Tomislav Piplica stand elf Jahre bei Energie Cottbus zwischen den Pfosten. Im Interview spricht der Kultkeeper über die Zeit nach der Karriere, das Cottbus unter Claus-Dieter Wollitz und natürlich sein legendäres Eigentor.
SPOX: Herr Piplica, wie haben Sie sich denn nach Ihrem Karriereende die Zeit vertrieben?
Tomislav Piplica: Ich habe zuerst die B-Lizenz beim bosnischen Verband gemacht. Im Anschluss haben wir entschieden, dass ich die A-Lizenz und den Fußballlehrer direkt hinterher absolviere. Parallel dazu bin ich Co-Trainer der Cottbuser U 23 geworden und habe nebenbei mein Abschiedsspiel gemacht. Ein unvergessliches Erlebnis vor 15.000 Zuschauern.
SPOX: Welche Ambitionen haben Sie denn in Sachen Trainerdasein?
Piplica: Jeder, der den Fußballlehrer macht, möchte Cheftrainer werden. Ich habe jetzt aber auch die andere Seite der Medaille kennen gelernt. Als Spieler denkt man nur für sich und konzentriert sich auf seine eigene Leistung. Als Trainer muss man 25 Leute unter einen Hut bringen und zusehen, dass alle an einem Strang ziehen. Das ist schon schwieriger.
SPOX: Bevor Sie nach Cottbus wechselten, spielten Sie bei vier anderen Vereinen. Warum sind Sie letztlich so lange bei Energie geblieben?
Piplica: Ich war auch schon über vier Jahre bei HNK Segesta Sisak. Aufgrund der finanziellen Situation musste ich damals wechseln. In Cottbus lief es dann einfach sehr gut für mich. Im zweiten Jahr sind wir erstmals in der Vereinsgeschichte in die Bundesliga aufgestiegen. Das war etwas ganz Besonderes für diesen kleinen Verein, zumal wir uns drei Jahre ganz oben halten konnten. Cottbus gefiel mir auch als Stadt von Anfang an. Hier ist alles sehr familiär und nicht so groß.
SPOX: Warum war Cottbus zu früheren Bundesligazeiten so attraktiv für Spieler aus osteuropäischen Ländern?
Piplica: In Jugoslawien herrschte früher ja auch noch Krieg, das ist natürlich ein Argument. Die Ligen in Osteuropa sind eben nicht besonders stark und daher hatte jeder das Ziel, einen kleinen Verein in einer stärkeren Liga zu finden, der nicht viel Geld hatte, einem aber eine Perspektive aufzeigen konnte. Und das war Cottbus.
SPOX: Wie war es eigentlich, unter Eduard Geyer zu trainieren?
Piplica: Natürlich mussten wir größeren Wert auf die Fitness und Physis legen, sonst hätten wir in der Bundesliga gegen viele Mannschaften keine Chance gehabt. Das wussten die Spieler aber auch. Sein Ruf ist schlimmer als er wirklich war. Er hat ein riesengroßes Herz und wusste, wie man mit den Spielern umgeht. Er hat Cottbus in der damaligen Zeit sehr gut getan und verdient bis heute großen Respekt für seine Arbeit.
SPOX: Was war das Schlimmste, was Ihnen unter Geyer passiert ist?
Piplica: Das war an meinem ersten Trainingstag. Am selben Tag wurde auch noch ein anderer neuer Spieler präsentiert. Der war 1,90 Meter groß, ich bin nur 1,82. Alle - inklusive Geyer - dachten, dass der Große der Keeper sei. Ich war kurz davor, wieder nach Hause zu gehen. (lacht)
SPOX: Hatten Sie zu Ihrer Glanzzeit in der Bundesliga eigentlich auch Angebote anderer Klubs?
Piplica: Es gab einen Interessenten aus der Bundesliga, aber den Namen verrate ich nicht. Es gab auch Angebote aus Österreich und der Türkei. Ein Wechsel kam für mich aber nie infrage, da mich die Bundesliga zu sehr begeistert hat.
