Architekten und Bauarbeiter

Von Andreas Lehner
Bastian Schweinsteiger (M.) und Toni Kroos (r.) haben entscheidende Aufgaben gegen Juventus
© getty

Bastian Schweinsteiger ist die zentrale Figur im Spiel des FC Bayern, Andrea Pirlo der Lenker bei Juventus Turin. Das Duell der beiden Mittelfeldstrategen wird auch das Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals (Di., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) prägen. Die entscheidende Rolle könnte trotzdem anderen zufallen.

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Am Dienstagabend spielt der FC Bayern gegen Juventus Turin. Das ist jetzt weder eine Nachricht noch eine bahnbrechende Erkenntnis. Trotzdem sollte es an dieser Stelle noch einmal gesagt werden. Schließlich haben auch Toni Kroos und Thomas Müller auf der offiziellen Pressekonferenz der UEFA mehrmals darauf hingewiesen.

Champions League also. Keine Europameisterschaft, keine Weltmeisterschaft, Vereinsfußball. Nun ist die allgemeine Bilanz des FC Bayern gegen italienische Mannschaften im Europapokal nicht gerade berauschend (Nur in drei von neun Europapokalduellen mit Hin- und Rückspiel setzten sich die Bayern durch), doch das jüngste angebliche Trauma der Deutschen gegen die Italiener rührt von der EM 2012 und der WM 2006 her. Vor allem die Erinnerungen an das EM-Aus in Warschau sind noch frisch.

Clever, abgezockt und schlitzohrig

Die junge deutsche Elf zerbrach an der Souveränität und Abgeklärtheit der Italiener. Sieben Spieler des FC Bayern standen für Deutschland auf dem Platz, sechs Juventus-Spieler für Italien. Es gibt also durchaus Verknüpfungspunkte zwischen diesen beiden Partien, großes Interesse an dieser Diskussion haben die Spieler aber nicht. Historische Statistiken sind den Akteuren im Vorfeld der Partien immer ziemlich egal.

Die Erfahrung des EM-Halbfinals könnte dennoch von Bedeutung sein. Zum einen werden die Bayern und Trainer Jupp Heynckes nicht den Fehler von Bundestrainer Joachim Löw wiederholen und ihr Spiel nach dem des Gegners richten und zum anderen sind die Spieler in der Bewertung des Gegners einen Schritt weiter als noch vor neun Monaten.

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"Sehr clever, abgezockt und schlitzohrig" seien die Italiener sagt Bastian Schweinsteiger. Attribute, die die Bayern gegen Juventus brauchen werden und die sie beim bisher wohl schwächsten Auftritt dieser Saison im Rückspiel gegen den FC Arsenal vermissen ließen.

Zwei Niederlagen ohne Schweinsteiger

Es war die zweite Niederlage der Münchner in dieser Champions-League-Saison. Wie schon bei der ersten Pleite in Minsk gegen BATE Borissow stand Schweinsteiger nicht in der Startelf, er saß gegen Arsenal eine Gelbsperre ab.

Dem Spiel der Bayern fehlte ohne den Chef im Mittelfeld eine entscheidende Komponente. Schweinsteiger, den Heynckes neben Sergio Busquets zum besten Mittelfeldspieler der Welt gekürt hat, ist die zentrale Figur im Spiel des FC Bayern.

Er bestimmt Rhythmus und Tempo des Spiels und ist mit seinen langen Diagonalbällen für ein wichtiges Stilmittel der Münchner verantwortlich.

Pirlo: Quelle der Juve-Offensive

Sein Gegenstück auf Turiner Seite heißt Andrea Pirlo. Der 33-Jährige ist seit der Europameisterschaft endgültig wieder auf internationalem Topniveau und im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen. Der Durchhänger zum Ende seiner Milan-Zeit ist Geschichte.

Einen "genialen Fußballer" nannte Heynckes Pirlo. Dazu noch "Architekt, Herzstück und Gehirn" des Juventus-Spiels. Extrem viel Lob für einen einzigen Spieler des Gegners - und ein Zeichen größten Respekts.

Pirlo prägt das Spiel seiner Mannschaften wie kaum ein Zweiter auf diesem Planeten. Seine Ballsicherheit und Übersicht sind stilbildend für die Position vor der Abwehr. Er hat ein feines Gespür für den Raum und die richtigen Pässe, die das Spiel entweder schnell oder langsam machen. Seine langen Vertikalbälle sind wie seine Standards präzise und eine Gefahr für jede Abwehr. Er ist die Quelle des Turiner Offensivspiels.

Welches Team ins Halbfinale einzieht, wird auch ganz entscheidend davon abhängen, welcher Architekt sich in beiden Spielen besser in Szene setzen kann: Schweinsteiger oder Pirlo.

Pirlos fleißige Helfer

"Ein Schlüssel zum Erfolg ist es, Pirlo und Vidal aus dem Spiel zu nehmen. Wenn man das schafft, hat man die halbe Arbeit getan", sagt Hasan Salihamidzic, der sowohl für den FC Bayern als auch für Juventus gespielt hat.

Es ist gewissermaßen die Erweiterung des Architekten um einen seiner Bauarbeiter. Vidal ist im Verbund mit Claudio Marchisio für die Dinge zuständig, die Pirlo selbst nicht mehr erledigen kann. Vidal und Marchisio bringen Aggressivität, Dynamik und Laufstärke ins Spiel der Italiener. Außerdem sind beide offensivstark und torgefährlich.

Kader und Statistiken von Juventus

Es gehört zu einer gefährlichen Variante des Juve-Spiels, dass die beiden Mittelfeldspieler auf den Halbpositionen im 3-5-2-System immer wieder mit Tempo in die Räume gehen, die die beweglichen Angreifer reißen.

Heynckes hätte Vidal 2011 gerne von Leverkusen mit nach München genommen. "Er ist ein guter Mannschaftsspieler, sehr diszipliniert und hat eine gute Körpersprache", sagte der Bayern-Trainer. "Ein Glücksgriff von Juventus."

Der Schlüssel zum Sieg

Die Bayern müssen im Hinspiel auf ihren Balancespieler Nummer eins verzichten, Javi Martinez ist gelbgesperrt. Dafür rückt Luiz Gustavo an die Seite Schweinsteigers. Der Brasilianer spielte vor allem in der Vorrunde bis zu seinen Verletzungsproblemen auf hohem Niveau.

Mit Schweinsteiger muss er die Intensität des Juve-Spiels annehmen, den Weg durch die Mitte schließen, Bälle erobern und diese schnell nach vorne spielen.

Komplettiert wird Bayerns Mittelfeld durch Toni Kroos. Der hatte schon bei der EM den Sonderauftrag, Pirlo zu bewachen, wurde von Löw damals aber auf der rechten Außenbahn aufgestellt. Bei Bayern ist er auf seiner Paradedisziplin im Zentrum gesetzt, die Wege sind also nicht so weit.

Der 23-Jährige wird defensiv gefragt sein wie selten zuvor in dieser Saison. "Es ist wichtig, den Leuten hinten Arbeit abzunehmen", sagt Kroos. "Wir müssen im Mittelfeld ein Übergewicht schaffen, um das Spiel zu gewinnen."

FC Bayern - Juventus: Die Bilanz