Knappe Ressourcen

Von Für SPOX in Düsseldorf: Stefan Rommel
dfb-team, kiessling
© Getty

Nach Kuranyis Ausbootung wird ein Platz frei im DFB-Sturm. Die Suche nach einem Nachfolger fördert aber einige unschöne Tatsachen ans Tageslicht. 

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Die Causa Kuranyi dürfte spätestens mit den beiden Pressekonferenzen und den klaren Aussagen beider Seiten ad acta gelegt sein.

Die Folgeschäden aber werden Joachim Löw und sein Trainerteam noch etwas länger beschäftigen.

Abgesehen von der harten Linie, die der Bundestrainer seit der Europameisterschaft fährt, gilt es in den nächsten Wochen auch Ausschau zu halten nach einem "Ersatz" für den zurückgetretenen, respektive gefeuerten Kuranyi im deutschen Angriff.

Vier oder fünf Stürmer

"Für das Spiel gegen Wales am Mittwoch (ab 20.30 Uhr im SPOX-TICKER) werden wir keinen weiteren Stürmer nachnominieren", sagte Löw. Das war auch nicht zu erwarten, schließlich sollten vier gelernte Stürmer für ein einziges Spiel auch reichen.

Außerdem ist das berufene Personal in der Spitze sehr gut aufgestellt. Was fehlt, ist aber die nötige Tiefe. Bisher war da immer Kuranyi, der alles ein wenig kann aber nichts so richtig gut. Ein Allrounder, für jede Art von Spielstand und -verlauf eine Option.

Außerdem will Löw "in Zukunft immer zwischen vier oder fünf Stürmern entscheiden", die nominiert werden sollen. "Bei einem Doppelspieltag werden es immer fünf sein."

Also muss sich Löw bald Gedanken machen, er muss Gespräche führen und Informationen sammeln. Und natürlich Spieler sichten. Bisher war der Bundestrainer da in einer sehr komfortablen Situation.

Aus einem altbekannten Kreis konnte er seine Angriffs-Auswahl treffen, die üblichen Verdächtigen sind schon seit langem im DFB-Dress aktiv. Der letzte "Zugang" war im Februar 2007 Mario Gomez und der ist mittlerweile auch schon 18 Spiele, sechs Tore und eine Europameisterschaft schwer.

Der Sturm als Einod

Unter Löw wurde in allen anderen Mannschaftsteilen fleißig rotiert und gewechselt. Im Mittelfeld tobt der Kampf um die strategisch wichtige Position vor der Abwehr.

In der Abwehr schickt sich Heiko Westermann an, dem schwächelnden Christoph Metzelder den Arbeitsplatz zu klauen und im Tor ergab sich durch den Rücktritt von Jens Lehmann selbstredend eine neue Gemengelage.

Im Moment macht sich eine Aufbruchstimmung breit, es ist eine Zeit des Wandels. Bis Samstagabend galt der Angriff der deutschen Nationalmannschaft in all den Wirren als Einod, unantastbar und in seinem Kandidatenkreis klar umgrenzt.

Der Deserteur Kuranyis schafft nun eine neue Ausgangslage und macht Platz für frisches Blut. Aber für wen? Drängen sich überhaupt Kandidaten auf? Und darf die etwas ketzerische Frage auch lauten: Kann es sich die DFB-Elf überhaupt leisten, auf einen Kevin Kuranyi zu verzichten?

Nur Kießling?

Denn ganz so herrlich ist die Wirklichkeit nicht und trotz eingehender Recherche landet man immer wieder bei nur einem Namen: Stefan Kießling. Das ist natürlich ein schöner Umstand für Kießling. Denn wo kein Konkurrent, da ein Stammplatz, zumindest einer im Kader.

Der Leverkusener war bereits vor der EM im Dunstkreis der Nationalmannschaft gesichtet worden, durfte dann aber die Reise nach Österreich und in die Schweiz nicht mit antreten.

Kießling gilt als mannschaftsdienlicher Spieler. Als einer, der Wege geht und Lücken reißt für seinen Sturmpartner - so es denn einen gibt. Ein echter Knipser ist Kießling aber nicht und auch mit der internationalen Erfahrung ist es nicht so weit her.

Begrenztes Reservoire

Oliver Neuville steht allenfalls noch als Stand-by-Profi parat, ist mit seinen 35 Lenzen aber viel zu alt und bei Löw auch kein Thema mehr. Die einstige Hoffnung und WM-Teilnehmer Mike Hanke darbt in Hannover auf der Ersatzbank und ist vom Nationalteam derzeit weiter entfernt als der DAX von der 8000-Punkte-Marke.

Mit Abstrichen ist noch Jan Schlaudraff zu nennen, der in Hannover aber viel zu wankelmütig ins einen Leistungen und insgesamt noch nicht so recht angekommen zu sein scheint.

Das Reservoire an begabten Sturmtalenten gibt also gar nicht so viele Alternativen her, wie es sich für Löw im Mittelfeld oder der Abwehr darstellt.

Probleme bei der U 21

Dieser Missstand wird jetzt, da Kuranyi quasi den Vorhang lüftete, als ein lange Zeit schwelendes Problem erst richtig offenkundig.

Die U 21, der wichtigste Unterbau und die Talentschmiede für zukünftige A-Nationalspieler, geht am Mittwoch mit einem umfunktionierten Mittelfeldspieler als einziger Spitze in das entscheidende EM-Playoff-Spiel gegen Frankreich.

Nur mal zum Vergleich: Beim Gegner können in Karim Benzema (Olympique Lyon) und Jeremy Menez (AS Rom) gleich zwei Hochkaräter von Beginn an stürmen.

Dejagah auf dem Sprung

Ashkan Dejagah heißt die Hoffnung der höchsten Junioren-Altersklasse. Neben dem Wolfsburger kann die U 21 nur noch mit den beiden Zweitligastürmern Rouwen Hennings (FC St. Pauli) und Kevin Schindler (FC Hansa Rostock) aufwarten.

Und so darf Dejagah auch als echte Alternative für die A-Nationalmannschaft gelten. Joachim Löw wird sich den Wolfsburger in den nächsten Wochen sicherlich genau anschauen.

Das letzte Länderspiel des Jahres steigt Mitte November in Berlin gegen England. Da wird sich der Kuranyi-Nachfolger wohl erstmals präsentieren dürfen.

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