"Die Bayern sind extremer als Barca"

Haruka GruberAndreas Lehner
06. Mai 201414:54
Frank Wormuth leitet die Trainerausbildung beim DFB und coacht die deutsche U 20getty
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Der FC Bayern München und Trainer Pep Guardiola gerieten nach dem Aus gegen Real Madrid in die Kritik. Frank Wormuth, Trainer-Chefausbilder und U-20-Nationalcoach des DFB, analysiert die Taktik der Bayern sowie ihre Stärken und Schwächen. Außerdem erklärt er den Unterschied zwischen Konter- und Umschaltspiel, schwärmt von Real Madrid und erklärt mit dem Akronym ASTLB, warum Innenverteidiger alter Schule wieder en vogue sind.

SPOX: Nach dem Champions-League-Ausscheiden gegen Real Madrid wird Bayerns Trainer Pep Guardiola teils heftig kritisiert. Zu recht?

Frank Wormuth: Es liegt wohl in der Natur unserer modernen Gesellschaft und vor allem der Medien, nur schwarz und weiß zu sehen. Bis zu einem gewissen Punkt kann ich aber auch die Kritik an der Spielweise nachvollziehen. Die Bayern übertreiben es manchmal: Sie spielen zwar wie der FC Barcelona, aber nur noch schlimmer. Aber ich meine es positiv schlimm, so komisch sich das anhört. Ich mag das Spiel der Bayern. Zählen Sie die Ballkontakte einer normalen Bundesliga-Mannschaft in des Gegners Hälfte. Im Schnitt ist nach fünf, sechs Kontakten der Ball weg, das ist doch schade. Dabei können die Teams alle Fußball spielen, nur fehlt manchmal das Vertrauen, unter Druck den Ball zu halten. Die Bayern demonstrieren dieses Vertrauen und sind dabei sogar noch extremer als Barcelona, wenn die Außenverteidiger bei Ballbesitz im zentralen Bereich agieren. Das hat selbst Barcelona nicht gemacht.

SPOX: David Alaba und Philipp Lahm oder Rafinha, die Außenverteidiger der Bayern, rücken im Angriff extrem weit ein und bleiben untypisch für Ihre Position nie an der Außenlinie haften und laufen sehr selten zur Grundlinie durch, um zu flanken. Spielt Bayern den radikalsten Fußball Europas?

Wormuth: Den konsequentesten Fußball auf jeden Fall, weil Guardiola in der Außensicht nur offensiv denkt. Sein Thema ist die Überzahl in Ballnähe und durch die Überzahl in der Mitte schafft es Guardiola, dass der Gegner deswegen auch in die Mitte rücken muss. So steht außen immer mindestens ein Spieler frei wie Franck Ribery oder Arjen Robben. Unter Jupp Heynckes gab es das regelmäßige Hinterlaufen der Außenverteidiger noch, aber das hat Guardiola weitestgehend abgeschafft, weil so viele Spieler wie möglich, inklusive der Außenverteidiger, an der Ballzirkulation im zentralen Bereich teilnehmen sollen. Die Taktik ist an sich nicht zu beanstanden, sonst wären die Bayern nicht Meister geworden und könnten den Pokal holen. Guardiolas Philosophie ist vollkommen in Ordnung.

SPOX: Allerdings wird jetzt über die Kaderzusammenstellung spekuliert.

Wormuth: Guardiolas Fußball geht nur mit Spielern, die sich auf engstem Raum behaupten können, dafür hat er jetzt schon die richtigen Leute. Thiago passt super rein. Philipp Lahm fühlt sich sehr wohl in der zentralen Position, weil man ihm mit seinem tiefen Körperschwerpunkt den Ball kaum wegnehmen kann. Gleichzeitig beherrschen die Bayern das Element der diagonalen Flugbälle über die Innenverteidiger oder Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger, die selbst am Sechzehner mit einem langen Ball die Seite wechseln können, um den gegenüberliegenden einfach besetzten Flügel anzuspielen und so den Gegner in die Breite zu ziehen.

SPOX: Dennoch war Real Madrid überlegen.

