Mit Tempo und Präzision

Stefan Rommel
15. Oktober 200816:49
SPOXImago
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Michael Balack kann gegen Wales spielen! Die DFB-Ärzte gaben dem Capitano am Mittwochnachmittag grünes Licht. Der 32-Jährige wurde nach einer Verletzung aus dem Russlandspiel am Samstag in den letzten Tagen unter Hochdruck an seiner lädierten Wade behandelt - offenbar mit Erfolg. Der Kapitän sei am Mittwochmittag in Düsseldorf auch beim sogenannten Anschwitzen, einer kurzen Trainingseinheit, dabei gewesen, vermeldete ARD-Radio.

Doch auch ohne Ballack wäre die deutsche Nationalmannschaft im WM-Qualifikationsspiel gegen Wales in Mönchengladbach (20.30 Uhr im SPOX-Ticker) als klarer Favorit ins Spiel gegangen.

Allerdings: Nicht zuletzt das enttäuschende 0:0 vom November 2007 gegen denselben Gegner sollte der DFB-Elf Warnung genug sein.

Deshalb gab es am Dienstagmorgen von Chef-Scout Urs Siegenthaler nochmals eine eindringliche Videoschulung für die gesamte Mannschaft, wurde über Stärken und Schwächen des Gegners geredet und wie die Waliser dieses Mal zu knacken sind.

"Wir brauchen ein frühes Tor"

SPOX hat sich auch Gedanken gemacht und zeigt, wie die Gäste aus Britannien zu schlagen sind.

Die Grundausrichtung der Gäste wird ein sehr defensiv interpretiertes 4-5-1 sein, mit Ched Evans als einziger Spitze. Die Waliser werden kaum darauf bedacht sein, stürmisch nach vorne zu spielen. Die Null muss stehen, so lange wie möglich.

"Dann bekommen wir Probleme. Deshalb brauchen wir ein frühes Tor, dann wird es gleich leichter für uns", sagte Lukas Podolski.

Gegner rauslocken. Bei Ballbesitz der Waliser aggressiv und laufintensiv gegen den Ball arbeiten, Ballverluste im Mittelfeld provozieren wie in der ersten Halbzeit gegen die Russen.

SPOXGettyDer Vorteil: Wurde gut gelockt, stehen vier, fünf Gegner beim deutschen Ballgewinn nicht mehr hinter dem Ball und sind für den schnellen Gegenstoß aus dem Spiel. Das schwer durchdringbare Fünfer-Mittelfeld ist nur noch rudimentär vorhanden und kann leichter ausgespielt werden.

Abspiele abwarten. Besonders für die Innenverteidiger, die den Ball ja meist kurz an einen der Mittelfeldspieler abgeben, gilt: Nicht zu früh passen. Einer der zentralen Mittelfeldspieler muss hinter die erste Defensivreihe der Waliser kommen. So sind zwei, drei Gegner bereits mit dem ersten Pass aus der eigenen Abwehr für den Angriff aus dem Spiel.

Lässt sich der Mittelfeldspieler zu weit fallen und holt den Ball tief in der eigenen Hälfte ab oder spielt der Innenverteidiger den Ball zu früh, steht der Ballführende vor einer Dreier-, Zweier- und Viererwand aus Walisern.

Abstände halten. Die Waliser werden den schnellen Flachpass in die Spitze so gut wie nie suchen. Vielmehr lässt sich im 4-5-1 der Ball besser durch die eigenen Reihen zirkulieren, die fehlende zweite Anspielstation in der Spitze lässt schnelle Konter kaum zu.

Aber Achtung: Die beiden deutschen Außenverteidiger Philipp Lahm und Arne Friedrich dürfen sich auf keinen Fall von den an den Außenlinien klebenden Jason Koumas und Craig Bellamy zu weit aus dem Zentrum rausziehen lassen und so die Abstände zu den beiden Innenverteidigern zu vergrößern. So entstehen große Lücken in der Viererkette, die mit einem gescheiten Pass in die Tiefe bestraft werden können.

Abstimmung finden. Der eine nominelle Stürmer stellt entgegen landläufiger Meinung oft mehr Probleme dar als eine Doppelspitze. Da ist die Aufgabenverteilung für die Innenverteidiger klar, jeder deckt einen Angreifer ab, rochieren die Stürmer, wird einfach übergeben.

Bei nur einem Stürmer stellt der aufrückende Mittelfeldspieler das Problem dar. Zwischen dem frei stehenden Innenverteidiger und dem defensiven Mittelfeldspieler muss die Absprache genau stimmen, wer den anrückenden Gegner aufnimmt - und wann. Rückt der Innenverteidiger zu früh raus, entsteht in seinem Rücken ein zu großes Loch. Passt die Absprache nicht, geht der Gegner mit Zug auf den Innenverteidiger, was sehr oft zu gefährlichen Situationen führt.

Tempo machen. System hin oder her. Im Endeffekt geht es um die Interpretation der taktischen Formation und um Spieltempo und Präzision. Damit steht und fällt das deutsche Angriffsspiel. Flache Bälle in die Spitze sind gefragt, der erste Grundgedanke soll offensiv ausgerichtet sein - der Modebegriff "vertikales Spiel" wird wieder sehr häufig gefragt sein.

Wales-Trainer John Toshak gibt offen zu, dass sein Team durchaus mit körperlichen Defiziten zu kämpfen hat. "Der Fitness-Stand im Team umfasst alle möglichen Level. Zudem kommen mehrere Spieler in ihren Vereinen nicht regelmäßig zum Einsatz."

Überzahlsituationen schaffen. Vor allem die beiden Außen Bastian Schweinsteiger und Piotr Trochowski müssen ihre technische Überlegenheit im Bodenkampf gegen die walisischen Außenverteidiger zum Tragen bringen.

Dazu müssen die Außenverteidiger Philipp Lahm und Arne Friedrich mit nachrücken und auf dem Flügel Überzahlsituationen schaffen. Besonders von Friedrich muss da viel mehr kommen als zuletzt gegen die Russen.

Mitte stärken. Routinier und Ex-Kapitän Carl Robinson und Youngster David Edwards stellen im zentralen defensiven Mittelfeld ein Problem für die Waliser dar. Robinson kickt mittlerweile nur noch in der Glamour-Liga MLS in den USA, für den Toronto FC, Edwards kommt beim englischen Zweitligisten Wolverhampton Wanderers kaum zu Einsatzzeiten.

SPOXGettyBeiden fehlt also die Spielpraxis auf hohem Niveau. Thomas Hitzlsperger und Michael Ballack müssen hier Druck auf die Doppel-Sechs vor der Abwehr machen und vor allem: Den Torabschluss aus der zweiten Reihe suchen. Keeper Wayne Hennessey (Wolverhampton Wanderers) ist mit gerade einmal 13 Länderspielen noch recht unerfahren.

Spannung halten. Nach dem hochgejazzten Spiel gegen den vermeintlich stärksten Gruppengegner Russland und dem erfolgreichen Abschneiden in Dortmund ist die Gefahr groß, dass es unterschwellig bei jedem Spieler an Konzentration und der nötigen Einstellung fehlt.

Deshalb war der gesamte DFB-Tross in den letzten Tagen stets bemüht, die Spannung vor dem Wales-Spiel aufrecht zu erhalten. "Beim letzten Mal ist uns das nach dem Sieg gegen Liechtenstein in Finnland nicht so gut gelungen. Diesen Fehler dürfen wir jetzt nicht wiederholen", so Podolski.

Die WM-Quali-Gruppe 4 im Überblick...