Barca verzweifelt an der gelben Wand

Von Thomas Gaber
Barcas Dani Alves und Chelseas Didier Drogba hatten viel Diskussionsbedarf
© Getty

Der FC Chelsea hat sich durch das 0:0 im Halbfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Barcelona eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel in acht Tagen geschaffen. Vor 93.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion Camp Nou ging die Defensivtaktik von Blues-Trainer Guus Hiddink auf. Barcelona gelang es zu keinem Zeitpunkt, die Dominanz, mit der die Mannschaft von Trainer Pep Guardiola den FC Bayern München 4:0 besiegt hatte, auszustrahlen.

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Barcelona muss im Rückspiel auf Kapitän Carles Puyol verzichten. Der Kapitän kassierte seine dritte Gelbe Karte im laufenden Wettbewerb. Zudem verletzte sich Rafael Marquez dem Anschein nach schwer.

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Barca-Coach Pep Guardiola entscheidet sich für Eric Abidal und gegen Carles Puyol auf der linken Verteidigerposition. Zum ersten Mal seit 18 Monaten steht Puyol in einem K.o.-Spiel nicht in Barcelonas Startelf.

Für den gelb-gesperrten Ashley Cole schickt Guus Hiddink den Portugiesen Bosingwa hinten links ins Rennen. Bosingwas pikante Aufgabe: Lionel Messi aussschalten!

6.: Hübsche Stafette der Gäste. Malouda überläuft Alves auf links und passt in die Mitte. Essien lässt abtropfen, Lampard schnibbelt den Ball zwei Meter rechts am Tor vorbei.

17.: Erster Schuss für Barca. Eto'o versucht's aus 18 Metern aus der Drehung. Die Pille hoppelt Richtung Eckfahne.

28.: Xavi aus der Distanz. Der Ball geht nur knapp am linken Torwinkel vorbei. Das waren gut 25 Meter - und ein tolles Geschoss!

35.: Dickes Ding für Barcelona! Henry hämmert aus 14 Metern auf die Kiste. Cech klatscht den scharfen Schuss ins Toraus.

38.: Marquez stöpselt den Ball zurück zu Cech - viel zu kurz. Drogba sprintet dazwischen und steht plötzlich allein vor Valdes. Drogba zum Ersten - Valdes klatscht ab. Drogba zum Zweiten per Lupfer - Valdes reißt die Hände hoch. Chance vertan.

52.: Marquez hat sich ohne Fremdeinwirkung das Knie verdreht und wird vom Feld getragen. Für ihn kommt Puyol.

60.: Ecke Iniesta von rechts, Messi nimmt die Kugel am linken 16er-Eck aus 13 Metern volley. Der Ball fliegt ins Fangnetz.

70.: Eto'o rennt auf Cech zu, schüttelt Alex ab, scheitert aber aus fünf Metern am Chelsea-Keeper.

75.: Gelb für Puyol! Das hat Folgen: Der Kapitän ist fürs nächste Spiel gesperrt.

90.: Die CHANCE! Bojan kommt drei Meter vor dem Tor frei zum Kopfball - doch die 1,72 Meter Körpergröße reichen nicht aus - drüber!

So lief das Spiel: Ein verhältnismäßig verhaltener Start von Barcelona. Extrem viele Ballstafetten, wenig Raumgewinn. Chelsea stand sehr diszipliniert und übernahm in den ersten Minuten selbst die Initiative. Resultat: Die erste Chance des Spiels durch Lampard (6.). Nach zehn Minuten lief der Barca-Motor warm, Iniesta sorgte mit seiner Eleganz für die ersten Highlights.

Doch Chelsea verstand es prächtig, den Ball weit vom eigenen Tor wegzuhalten. Barca kam nicht ins Rollen und musste es fortan mit Weitschüssen probieren. Zudem spielte die Azulgrana ungewöhnlich viele ungenaue Pässe. So bringen auch 70 Prozent Ballbesitz nichts. Chelsea beschränkte sich bis zur Pause vorwiegend auf Spielzerstörung, hatte aber die beste Chance des Spiels durch Drogba (37.).

Der Beginn der zweiten Halbzeit war geprägt von humpelnden Barca-Spielern. Henry, Alves und Xavi konnten weiterspielen, Marquez musste mit Verdacht auf eine schwere Knieverletzung aufgeben. Im Spiel änderte sich wenig. Barca rannte an, kam aber ums Verrecken nicht durch. Und wenn doch, stand Cech im Weg.

Der Star des Spiels: Michael Essien. Der Ghanaer steht stellvertretend für das disziplinierte Chelsea-Mittelfeld. Extrem zweikampfstark, dynamisch und mit viel Ruhe im Aufbauspiel ausgestattet. Kam zudem fast ohne Fouls aus und antizipierte Barcas Passspiel prächtig.

Die Gurke des Spiels: Lionel Messi. Eigentlich ein Affront, diesem Mann einen solchen Titel zu verleien. Aber der Argentinier erwischte nun mal einen - für seinen Verhältnisse - ganz schlechten Tag. Wo waren die einzigartigen Tempodribblings? Wo war die Torgefahr? Wo blieben die Geistesblitze, wo die genialen Anspiele auf Eto'o oder Henry? Selbst wenn Messi nicht glänzt, ist seine Ballbehandlung eine Augenweide. Aber er kann's wesentlich besser.

Die Lehren des Spiels: Im Camp Nou trafen zwei Welten aufeinander. Eleganz und spielerische Genialität des FC Barcelona gegen physische Wucht und Disziplin des FC Chelsea.

Im ersten Duell hat sich die Philosophie der Blues durchgesetzt. Hiddink zog Barca mit seiner Mauertaktik den Zahn. Und Mauertaktik ist nicht despektierlich gemeint. Chelsea spannte ein engmaschiges Netz mit vier Abwehr- und fünf Mittelfeldspielern. Die Blues verschoben nahezu perfekt, machten die Räume dicht und hielten penibel genau ihre Positionen. Der Abstand zwischen Mittelfeld und Abwehr passte. Alex, Terry, Ballack, Lampard, Essien, Malouda, Drogba - kein anderes Team hat so viel körperliche Power. Zudem entschärfte ein glänzend aufgelegter Cech die wenigen Chancen von Barcelona.

Barca fand gegen Chelseas Rasenschach keine geeigneten Mittel. Viele Mannschaften wurden in dieser Saison in brillanter Art und Weise aus dem Camp Nou geschossen - nicht so der FC Chelsea. Die Guardiola-Elf konnte sich kaum brauchbare Chancen herausspielen. Weil die Passwege in die Spitze meist versperrt waren, lief der Ball wie beim Handball den Strafraum entlang - ohne Raumgewinn und ohne die sich bietende Lücke. 

Hiddinks Idee, Lionel Messi den schnellen Rechtsfuß Bosingwa an die Seite zu stellen, erwies sich als goldrichtig. Der Argentinier kam nie ins Rollen. Xavi und Iniesta, Herz und Niere im Barca-Spiel, rissen die Partie an sich, doch auch sie hatten keine Ideen.

Die Katalanen haben aber immerhin gezeigt, dass sie nicht nur zaubern, sondern auch beißen können. Und durch das 0:0 ist noch lange nichts verloren. An der Stamford Bridge könnte Barcelona sogar mehr Räume bekommen.

FC Barcelona - FC Chelsea: Daten & Fakten