Borussia im Halbfinale, Hertha-Krise geht weiter

Jochen Tittmar
08. Februar 201222:04
In Berlin gab es reihenweise hart umkämpfte Zweikämpfe zu sehen, hier Lasogga (l.) gegen NordtveitGetty
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Die Talfahrt von Hertha BSC geht weiter. Das Team von Trainer Michael Skibbe unterlag im Viertelfinale des DFB-Pokals Borussia Mönchengladbach mit 0:2 nach Verlängerung. Die Tore erzielten Gladbachs Kapitän Filip Daems per Strafstoß und Oscar Wendt in der Nachspielzeit.

Die 47.500 Zuschauer im Berliner Olympiastadion mussten bis zur 101. Minute warten, um ein Tor zu sehen. Nach einer umstrittenen Tätlichkeit von Roman Hubnik an Igor de Camargo, die eine Rote Karte für den Herthaner nach sich zog, verwandelte Linksverteidiger Daems den anschließenden Elfmeter sicher zum Gladbacher 1:0.

In der Nachspielzeit der Verlängerung vollendete Oscar Wendt einen Konter zum 2:0 für die Borussia.

Hertha-Coach Skibbe wartet damit auch nach dem vierten Pflichtspiel auf den ersten Dreier. Seit dem Achtelfinalerfolg gegen den 1. FC Kaiserslautern hat die Alte Dame keine Partie mehr für sich entscheiden können.

Borussia Mönchengladbach feiert damit den ersten Halbfinaleinzug nach acht Jahren.

Reaktionen:

Michael Skibbe (Trainer Hertha BSC): "Was der Schiedsrichter in der Verlängerung gepfiffen hat, war die Krönung. Hier waren 50.000 Mann im Stadion, keiner hat das gesehen. Herr Brych ist der einzige Mensch in Deutschland, der da Elfmeter pfeifen würde. Unglaublich, unfassbar."

Lucien Favre (Trainer Gladbach): "Wir wussten, dass es heute extrem schwer wird. Wir haben nicht so gut gespielt, Hertha war extrem gefährlich, aber der Sieg war nicht unverdient. Den Elfmeter kann ich nicht beurteilen."

Mike Hanke (Stürmer Gladbach): "Wir haben kein gutes Spiel gezeigt, besonders in der ersten Hälfte. Wir sind glücklich weitergekommen. Hertha hatte die besseren Chancen. Zum Elfmeter möchte ich nichts sagen. Der Schiedsrichter hat so entschieden, das ist glücklich für uns."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Die Hertha nimmt nach der 0:1-Pleite gegen Hannover zwei Änderungen in der Startelf vor: Rückkehrer und Pokaldebütant Raffael spielt für den angeschlagenen Ramos (Prellung der Halswirbelsäule) links im Mittelfeld. Zudem verteidigt der zuletzt gelbgesperrte Mijatovic für Neumann in der Abwehrzentrale.

Gladbach wie am Wochenende in Wolfsburg, der erkrankte Stranzl wird erneut von Brouwers ersetzt.

18.: Raffael zieht von links in die Mitte und passt zu Ottl, der sofort Lasogga am Strafraumrand bedient. Der Stürmer hat Platz und setzt zum Schuss an, wird aber doch noch geblockt.

30.: Brouwers mit bösem Fehlpass im Aufbau. Lasogga setzt sofort Raffael links am Strafraum ein. Der zieht mit links ab - ans Außennetz!

37.: Raffael passt auf Ebert, der zentral vor dem Strafraum direkt in die Gasse zu Lasogga weiterleitet. Dante und Brouwers schlafen, Lasogga schiebt die Kugel mit links ans Außennetz.

61.: Raffael tankt sich rechts durch und will in den Sechzehner spielen. Seine Hereingabe wird abgefälscht und landet im Rückraum bei Niemeyer. Der schlenzt den Ball an den rechten Pfosten.

100.: Nach einem langen Ball in den Berliner Strafraum, den Kraft abfängt, foult de Camargo Hubnik. Der Tscheche läuft auf den Belgier zu und berührt in mit der Nase im Gesicht. De Camrgo lässt sich theatralisch fallen, Schiri Brych entscheidet auf Strafstoß und Rot für Hubnik.

