Von der Absteige ins Nobelrestaurant

Von Andreas Inama
Juventus Turin steht erstmals seit 2003 in einem Champions-League-Finale
© getty

Juventus Turin steht zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder in einem Champions-Legue-Finale (Sa., 20:45 Uhr im LIVE-TICKER). Nach dem Zwangsabstieg 2006 dauerte es lange bis die Alte Dame wieder Fahrt aufnahm. Dennoch kann die Geschichte nicht vergessen werden. Die Geschichte einer Wiederauferstehung.

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Das Jahr 2006 war für den italienischen Fußball wohl das Bedeutendste, seitdem das runde Leder im Stiefelstaat über den Rasen gejagt wird. Am 9. Juli wurde man Weltmeister. An sich eine große Überraschung, da dem Kader keine weltmeisterliche Qualität zugesprochen wurde.

Interessanterweise war es aber nicht dies, was die italienischen und zahlreiche europäischen Sportgazzetten auf Dauerbetrieb hielt. Nicht der vierte Stern auf dem Trikot der Azzurri war das große Thema, sondern ein Schandfleck auf dem schwarz-weiß gestreiften Trikot des italienischen Rekordmeisters.

So blieb der große Tag des Fußballs in Italien nicht der 9. Juli, sondern der 2. Mai. An jenem Tag deckte die Gazzetta dello Sport den größten Skandal auf, den das fußballverrückte Land jemals über sich ergehen lassen musste: Juventus Turin wurde beschuldigt, in Person des damaligen Sportdirektors Luciano Moggi Schiedsrichter bestochen und Spiele manipuliert zu haben.

Der Kavalier und seine Angetraute

"Calciopoli" war geboren. Juventus musste absteigen. Nachdem man in erster Instanz zusätzlich zu einem Punkteabzug von 30 Punkten verurteilt wurde, wurde das Urteil gemildert und die Bianconeri begannen die Saison mit neun Minuspunkten.

Größen wie Fabio Cannavaro und Zlatan Ibrahimovic verließen den Verein. Doch die wahren Größen, die "Bandiere" Juves hielten ihrem Verein die Treue: Gianluigi Buffon und Alessandro Del Piero traten den Gang in die Serie B an, die Kapitäne gingen mit dem Flaggschiff des italienischen Calcios unter. "Ein Kavalier verlässt seine Dame nicht", ließ Juve-Legende Alessandro Del Piero damals verlauten.

Gleich im ersten Jahr wurde das Ziel Wiederaufstieg angepeilt und drei Runden vor Schluss auch erreicht. Del Piero und David Trezeguet schossen die Liga kurz und klein, Buffon musste nur 30 Mal hinter sich greifen. Der direkte Wiederaufstieg unter Trainer Didier Deschamps war perfekt, doch der Leidensweg fand erst seinen Anfang.

Deschamps hatte mehrmals angekündigt, dass Juve für den sofortigen Titelgewinn in der Serie A nicht bereit war. Sätze, die den Obrigkeiten in Turin gar nicht schmeckten. Deschamps wurde von allen Seiten kritisiert. Schließlich bat der Erfolgscoach um eine Vertragsauflösung.

Die Last vergangener Erfolge

Wie vom Franzosen angekündigt, gestalteten sich die ersten Jahre in der Serie A durchwachsen. Das lag nicht nur am Sportlichen, sondern vor allem an der Transferpolitik und den Personalentscheidungen der Turiner. Präsident Giovanni Cobolli Gigli wollte Juventus innerhalb kürzester Zeit wieder an die Spitze führen. Geld stellte dabei keine Herausforderung dar, jedoch wohl mangelndes Verständnis für den Sport und seine Dynamiken.

Für Deschamps kam ein altbekannter Taktikfuchs an die Seitenlinie des Stadio delle Alpi, dem jedoch die Erfolglosigkeit als ständiger Begleiter auf Schritt und Tritt folgte: Claudio Ranieri übernahm das Ruder.

Die Last, die Vergangenheit wieder aufzuarbeiten, lag auf den Schultern der alten Stars, der Del Pieros und Trezeguets, die ihre große Liebe mehr schlecht als recht weiter anführten. Die großen Neuzugänge floppten.

In der ersten Saison im italienischen Oberhaus konnte dennoch ein Achtungserfolg erreicht werden: Am Ende der Saison stand der dritte Platz, wenngleich der Königstransfer und zum zentralen Spieler auserkorene Diego in keinem Moment der Saison zu überzeugen wusste.

Das Trainerkarussell in der Endlosschleife

Ranieri wurde gehalten, obwohl der geforderte Titel nicht nach Turin wanderte. Die Saison 2008/2009 war schließlich erfolgreich, wenn auch nur für den neutralen Beobachter: Die Bianconeri erreichten Platz zwei. Trainer Ranieri wurde entlassen, zwei Spieltage vor Schluss. Den Ansprüchen Giglis wurde der Vizemeistertitel nicht gerecht. Für den ehemaligen Chelsea-Trainer übernahm eine Legende aus dem Hause Juventus.

Die Hoffnungen waren groß. Ein Juventino mit Leib und Seele sollte Turin wieder zur Fußballhauptstadt Italiens machen. Die Euphorie bei den Fans kannte keine Grenzen. Ex-Kapitän und Trainertalent Ciro Ferrara übernahm.

Doch auch Ferrara konnte die Wende nicht bringen und wurde im Januar entlassen. Alberto Zaccheroni übernahm als Interimscoach, erreichte Platz sieben und musste wieder gehen. Bis 2011 durfte der damals hochangesehene Luigi Delneri an der Seitenlinie sein Werk verrichten. Nachdem auch dieser scheiterte, wurde schließlich die Ära Conte eingeläutet.

Die Transferpolitik der Bianconeri in der Zeit nach dem Wiederaufstieg war auch ein Kapitel für sich. Zwischen 2007 und 2009 wurden 62, 5 Millionen Euro für vermeintliche Verstärkungen wie Tiago von Lyon, Felipe Melo von Fiorentina, Milos Krasic von ZSKA Moskau und Diego von Werder Bremen verpulvert. Vor allem der quirlige Brasilianer blieb den meisten Juventini als der größte Flop der Klub-Geschichte in Erinnerung.

Juventus Turin im Überblick

Seite 1: Ein Kavalier, die Last und ein Karussel

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