SPOX: In der Saison 2004/05 hatten Sie als einziger Spieler zwei Autogrammkarten - mit verschiedenen Frisuren. Wie kam es denn dazu?
Piplica: Mich haben in der Zeit einfach viele Fans angesprochen und gefragt, warum es von mir fast keine Bilder ohne Zopf geben würde. Das wusste ich selbst nicht. Daher wollte ich einfach die Nachfrage bedienen. Das ist aber auch ein Grund, warum ich so sehr an Cottbus hänge: Die Zuschauer mögen mich bis heute.
SPOX: Nervt es Sie eigentlich, wenn ich Sie auf Ihr Eigentor im April 2002 gegen Gladbach anspreche?
Piplica: Eigentlich nicht. Ich bin nur sauer, wenn ausschließlich über diese eine Szene gesprochen und alles andere vergessen wird.
VIDEO: Piplicas kurioses Eigentor
SPOX: Haben wir ja zum Glück nicht. Daher: Wieso ist letztlich das passiert, was damals passiert ist?
Piplica: Der abgefälschte Ball war in der Luft. Ich habe einen Schritt zurück gemacht und stand unter der Latte. Da war ich hundertprozentig davon überzeugt, dass er auf die Latte oder gleich über das Tor geht. Es war ja auch windig. Dann ist es passiert, das Ding fiel mir auf den Kopf und ins Tor. Ich hatte Pech. Es hat sehr blöd ausgesehen. Ich war von mir selbst schockiert. In der Woche darauf war ich aber bester Mann auf dem Platz und kein Mensch erinnert sich noch daran. (lacht)
SPOX: Haben Sie eigentlich noch den "Raab der Woche", den Sie bei "TV Total" von Stefan Raab bekommen haben?
Piplica: Klar, der steht bei mir. Darüber konnte ich auch lachen. Ich konnte nur nicht in seine Sendung gehen und den Preis dort entgegen nehmen.
SPOX: Seit Claus-Dieter Wollitz Trainer bei Energie ist, spielt Cottbus offensiver und hat auch nicht mehr so viele Ausländer im Kader. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Piplica: Ich bin auf jeden Fall erfreut. Die Mannschaft spielt guten Fußball, kassiert aber letztlich zu viele Tore. Wir müssten eigentlich viel mehr Punkte auf dem Konto haben. Es ist einfach schade, wenn man den zweitbesten Sturm der Liga hat und dann nur Siebter ist.
SPOX: Was denken Sie, wie lange es dauert, bis Cottbus das Image als Verein, bei dem nur Ausländer spielen, ablegen kann? Wollitz sagte im SPOX-Interview, das dauere Jahre.
Piplica: Ich habe bei dieser Diskussion eine andere Meinung. Das halte ich für übertrieben. Für mich gibt es nicht deutsche oder ausländische Spieler, sondern gute und schlechte. Bei Dortmund oder Bayern spielen auch viele Ausländer, die zudem noch richtig stark sind.
SPOX: Cottbus haftet aber das Image von früher immer noch zu Großteilen an.
Piplica: Der Etat in Cottbus ist eben nicht besonders groß. Damals gab es nicht so viel Geld, dass man deutsche Spieler problemlos hätte verpflichten können. Ein guter Deutscher ist teuer. Ich freue mich aber sehr, dass wir derzeit noch stärker auf den eigenen Nachwuchs setzen.
SPOX: Wollitz hat in dieser Saison die Zuschauer für Ihre mangelnde Unterstützung kritisiert. Können Sie das nachvollziehen?
Piplica: Ich weiß auch nicht, wo das Problem liegt. Zumal Energie ja auch sehr attraktiv spielt. Die Mannschaft hätte mehr Unterstützung verdient. Das ist schon bitter und traurig. Einen wirklichen Grund dafür kenne ich nicht. Energie Cottbus ist nur stark, wenn alle an einem Strang ziehen. Da müssen die Zuschauer natürlich genauso mitmachen wie Trainer, Spieler und Präsidium.
Tomislav Piplica im Steckbrief