101., 0:1, Daems (FE): Gladbachs Linksverteidiger schiebt die Kugel humorlos links ins Netz, keine Chance für Kraft.

119.: Weiter Ball zu Ramos in den Strafraum. Brouwers verschätzt sich und rutscht weg, Ramos knallt die Kugel aber in den Himmel.

120.: Hanke im Strafraum frei, aus rund elf Metern haut er den Ball jedoch weit über den Kasten.

120.+2, 0:2, Wendt: Langer Ball zu Arango, der mit der Hacke auf den mitgelaufenen Wendt zurücklegt. Der schiebt den Ball locker an Kraft vorbei zur Entscheidung.

Fazit: Diese Partie hätte eigentlich ein Elfmeterschießen nach sich ziehen müssen. Hertha über weite Strecken gefällig, aber wie die lethargischen Gladbacher vor dem Tor nicht zwingend genug. Ein umstrittener Lucky Punch verhalf der Borussia letztlich zum Sieg.

Der Star des Spiels: Andre Mijatovic. Die Rückkehr des Routiniers verhalf der zuletzt wackligen Berliner Viererkette zu deutlich mehr Stabilität und Ruhe. Am Boden wird der Kroate zwar nicht mehr schneller, in der Luft aber kaum zu bezwingen und insgesamt mit über 90 Prozent gewonnenen Zweikämpfen.

Der Flop des Spiels: Patrick Herrmann gelang auf der rechten Mittelfeldseite so gut wie nichts. Hatte viele Ballverluste und kaum Tempo ins seinem Spiel. Wurde mit den wenigsten Ballkontakten auf dem Feld ausgewechselt und gewann lediglich drei von 20 Zweikämpfen.

Der Schiedsrichter: Unter dem Strich schwache Leistung von Dr. Felix Brych. Das Halten von Mijatovic an Brouwers kurz vor der Pause hätte bei enger Regelauslegung einen Strafstoß nach sich ziehen müssen. Korrekt dagegen, Hankes Trikotzupfer gegen Lasogga wenig später nicht zu ahnden, da der Berliner den Ball zuvor mit der Hand berührte. Dantes Ellbogenschlag gegen Lustenberger kurz vor seiner Verwarnung hätte Brych bereits mit Gelb bestrafen müssen. Rot gegen Hubnik und Strafstoß für die Gäste in der Verlängerung waren vertretbar, Brych hätte jedoch in der Aktion zuvor auf Stürmerfoul gegen de Camargo entscheiden müssen.

Analyse: Konzentrierte und auch mutige erste Hälfte der Hertha, deren ausgeglichene taktische Balance dafür sorgte, dass Gladbach kaum ins Spiel fand.

Die Gäste agierten behäbig und hatten in der Offensive viele Ballverluste zu verzeichnen - allen voran deshalb, weil das Berliner Umschaltspiel gut funktionierte und Kontermöglichkeiten frühzeitig im Keim erstickt wurden.

Die Hertha diszipliniert in der Rückwärtsbewegung, vor allem Lustenberger arbeitete gut zurück und unterstützte die Doppelsechs. Die Hausherren rund um den Strafraum meist zu ungenau, Gladbach kam erst gar nicht bis dorthin.

Dieses Bild verstetigte sich in weiten Teilen des zweiten Abschnitts. Gladbach blieb ungewohnt passiv und wirkte im Angriffsspiel bisweilen ratlos. Hertha in dieser Phase physisch präsenter, der Wechsel von Raffael auf die Zehn erhöhte die Struktur und Zielstrebigkeit im Herthaner Offensivspiel.

Gladbach gegen Ende der 90 Minuten plötzlich griffiger und mit etwas druckvolleren Angriffen gegen dabei zu tief stehende Gastgeber, vor dem Tor aber zu unentschlossen.

So ging die Borussia zunächst auch in die Verlängerung, Hertha hielt jedoch ordentlich dagegen und bewies auch nach dem bitteren Rückstand Moral. Berlin warf am Ende alles nach vorne, Gladbach blieb in der Defensive aber bis auf die Riesenchance durch Ramos stabil und blieb durch Konter gefährlich - wie bei Wendts entscheidenden Treffer.

Hertha - Gladbach: Daten und Fakten