Im Anschluss erscheint er gut gelaunt zum Interviewtermin. Oversized Hoodie mit Metallica-Aufdruck, weiße Yeezys an den Füßen. Die seien besonders bequem, versichert er. Der Offensivmann hat allen Grund zu strahlen. Spätestens seit seiner starken Vorstellung im DFB-Pokal-Achtelfinale bei Hertha BSC (zwei Tore) hat er sich bei seinem neuen Klub festgespielt, gilt mittlerweile als Auserkorener für die adäquate Nachfolge des in die Jahre gekommenen Arjen Robben auf Rechtsaußen.
Im exklusiven Gespräch mit SPOX und Goal gibt der 23-Jährige Einblicke in seine Zeit als Nachwuchsspieler beim FC Arsenal und spricht über den kommenden Champions-League-Gegner FC Liverpool sowie die Konkurrenzsituation auf seiner Position zwischen Jung und Alt beim Rekordmeister. Zudem verrät Gnabry, warum Mesut Özil für ihn persönlich der beste Spieler ist, mit dem er jemals zusammengespielt hat.
Serge, im Netz gibt es ein Video-Interview von Ihnen, das Sie als Spieler der U15 des VfB Stuttgart zeigt. Sie zählen darin Ihre ehemaligen Vereine auf, den TSV Weißach, die TSF Ditzingen, Hemmingen und die Sportvereinigung Feuerbach. Hätten Sie damals damit gerechnet, dass diese Reihe unter anderem durch den FC Arsenal und den FC Bayern ergänzt wird?
Serge Gnabry: Nein, in so einem jungen Alter habe ich daran noch nicht gedacht. Damals ging es noch ausschließlich um Spaß. Mein Vater hat bereits sehr viel Arbeit in meine Karriere gesteckt, als ich noch klein war, weil er gesehen hat, dass ich Talent habe. Man kann schon stolz darauf sein, dass es dann tatsächlich für Vereine wie Arsenal oder Bayern gereicht hat.
Welchen Stellenwert nimmt die Familie in Ihrem Leben ein?
Gnabry: Die Familie spielt für mich eine große Rolle. Es ist für die Karriere wichtig, ein gefestigtes Umfeld zu haben, mit Menschen, die dir guttun und dich auf dem Boden halten.
Sie haben zu Ihrer Zeit bei Werder Bremen im Interview mit der Deichstube gesagt, dass die Zeit in London die wichtigste Ihrer Karriere war. Inwiefern hat Sie England geprägt?
Gnabry: Ich bin als 16-Jähriger nach England gewechselt und war insgesamt fünf Jahre dort. Gerade in diesem Alter prägt einen die Zeit in einem anderen Land. Sie hat mich männlicher gemacht, weil ich mich einer anderen Kultur anpassen musste, weit weg von zuhause war und mir nur die Besuche und Telefonate in die Heimat blieben. Bei Arsenal hatte ich meinen Einstieg in den Profifußball, der sich vom Jugendfußball extrem unterscheidet. Das sind alles Dinge, die einen als Person stärken. Ich denke, das kann jeder bestätigen, der mal über einen längeren Zeitraum im Ausland gelebt hat.
Ist es ein Vorteil, früh ins Ausland zu gehen, wenn man Profifußballer werden möchte?
Gnabry: Das würde ich nicht unbedingt sagen. Viele Spieler, die ihre fußballerische Ausbildung in Deutschland genossen haben, sind auf dem gleichen Level. Für die persönliche Entwicklung ist es vielleicht besser, weil man so viele verschiedene Eindrücke gewinnt. Karrieretechnisch glaube ich aber nicht, dass es Vorteile mit sich bringt. Da geht jeder seinen eigenen Weg.
Gibt es mit Hinblick auf die Ausbildung einen Unterschied zwischen englischen und deutschen Nachwuchsspielern?
Gnabry: In Deutschland war das Konzept der Jugendleistungszentren schon sehr etabliert. Das gab es in dieser Form in England nicht. Außerdem wurde in Deutschland mehr Wert auf Taktik gelegt. Das waren die größten Unterschiede.
Viele Jugendliche wünschen sich einen ähnlichen Werdegang. Haben Sie einen Tipp für junge, talentierte Spieler, die eine Profilaufbahn anstreben?
Gnabry: Da spielen viele Dinge zusammen. Leidenschaft ist ein wichtiger Punkt. Wenn man nicht mit Leidenschaft dabei ist - egal, ob im Fußball oder in jedem anderen Job - wird es schwierig. Man sollte immer ein Ziel vor Augen haben. Für mich persönlich war auch der Support meiner Familie wichtig, vor allem der meines Vaters war ein entscheidender Faktor für meine Entwicklung und dafür, dass ich jetzt beim FC Bayern spiele.
Sie sind ein Spieler fürs Eins-gegen-Eins. Hat man während ihrer Zeit als Jugendspieler versucht, Ihnen das auszutreiben?
Gnabry: Nein, auf keinen Fall. Ins Dribbling zu gehen, ist immer ein besonderes Mittel. Natürlich ist auch das Passspiel wichtig, das sieht man seit Jahren zum Beispiel beim FC Barcelona. Aber auch dort gibt es Spieler, die in Eins-gegen-Eins-Situationen gehen. Lionel Messi oder früher Andres Iniesta zum Beispiel. Ich glaube nicht, dass man das jemandem austreiben sollte. Vor allem nicht in der Jugend. Beim VfB Stuttgart war die Ausbildung super. Viele aktuelle Profis sind dort in der Jugendakademie herangewachsen. Das zeigt, dass dort sehr gute Arbeit geleistet wird.
Was sind die Vorteile des Eins-gegen-Eins?
Gnabry: Man kreiert Räume für die Mitspieler. Wenn man sich im Eins-gegen-Eins durchsetzt, ist mindestens ein Gegenspieler überspielt. Dann müssen sich die anderen Gegenspieler ebenfalls auf dich fokussieren. Gerade im deutschen Nachwuchs gibt es neben mir viele andere Spieler, die ihre Stärken im Dribbling nutzen: Leroy Sane, Julian Brandt, Timo Werner oder Kai Havertz beispielsweise. Trotzdem reicht es nicht, wenn man nur Stärken im Dribbling hat. Deshalb würde ich es nicht darauf limitieren. Aber ich nutze es sehr gerne, um für Wirbel zu sorgen.
Arjen Robben und Franck Ribery haben das Flügelspiel des FC Bayern über Jahre geprägt. Für Sie sind die beiden auch Konkurrenten um einen Platz in der Startelf. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Gnabry: Der Respekt ist auf jeden Fall da, vor allem abseits des Platzes. Auf dem Platz geben Franck und Arjen genauso viel Gas wie ich, Kingsley Coman oder Alphonso Davies. Sie helfen uns auch mit ihrer Erfahrung. Das ist wichtig für junge Spieler. Im Endeffekt liegt es am Trainer, wen er am Wochenende aufstellt. Natürlich sieht man, warum Franck und Arjen so lange auf diesem Niveau waren und den Verein mitgetragen haben.