Wormuth: Der Nachteil des Bayern-Spiels ist, wenn sie den Ball verlieren, das Gegenpressing nicht funktioniert und der Gegner seinerseits mit langen, diagonalen Flugbällen auf seine Außenspieler agiert. Ihre Innenverteidiger gehen selten raus auf die Flügel, sondern halten die Mitte, die Außenverteidiger aber folgen nicht dem Prinzip des Fallens bei Ballverlust, sondern gehen immer voll drauf, oft auch im Zentrum. Das eröffnet jedem Team tolle Möglichkeiten, gegen Bayern zu gewinnen. (lacht)

Real Madrids Heatmap beim 4:0 im Rückspiel - Das offensive Zentrum ist verwaist

SPOX: Wie meinen Sie das?

Wormuth: Ich hätte es in der Bundesliga gerne mal gesehen, wenn eine Mannschaft gegen die Bayern auf beide Stürmer im Defensiverhalten verzichtet und damit nur mit acht Mann verteidigt hätte. Dafür stellt man die beiden eingesparten Spieler auf Linksaußen und Rechtsaußen. Jedes Mal bei Ballgewinn müsste die Mannschaft den Ball blind nach vorne auf die eine Seite schlagen und von da wieder blind auf die andere Seite, weil auch die Bayern ballorientiert verschieben. Nürnberg hatte es ansatzweise versucht und hier und da war zu erkennen: Wenn die Ballannahme nach dem ersten Flugball gelungen wäre und dann der zweite Flugball auf die gegenüberliegende Seite geklappt hätte, dann hätte man sich immerhin aus der Umklammerung lösen können und wäre vor dem Tor von Manuel Neuer gestanden.

SPOX: So spielte Real vor allem im Rückspiel. Oder auch in der Runde zuvor Manchester United im Hinspiel: Stürmer Danny Welbeck stellte sich bei jedem Angriff auf die gegenüberliegende Seite an die Außenlinie und Wayne Rooney hatte die Aufgabe, den Ball sofort diagonal nach vorne zu schlagen.

Wormuth: Da sieht man es: Schon vor Real hatten Mannschaften einen Plan gegen Bayern. Aber es bedarf natürlich individueller Qualität, um diesen Plan umzusetzen. Und natürlich Vertrauen in diesen Plan.

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Seite 2: Bayerns Schwächen im Umschaltspiel und Reals Plan B

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SPOX: Nach dem 0:4 gegen Real wurde das mangelhafte Umschaltspiel der Bayern bemängelt. Wie sehen Sie das?

Wormuth: Zunächst einmal müssen wir den Begriff Umschaltspiel differenzieren. Es gibt das defensive Umschaltspiel, bei dem es darum geht, wie sich eine Mannschaft nach Ballverlust verhält, und es gibt das offensive Umschaltspiel, bei dem es darum geht, wie eine Mannschaft nach Ballgewinn agiert.

SPOX: Und?

Wormuth: Sorry, ich muss weiter differenzieren. Beim defensiven Umschaltspiel gibt es zwei Verhaltensweisen: Zum einen das Fallen in Richtung des Balles, dass man im Fußballjargon "Gegenpressing" nennt. Und zum anderen das Fallen hinter den Ball. Bei den Bayern ist definitiv eine positive Entwicklung im Gegenpressing erkennbar. Unter Louis van Gaal wurde sehr positionsbezogen, sehr starr gespielt. Jupp Heynckes weichte es leicht auf, bei Guardiola ist das jetzt variabel bis zum geht nicht mehr. Übertrieben formuliert: Die Spieler dürfen im Zentrum herumlaufen, wie sie wollen, um in Vierecken oder Dreiecken den Ball zirkulieren zu lassen. Das hat den Hintersinn, dass bei Ballverlust sehr viele Spieler in Ballnähe sind, um sofort den ballführenden Gegenspieler zu jagen, also "gegenzupressen". Beim Fallen hinter den Ball ist aber noch Entwicklungspotenzial vorhanden.

SPOX: Doch was ist mit dem offensiven Umschaltspiel?

