Mario Gomez kommt momentan weder in der Nationalmannschaft noch beim FC Bayern regelmäßig zum Zug. Dabei hat sich der Stürmer schnell an das Drumherum in München gewöhnt. Eine konzeptionelle Neuerung macht ihm aber zu schaffen - im DFB-Team und im Verein.
Kurz vor Transferschluss flatterte beim FC Bayern ein Angebot für Mario Gomez rein. Der FC Liverpool wollte den Stürmer ausleihen, das Angebot des englischen Rekordmeisters dürfte Gomez geehrt haben. Die Anfield Road, Steven Gerrard und Fernando Torres, die Historie des Klubs - es gibt schlechtere Alternativen im Profifußball.
Doch das Angebot war keine Option - für den Verein. Der 25-Jährige selbst sei, so ließ sein Berater kurz vor Ende der Transferfrist durchblicken, einem Leihgeschäft nicht abgeneigt gewesen.
Gomez geht also in seine zweite Saison beim deutschen Meister. Dabei lief es für ihn persönlich mit Ausnahme des Saisonstarts in der vergangenen Spielzeit alles andere als gut.
4-2-3-1-System macht Gomez zu schaffen
Gomez wird nicht unbedingt das Drumherum in München zum Verhängnis. Der Klub ist größer, gefragter und globaler orientiert als der VfB Stuttgart, die Vereinshierarchie mit ehemaligen Weltklassespielern in den Gremien ist anders, jeder redet überall mit, der Druck im Verein und von der Öffentlichkeit ist größer. Dazu kam die exorbitant hohe Ablösesumme.
Das alles zu verarbeiten hat ein paar Wochen gedauert, aber letztlich hat sich der 25-Jährige daran doch schnell gewöhnt.
Vielmehr macht ihm eine konzeptionelle Neuerung zu schaffen, die noch vor ein paar Jahren lediglich ein tristes Außenseiter-Dasein fristete, mittlerweile aber selbst Einzug in die Niederungen der Landesligen gehalten hat: Das 4-2-3-1-System.
Die Jobbeschreibung des einen nominellen Stürmers lautet dabei nämlich nicht mehr nur vorrangig: Tore schießen, egal wie. Hier sind in großen Teilen auch andere Dinge gefragt.
Gomez: "Das ist für einen Stürmer anfangs ungewohnt"
DFB-Scout Urs Siegenthaler, seit Jahren ein Verfechter offensiver geprägter Spielauffassungen, fordert immer vier offensiv denkende Spieler auf dem Feld. Im 4-2-3-1 sind dies die Dreier-Mittelfeldreihe und die Sturmspitze.
Während aber früher fast ausschließlich für Zulieferung aus dem Mittelfeld für den Sturm gesorgt wurde, hält sich das Verhältnis mittlerweile fast die Waage.
Im selben Maße, wie die Mittelfeldspieler - die oft genug verkappte Flügelstürmer sind - selbst abschließen, müssen die Stoßstürmer nun Helferleinaufgaben erfüllen, Lücken reißen, Bälle ablegen oder Defensivaufgaben am Mittelkreis erledigen.
"Es schießen nicht die Mittelstürmer die meisten Tore, sondern die Spieler dahinter, weil sie aus der Tiefe in die Räume stoßen können", sieht Gomez selbst den Wandel. "Das ist für einen Stürmer anfangs ungewohnt, wenn er es gewohnt war, viele Tore zu schießen."
Gomez kommt momentan nicht an Klose und Olic vorbei
Der Trend geht immer mehr zum Stürmer, der vor allen Dingen auch hervorragend geeignet ist für das schnelle Konterspiel. Mit Lionel Messi und Antonio Di Natale wurden in der letzten Saison in zwei der vier großen europäischen Ligen Flügelspieler zum Torschützenkönig gekürt. Zwei Meister der Gegenbewegung.
In Deutschland und England gewannen mit Edin Dzeko und Didier Drogba noch zwei klassische Mittelstürmer die Trophäe.
Mario Gomez verhungert im 4-2-3-1-System, er wirkt wie ein Magersüchtiger im Kreis der neuen Schwergewichte Robben, Ribery und Müller, die ihm um die Ohren spielen und treffen. Und unter Seinesgleichen ist er momentan lediglich dritte Wahl. An Klose und Olic kommt er nicht vorbei.
Sein Erlerntes, seine Körpergröße und seine Statur legen ihn auf eine einzige Position fest und das ist die ganz vorne im Sturm, in der Mitte. Aus Gomez wird nie ein Flügelspieler werden, so wie der ebenfalls gelernte Stürmer Lukas Podolski zumindest streckenweise den Part des linken offensiven Spielers in der Dreierkette einnehmen kann.
Gomez lebt von seinem Selbstvertrauen
"Die jungen Spieler können variabel spielen, sie kommen über links oder rechts. Das ist schon ein Vorteil", sagt Miroslav Klose über seinen Münchener Kollegen Thomas Müller.
Podolski ist auch in anderer Hinsicht ein Gegenbeispiel. Der Kölner schafft es ähnlich wie Klose immer wieder, im Klub verlorenes Selbstvertrauen in der Nationalmannschaft zurückzugewinnen. Für beide wirkte und wirkt die DFB-Auswahl wie eine Frischzellenkur, hier holen sie sich regelmäßig Einsatzzeiten und Kraft für die nächsten Aufgaben im Alltag.
Gomez dagegen findet weder Einsatzzeit noch Kraft, sondern sich selbst auch bei Joachim Löw fast immer auf der Bank wieder. Dabei ist er von den dreien auf gewisse Weise der sensibelste. Er lebt von seinem Selbstvertrauen wie kaum ein anderer Stürmer in der Liga.
In seiner Zeit beim VfB traf er aus unmöglichen Entfernungen und Winkeln, mit allen Körperteilen und gegen jeden Gegner. Zuletzt reichte es zu Toren gegen Germania Windeck oder im DFB-Testspiel gegen Dänemark.
"Ich will nach einem Jahr bei Bayern nicht einfach aufgeben"
Immerhin hat er dort seine Erfolgserlebnisse, mehr kann er derzeit nicht tun. Denn auf eine kleine, genutzte Chance folgt nicht prompt die nächste - dann wartet wieder die Bank und die Suche nach Vertrauen und Sicherheit geht von vorne los.
Das Selbstvertrauen zurückzugewinnen sei "ein schwieriger Weg. Den habe ich hinter mir", sagt er - und traut sich selbst nicht so recht, wenn er gleich anfügt: "Ich hoffe, dass ich ihn hinter mir habe. Ich will nach einem Jahr bei Bayern nicht einfach aufgeben."
Es ist ein Teufelskreis. Mario Gomez steht an einem Scheidepunkt seiner Karriere, vielleicht wandert er auch schon auf dem Pfad einer Sackgasse. Die kommenden sechs Monate werden die wichtigsten seiner noch jungen Karriere.
Englische Medien berichten, dass Liverpool im Januar nochmals vorstellig werden will.
Mario Gomez im Steckbrief