich: Jetzt kann Sahin in Madrid zeigen, was er wirklich drauf hat. Ganz ehrlich: Spielt das eine Rolle?

Sahin: Überhaupt nicht, das wäre absolut der falsche Ansatz. Für mich ist wichtig, dass wir gewinnen und uns am Ende für das Finale qualifizieren.

SPOX: Trifft der BVB nun auf ein anderes Real-Team als in der Gruppenphase?

Sahin: Die Mannschaft ist die gleiche, aber man muss ehrlicherweise sagen, dass sie uns diesmal in einer anderen Form begegnen werden. Die Mannschaft ist in der Rückrunde von Spiel zu Spiel stärker geworden. Die Erfolge gegen Barcelona und Manchester haben der Mannschaft einen Ruck gegeben. Es war sehr eindrucksvoll, wie sie da gespielt haben.

SPOX: In München ist ein großes Thema entbrannt, ob Pep Guardiola Jupp Heynckes Tipps geben darf. Wie ist es bei Ihnen: Haben Sie Geheimtipps für Jürgen Klopp?

Sahin: Die Jungs haben Real Madrid in der Gruppenphase vier Punkte abgenommen. Ich glaube, ich muss da keine Tipps mehr geben.

SPOX: Louis van Gaal sagte mal, dass ein Spieler gar keine Tipps geben sollte, weil er das nicht kann.

Sahin: (lacht) Wenn Louis van Gaal das sagt, muss es ja stimmen.

SPOX: Wie wichtig ist es, dass Mats Hummels wieder dabei ist? Es war zu beobachten, dass Ilkay Gündogan oder Sie die Bälle zuletzt sehr tief abholen mussten, um aufzubauen. Das übernimmt jetzt Hummels wieder.

Sahin: Ich muss nicht sagen, wie wichtig Mats für uns ist und welche Qualitäten er hat. Es ist richtig, dass er gerade im Spielaufbau sehr dominant ist. Aber wir haben drei sehr gute Innenverteidiger und es wäre nur fair zu erwähnen, dass Felipe Santana und Neven Subotic eine sehr gute Runde spielen.

SPOX: Sie kommen persönlich immer besser zur Geltung. Sie haben bei Ihrer Antritts-Pressekonferenz gesagt, dass Sie nur beim BVB funktionieren. Scheint zu stimmen.

Sahin: Ich wollte damit eigentlich nur sagen, dass es für mich in Dortmund mit dem ganzen Drumherum am besten passt: Ob es das Präsidium ist, die sportliche Leitung, die Mannschaft, die Fans, die Stadt oder die Nähe zu meiner Familie. Natürlich verliere ich aber außerhalb der Stadtgrenzen nicht meine Fähigkeit, Fußball zu spielen.

SPOX: All das hat Ihnen wieder auf die Sprünge geholfen.

Sahin: Gott sei Dank! Es geht wieder aufwärts, ich spiele regelmäßig. Das tut gut.

SPOX: Fühlen Sie sich bestätigt?

Sahin: Sagen wir mal so: Es tut gut zu wissen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Es war zu 100 Prozent richtig, wieder zurückzukommen.

SPOX: Ist Jürgen Klopp ein Nuri-Sahin-Versteher?

Sahin: Es ist nicht schwer, mich zu verstehen. Ich bin kein schwieriger Typ und ich denke nicht, dass irgendjemand auf dieser Welt das Gegenteil behaupten kann. Jürgen Klopp weiß, wie ich ticke. Ich schätze ihn als Trainer und Menschen sehr und ich bin ihm sehr dankbar.

SPOX: Was hat sich in Dortmund in der Zeit Ihrer Abwesenheit verändert?

Sahin: Die Mannschaft ist besser geworden. Und Jakub Blaszczykowski hat gelernt, Tore zu schießen (lacht).

SPOX: Gündogan wurde damals als Ihr Nachfolger geholt und startete nach Anlaufschwierigkeiten richtig durch. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Sahin: Ich kann nur positiv über Ilkay sprechen. Er hat sich insbesondere in den vergangenen Monaten sehr gut entwickelt und spielt seine Rolle beim BVB wirklich sehr gut. Für die Mannschaft ist er ungemein wichtig.

SPOX: Sie spielen nicht nur beim gleichen Klub und dieselbe Position, sondern haben auch die gleichen Wurzeln. Verbindet das?

Sahin: Die Wurzeln, der Werdegang, das alles verbindet sicherlich etwas mehr. Nicht nur wir beide, sondern auch die Familien verstehen sich sehr gut. Ich muss aber auch sagen, dass sich in der Mannschaft alle gut verstehen.

SPOX: Gündogan wird mit Deutschland ziemlich sicher an der WM teilnehmen. Die Chancen für Sie mit der Türkei stehen eher gering. Warum hapert es so?

Sahin: Es läuft nicht gut, das wissen wir. Und das kann kein Dauerzustand sein. Es bringt aber nichts, darauf rumzuhacken. Stattdessen müssen wir Lösungen finden, warum es ein Fußball-Land mit so vielen Einwohnern, so großen finanziellen Mitteln und so viel Potenzial nicht schafft, erfolgreicher zu sein. Wir Spieler hinterfragen uns, aber das reicht nicht. Auch jeder Verantwortliche muss es tun. Das wäre schon mal ein Anfang.

SPOX: Für Sie persönlich könnte es auch besser laufen. Zwar haben Sie zuletzt wieder zwei Mal von Anfang an gespielt, aber in der Türkei sind Sie selten gesetzt. Stört Sie das nicht?

Sahin: Natürlich stört es mich. Ich habe mittlerweile 40 Länderspiele, das ist nicht wenig, aber es läuft nicht so, wie ich es mir wünsche. Das gilt aber nicht nur für mich, sondern für die ganze Mannschaft.

SPOX: Zum Abschluss. Sie sind ein großer Fan von Social Media. Ihr Twitter-Account hat fast 900.000 Follower. Was teilen Sie Ihren Fans am 25. Mai mit?

Sahin: Da kommt einiges drauf, aber bis dahin ist noch Zeit. Das wird man dann schon sehen.

Nuri Sahin im Steckbrief

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