Borussia Dortmund ist mit einer großen Portion Dusel ins Achtelfinale des DFB-Pokals eingezogen. Der beherzte Auftritt von Union Berlin, aber auch die Großrochade von Lucien Favre hemmten das Spiel der Schwarz-Gelben. Die meisten Reinrotierten konnten beim 3:2 vor heimischer Kulisse keine überzeugende Bewerbung für einen Stammplatz abgeben.
Lucien Favre musste einmal kräftig durchschnaufen. Die Erleichterung stand dem Trainer von Borussia Dortmund nach dem knappen Einzug ins Pokal-Achtelfinale förmlich ins Gesicht geschrieben. "Es war sehr, sehr schwer", sagte Favre, "aber am Ende sind wir durch - nur das zählt."
Der 60 Jahre alte Schweizer hatte am Mittwochabend doppelten Grund zur Freude: Durch das 3:2 gegen Union Berlin blieb er auch in seinem 14. Spiel als BVB-Coach ungeschlagen und stellte damit den Rekord von Thomas Tuchel aus der Saison 2015/16 ein.
Marco Reus verhindert BVB-Lapsus
Nach Luftsprüngen war ihm aber nicht zumute. Sein BVB hatte sich im Duell mit dem Dritten der Zweiten Liga keineswegs mit Ruhm bekleckert. Erst ein Elfmetertor des eingewechselten Marco Reus in der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit der Verlängerung verhinderte eine Sensation im Signal Iduna Park.
Der tapfer kämpfende Underdog aus der Hauptstadt hatte zuvor zweimal durch Sebastian Polter ausgeglichen - und aufgezeigt, dass der Tabellenführer der Bundesliga mit diszipliniertem Verteidigen, zum Teil in Form einer Sechserabwehrkette, sowie frechen, gedankenschnellen Gegenstößen durchaus in die Bredouille zu bringen ist.
"Nach so einer Leistung", lobte Union-Coach Urs Fischer seine Truppe, "überwiegt der Stolz. Wir haben Dortmund 120 Minuten lang Paroli geboten."
Lucien Favre setzt auf sieben neue Spieler
Die alles andere als sattelfeste Darbietung der Schwarz-Gelben war allerdings auch als Resultat der Aufstellung ihres Trainers zu erklären. Favre würfelte seine Mannschaft angesichts der vielen englischen Wochen kräftig durch, im Vergleich zum 2:2 am vergangenen Samstag gegen Hertha BSC rutschten sieben Neue in die Startelf.
Ein riskantes Experiment. Dem BVB gingen die Sicherheit und die Durchschlagskraft der vergangenen Wochen ab, sein Spiel war gerade in der gegnerischen Hälfte von zahlreichen Missverständnissen geprägt.
Von den Reinrotierten betrieben nur die beiden Torschützen Christian Pulisic und Maximilian Philipp Werbung in eigener Sache. Pulisic war sogar an allen drei Toren direkt beteiligt und führte die meisten Zweikämpfe aller Feldspieler (33). Allerdings zählt der US-Amerikaner ebenso wie Philipp auch zum erweiterten Stammpersonal. Das können Marwin Hitz, Ömer Toprak, Julian Weigl, Shinji Kagawa und Marius Wolf nicht unbedingt von sich behaupten. Sie hatten die Chance, sich zu empfehlen. Das Ergebnis fiel eher durchschnittlich aus.
BVB-Stars selbstkritisch: "Nicht unser bestes Spiel"
Hitz zeigte bei seinem Pflichtspiel-Debüt als BVB-Keeper zwar zwei starke Paraden, provozierte mit seinem verunglückten Abwurf vor dem 2:2 aber erst den Gang in die Verlängerung. Toprak wirkte nach seiner längeren Verletzungspause behäbig, ein zu kurzer Rückpass von ihm auf Hitz in der ersten Minute hätte Union um Haaresbreite einen Traumstart bereitet.
Weigl, der die Dortmunder als Kapitän aufs Feld führte, ließ seine Gegenspieler bei beiden Gegentreffern entwischen und setzte ebenso wenig im Spiel nach vorne bedeutende Impulse. Kagawa rettete seinen bemühten, im Vergleich zu alten Zeiten aber blassen Auftritt mit seinem Kopfball in der 40. Minute, der das 1:0 durch Pulisic einleitete. Und Wolf, der Neuzugang aus Frankfurt, blieb mit nur 56 Ballaktionen in 90 Minuten nahezu unsichtbar.
"Es war nicht unser bestes Spiel, das wissen wir", räumte Siegtorschütze Reus nach dem Schlusspfiff ein. "Natürlich wollen wir das als Borussia Dortmund gegen Union Berlin in 90 Minuten regeln. Im Fußball gibt es aber solche Tage. Wenn man sich dann durchsetzt, ist alles in Ordnung."
Ähnlich sah es auch Favre. Man habe nicht zum ersten Mal schlecht gegen Union, einen "aggressiven" und "schwer zu destabilisierenden" Kontrahenten, ausgesehen, erinnerte der Trainer an das Spiel im Oktober 2016, das der BVB erst im Elfmeterschießen entschieden hatte.
Abdou Diallo vergrößert Lazarett von Borussia Dortmund
Das Fazit also: Mund abputzen und weitermachen. Die Erkenntnis, dass der zweite schwarz-gelbe Anzug noch zwickt, wird Favre ohnehin kaum davon abhalten, ihn in den nächsten Spielen erneut anzuziehen. Die dünne Personaldecke lässt es einfach nicht anders zu.
In Abdou Diallo verletzte sich gegen Union sogar noch eine weitere Stammkraft. Favre prognostizierte, der über Leistenprobleme klagende Linksverteidiger werde mehrere Spiele verpassen. Im Dortmunder Lazarett befinden sich mit Lukasz Piszczek (Knieprellung), Manuel Akanji (Hüftprobleme), Jeremy Toljan (Knieprobleme) und Marcel Schmelzer (Knochenödem) bereits fünf Abwehrspieler.