Wormuth: Hier muss zwischen dem schnellen Konter und dem ruhigen Spielaufbau unterschieden werden. Das Kontern haben die Bayern nicht so verinnerlicht, alleine deswegen, weil die Übung fehlt. Die Gegner stehen häufig so tief, dass man gar nicht dazukommt, einen Konter zu setzen. Aber es ist auch nicht unbedingt die Spielidee von Pep Guardiola. Sein Thema ist die kontrollierte Ballzirkulation. Das hat allerdings zur Folge, dass die Bayern nur über einen Plan A verfügen, den sie durchziehen. Unter van Gaal und Heynckes war das Ballbesitzspiel bereits gut ausgeprägt, doch es gab auch das Kontern. Die Bayern von heute haben dieses schnelle Umschalten nicht unbedingt als Ziel.

SPOX: Andersherum wurden die Bayern selbst häufig ausgekontert, nicht nur von Real.

Wormuth: Nun, das war dem nicht optimalem Gegenpressing und dem mangelnden Verhalten als Team zu entscheiden, ob gejagt oder eher gefallen werden muss, geschuldet. Die Viererkette der Bayern ist aktuell so konditioniert, dass sie nach vorne verteidigt, was aber dem klassischen Verhalten einer Viererkette nicht entspricht. Wenn ein gegnerischer Ballführer auf eine Kette zulaufen kann, dann heißt es, sich grundsätzlich trichterförmig bis zum Strafraum fallen zu lassen.

SPOX: Zurzeit wird auch viel über die Vorteile des Konterspiels gegenüber dem Ballbesitzfußball diskutiert.

Wormuth: Um den Ausbilder wieder einmal sprechen zu lassen: In der Ausbildung unterscheiden wir zwischen dem Konterspiel und der Konteraktion. Beim klassischen Konterspiel steht eine Mannschaft tief und wartet, bis der Gegner kommt und kontert sie aus: Balleroberung, erster Blick nach vorne, sehr schnell in die Spitze spielen, vorne erst kurzkommen statt langgehen und das alles in einer Zeit zwischen sechs und zehn Sekunden, um den Abschluss zu finden. Das ist eigentlich das Spiel der Schwächeren. Bei der Konteraktion schaltet man überall auf dem Platz schnell um. Warum? Weil der Gegner in einer geöffneten Position ist und die Schnittstellen zwischen den Spielern groß sind, in welche man dann sehr gut Pässe spielen kann.

SPOX: Im Rückspiel zeigte sich Real facettenreicher, oder?

Wormuth: Nun, Real wechselte zwischen dem klassischen Konterspiel und der Konteraktion ständig hin- und her. Was die Spanier zudem gut machten: Um die Ballzirkulation der Bayern gar nicht beginnen zu lassen, stellten sie den Torabstoß von Manuel Neuer zu. So zwang man die Bayern zu Fehlpässen in Form von Flugbällen. Wenn die spanische erste Abwehrreihe, also die spanischen Stürmer, von den Bayern überspielt wurden, ging es bei Real sofort ab nach hinten, um massiv zuzumachen, also ein Konterspiel aufzuziehen. Genauso muss man gegen spielstarke Mannschaften spielen. Im zentralen Bereich hat man kaum Möglichkeiten, an den Ball zu kommen, also gilt die Devise: entweder ganz vorne oder ganz hinten verteidigen.

Die Fehlpässe des FC Bayern im Rückspiel gegen Real Madrid

SPOX: Ist es die größte Leistung von Reals Coach Carlo Ancelotti, dass Madrid nicht nur Plan A besitzt, sondern auch einen Plan B - obwohl er wie Guardiola erst seit letzten Sommer die Mannschaft trainiert? Von sehr offensiv wie im zweiten Liga-Clasico gegen Barca oder im Hinspiel gegen Dortmund bis zu sehr defensiv wie im Hinspiel gegen Bayern war alles dabei.

Wormuth: Die Ausgangslage ist ähnlich wie bei Bayern: Real besitzt ebenfalls technisch überragende Spieler, die gerne den Ball laufen lassen und allgemein das Ballbesitzspiel mögen. Dennoch gelang es Ancelotti, dass die Stars genau das machen, was nötig ist. Und dazu gehört offensichtlich, einen Plan B zu besitzen, der ganz klar erkennbar ist. Für einen beobachtenden Trainer und Trainer-Ausbilder ist es etwas ganz Feines, Real zu sehen.

