München - Jedes Münchener Derby hat seine Geschichte gehabt und so wird auch die 204. Ausgabe im DFB-Pokal-Viertelfinale (20.30 Uhr im SPOX-TICKER) die ihre haben.
Unvergessen ist sicher das Bundesliga-Duell vom 12. November 1977. Der Tabellen-15. Bayern München empfing das noch sieglose Schlusslicht 1860 München im Olympiastadion zum Keller-Derby.
Zwar sollten die Löwen - damals nach langer Durststrecke erstmals wieder in der Bundesliga - am Ende der Saison absteigen, doch der 12.11.77 war ihr Tag. 3:1 gewannen sie gegen den Stadtrivalen.
Zu großer Berühmtheit gelangte der damals 23-jährige Löwe Erhard Hofeditz. Zum einen, weil er in der Schlussphase gegen keinen Geringeren als Karl-Heinz Rummenigge (Im Bild: Rummenigge erzielt die 1:0-Führung für Bayern) einen Elfmeter herausholte, zum anderen, weil Letzterer ihm deshalb eine scheuerte.
Wie er sich davon erholt hat, ob er Rummenigge die Watsch'n verziehen hat und was er über das Derby am 27. Februar 2008 denkt, verrät Hofeditz im Gespräch mit SPOX.com.
SPOX: Herr Hofeditz, bestimmt erinnern Sie sich noch an das legendäre Derby vom November 1977.
Erhard Hofeditz: Natürlich: Die Atmosphäre war einmalig, das lässt sich in Worten nicht beschreiben. Schon eine Woche vorher wurde in den Medien richtig eingeheizt. Und je näher das Derby kam, desto mehr lief es mir wirklich eiskalt den Rücken runter. Ein Sieg gegen die Bayern war für unsere Fans das Ein-und-Alles. Für einen Derby-Sieg haben die uns damals gleich drei Niederlagen in der Bundesliga verziehen.
SPOX: Und das Spiel hatte es dann ja auch wirklich in sich.
Hofeditz: So ist es: Wir spielten damals mit Sechzig gegen den Abstieg, und auch die Bayern waren in dem Jahr nicht so stark, wie sonst. Sie durften nicht verlieren, um nicht auch noch mit unten reinzurutschen. Wir führten aber seit der 84. Minute mit 2:1.
SPOX: Und dann kam die legendäre 90. Minute...
Hofeditz: Genau: Die Bayern mussten viel riskieren und warfen alles nach vorne. Dann kam ich an den Ball, bin in den gegnerischen Sechzehner eingedrungen, Karl-Heinz Rummenigge hat mich gefoult, und der Schiedsrichter gab Elfmeter.
SPOX: Den Herbert Scheller auch zum 3:1-Endstand verwandelte - vorher aber war doch noch was...
Hofeditz: Allerdings: Ich bin aufgestanden, und es kam zu einem Wortgefecht: Ein Wort gab das andere - und schließlich gab mir der Rummenigge eine Ohrfeige. Dafür sah er dann auch die Rote Karte.
SPOX: Rummenigge behauptete später unter Tränen, sie hätten ihn "rote Sau" genannt...
Hofeditz: Ich kann mich ehrlich nicht mehr erinnern, was ich genau gesagt habe. In dem Spiel waren so viele Emotionen, da fallen schon mal Sachen, die man hinterher nicht mehr nachvollziehen kann. Aber ich bin mir sicher: Ich habe ihn bestimmt nicht "rote Sau" genannt - auch wenn er das behauptet, das weiß ich ganz genau.
SPOX: Er selbst soll sie zuvor als Schauspieler bezeichnet haben. Nach seiner Version mit den Worten: "Steh auf! Dir fehlt doch gar nichts".
Hofeditz: Irgend so was in der Richtung hat er wohl gesagt, aber genau kann ich mich auch daran nicht mehr erinnern.
SPOX: Soto Kyrgiakos hat am Wochenende Ähnliches zu Diego gesagt. Allerdings auf Englisch - und etwas deutlicher.
Hofeditz: Das habe ich auch im Fernsehen gesehen. Aber auf dem Feld werden nun mal viele Dinge gesagt. Der Kyrgiakos kam dabei straffrei davon, Diegos Schubser dagegen war eine Tätlichkeit, und dafür hat er dann auch Rot gesehen, genau wie damals Rummenigge. So ist das eben im Fußball.
SPOX: Kam es jemals zu einer Aussprache mit Karl-Heinz Rummenigge?
Hofeditz: Wir hatten keinen Kontakt mehr, weder direkt nach dem Spiel noch später. Insofern gab es auch keine Aussprache.
SPOX: Aber sie haben ihm die Watsch'n verziehen?
Hofeditz: Um Gottes willen! Das musste ich erst gar nicht. Ich hab es ihm ja überhaupt nicht verübelt. Das ist Fußball, da passiert immer mal was. Ich war für einen Moment beleidigt, ist doch klar, wenn dich einer schlägt. Aber dann war die Geschichte auch sofort wieder vergessen. Von mir aus hätte er noch nicht mal vom Platz fliegen müssen. Es war ja ohnehin schon die letzte Spielminute, hat ja keiner was davon. Aber so sind eben die Schiedsrichter.
SPOX: Sie waren bei 1860 München nicht nur seit dieser Szene sehr beliebt. Trotzdem sind sie nach drei Jahren gewechselt.
Hofeditz: Ich wäre eigentlich ganz gern in München geblieben. Ich habe mich bei Sechzig wohlgefühlt, die Stadt und die ganze Umgebung hat mir gut gefallen, meine Familie war auch glücklich.
Aber dann kam der Jupp Kapellmann (Hans-Josef Kapellmann, Weltmeister und Deutscher Mesiter 1974, wechselte 1979 von Bayern München zu den Löwen, d. Red.) zu den Löwen und plötzlich war das eine einzige Cliquen-Wirtschaft, und der wollte überall mitreden.
Und auf das Theater, das der da veranstaltet hat, hatte ich dann einfach keinen Bock mehr. Schließlich kam das Angebot von Kaiserslautern, die damals international spielten, und das habe ich dann angenommen. Mir war das einfach zu stressig, mich dauernd mit Kapellmann rumzuärgern.
SPOX: Aber ihr Herz hängt noch immer an den Löwen?
Hofeditz: Ab und zu fahre ich noch mal hin, um mir ein Spiel anzugucken. Aber für engeren Kontakt ist einfach die Entfernung zu weit (Hofeditz wohnt in Schauenburg in Nordhessen, d. Red.). Aber selbstverständlich fiebere ich immer noch mit und würde mich sehr freuen, wenn sie wieder aufsteigen würden. Und den Kurs, den sie jetzt mit Stefan Reuter als Manager und Marco Kurz als Trainer eingeschlagen haben, finde ich sehr gut. Ich hoffe, dass es schon in diesem Jahr klappt.
SPOX: Mal abgesehen davon, dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat, wie schätzen sie die Chancen der Löwen ein?
Hofeditz: Auch Derbys haben ihre eigenen Gesetze. Allerdings sind sie natürlich krasser Außenseiter. Aber wenn sie lange ein 0:0 halten und jeder einzelne über sich hinaus wächst, weiß man nie was am Ende passiert. Dann haben sie auch eine Chance.
SPOX: Ihre Sympathien aber sind nach wie vor eindeutig verteilt?
Hofeditz: In der Bundesliga bewundere ich den FC Bayern und guck mir die auch gerne an. Aber im Derby sind die Sympathien tatsächlich eindeutig verteilt: Ich drücke den Sechzigern die Daumen.