SPOX: Aber wann hatte Ancelotti angesichts der englischen Wochen die Zeit, Plan B trainieren zu lassen?

Wormuth: Die Frage ist, ob er das überhaupt trainieren lassen muss. Die Spieler auf dem Niveau sind komplett, vielleicht reicht es deswegen auch, nur eine Woche darüber zu sprechen. In dem Bereich des Hochleistungssports genügt auch eine gute Ansprache. Chelseas Andre Schürrle sagte nach dem Hinspiel gegen Atletico, dass Jose Mourinho ihm nur gesagt hätte, dass er nach der Einwechslung nichts nach vorne machen, sondern hinten zumachen solle. Wenn solche fast perfekten Topspieler von der Sinnhaftigkeit der Maßnahme überzeugt sind, kann das funktionieren. Aber vielleicht hat es Ancelotti auch bereits in einer der beiden Saisonvorbereitungsphasen trainiert? SPOX

SPOX: Vor der Saison wurde gestritten, ob Real mit Mesut Özils Verkauf einen Fehler begangen hat. Über ihn spricht jetzt keiner mehr. Welche Rolle hätte Özil in der neuen Real-Mannschaft mit der 4-3-3-Grundordnung finden können?

Wormuth: Gegen die Bayern im Grunde nur die Position des Mittelstürmers. Als Neuner, der im Konterspiel die Bälle vorne festmachen oder selbst gehen kann. Im Mittelfeld wäre es schwierig geworden, weil die Offensive seine Stärke ist und er defensiv zwar die Räume gut zustellen kann, wenn er gewillt ist, aber auf dem Niveau die nicht perfekte Defensivarbeit vom Gegner ausgenutzt werden kann. Dennoch bin ich überzeugt, dass Özil in der Offensivstrategie von Ancelotti immer einen Platz gefunden hätte.

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SPOX: Was nicht nur bei Ancelotti deutlich wird: Um die defensive Stabilität nicht zu gefährden, wird zur Not auf das offensive Element verzichtet. Besonders auffällig ist das in der Innenverteidigung. Noch vor kurzer Zeit wurde vorausgesagt, dass dort vor allem Spielstärke entscheidend sei. Doch bei drei der vier Champions-League-Halbfinalisten agieren vor allem die Beißertypen. Bei Real sind es Sergio Ramos und Pepe, bei Atletico Diego Godin sowie Miranda - und Chelsea setzt sogar auf vier Innenverteidiger gleichzeitig: John Terry und Gary Cahill innen sowie Branislav Ivanovic rechts und David Luiz auf der Sechs. Ein Trend?

Wormuth: Die aufgeführten Spieler sind ja keine reinen Zerstörer, aber klar ist: Ein Innenverteidiger soll vor allem verteidigen. Er soll stark im defensiven Zweikampf und im Kopfball sein, schnell sein, den Ball ablaufen und im Notfall grätschen ohne ein Foul zu begehen. Egal ob der gegnerische Stürmer mit dem Rücken zu einem steht oder auf einen zuläuft. In den letzten Jahren kam zum Anforderungsprofil hinzu, von hinten heraus das Offensivspiel anzutreiben. Wenn die gegnerische Mannschaft hoch steht und früh angreift, dann wird der Vierer/Fünfer automatisch zum Spieleröffner. Dennoch darf man nicht vergessen, dass ein Innenverteidiger im Eins-gegen-eins stark sein muss und ein gutes Zweikampfverhalten die Grundlage bleibt. Ohne jemanden zu nahe treten zu wollen, aber wie sich Jerome Boateng gegen Bremen von Aaron Hunt beim zweiten Gegentor ausspielen ließ, nachdem er mit hohem Tempo zurückgesprintet kam, war kein optimales Abwehrverhalten. Ich glaube, ein John Terry hätte es anders gelöst. Ich bin überzeugt, dass ein Trend im Gange ist, bei dem der Fokus auf starke defensive Zweikämpfer, aber mit dennoch guter Spieleröffnung bei den Innenverteidigern gelegt wird.

SPOX: Besonders in Deutschland werden häufiger Sechser zu Innenverteidigern umfunktioniert. Wie sehr unterscheidet sich das Zweikampfverhalten auf den beiden Positionen? SPOX

Wormuth: Das grundsätzliche Zweikampfverhalten ist für alle Positionen gleich und lässt sich mit dem ASTLB-Modell analysieren. ASTLB ist in der Trainerausbildung ein Akronym und steht für Anlaufen, Stellen, Tempo aufnehmen, Lenken, Ballerobern. Das sind also die fünf Phasen des Verteidigens im Eins-gegen-eins. So muss sich der Trainer nicht in Phrasen verlieren und sagen, dass man einfach nur nicht aggressiv genug war, um einen verlorerenen Zweikampf zu erklären. Mit dem ASTLB versteht man differenzierter, in welcher Phase ein Fehler passiert. Beim Boateng-Beispiel gegen Hunt lag das Problem gleich im A, beim Anlaufen. Boateng lief nicht richtig an, er lief im Grunde an Hunt vorbei, ohne einzukalkulieren, dass der Gegenspieler aufzieht. Anhand des ASTLB lässt sich ziemlich gut analysieren, ob ein Spieler in der Lage ist, als Innenverteidiger zu spielen.

SPOX: Was halten Sie von Guardiolas Entscheidung, Javi Martinez in die Innenverteidigung zurückzuziehen?

Wormuth: Als gelernter Sechser beherrscht er das ASTLB fast in Vollkommenheit, weil dort die Gegenspieler immer aus allen vier Richtungen auf einen zukommen, so dass man ein gutes Gefühl für den richtigen Abstand bekommt. Daher bringt er einiges mit für die Position. Wobei in der Innenverteidigung der Druck ein anderer ist: Auf der Sechs hat er immer Unterstützung von allen Seiten, auf der Vier muss er sich meist alleine durchsetzen - und wenn er einen Zweikampf verliert, gibt es zwangsläufig eine gegnerische Großchance. Und: Ich weiß nicht, ob Martinez schnell genug ist für ganz hinten. Es ist zwar Jammern auf hohem Niveau, aber wenn wir von Perfektionismus sprechen, glaube ich, dass jemand wie Boateng eher einen Gegner ablaufen kann als Martinez.

SPOX: Die Abwehr ist das dominante Motiv der Champions League, diese Saison scheint die Rückbesinnung auf das Mantra des Verteidigens zu markieren. Von den vier Halbfinalisten weist nur Bayern im Schnitt einen Ballbesitz von mehr als 60 Prozent auf, bei Real und Chelsea sind es rund 50 Prozent, bei Atletico Madrid nur 45 Prozent. Ist das Zufall?

Wormuth: Mantra ist ein gutes Wort, weil diese Rückbesinnung in der Tat etwas Wiederholendes ist. Es gibt in der Geschichte des Fußballs immer Phasen, die in unterschiedlichen Zeiten nur in einem anderen Kleid auftauchen. In den letzten Spielen der Champions League wurde wieder etwas mehr Wert auf die Defensive gelegt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass zukünftig alle Mannschaften sich nur noch auf das Kontern verlegen werden. Ich glaube eher, dass Elemente des Bayern-Spiels auch von etwas schwächeren Mannschaften übernommen werden, vor allem das Element der Ballzirkulation. Im letzten Drittel den Ball so zu halten wie die Bayern, ist für die meisten Mannschaften zu schwierig, aber warum nicht im zentralen Bereich, wo mehr Raum vorhanden ist? Wenn der erste Angriff nicht sofort gestartet werden kann, könnte es die beste Option sein, den Ball nicht durch zu riskantes Spiel zu verlieren, sondern im zentralen Bereich per Dreiecksspiel geduldig zu passen und sich gute Gelegenheiten zu erspielen. Geduld ist ohnehin ein Wort, das mir in der Bundesliga zu kurz kommt. Was mir an den Bayern besonders gefällt: Sie zeigen, wie wertvoll es sein kann, Geduld im Spiel zu haben, nicht gleich den ersten Ball zum Abschluss zu suchen und Vertrauen ins eigene Spiel zu haben. Das ist aus der Sicht eines Trainers und Trainer-Ausbilders eine ganz tolle Geschichte.

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