"Ich wurde von Ralf Rangnick geprägt"

Kevin BublitzMark Heinemann
22. Mai 200916:43
Coach Ralf Santelli kämpft mit Wacker Burghausen in der 3. Liga gegen den AbstiegImago
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Es lief richtig gut für Wacker nachdem der damalige Co-Trainer Ralf Santelli am 32. Spieltag das Traineramt von Günter Güttler übernommen hatte. Der 40-Jährige Diplom-Sportlehrer überraschte mit offensiver Taktik und blieb vier Spiele in Folge ungeschlagen. Gegen Bayern II und besonders den SC Paderborn 07 gab es dann aber bittere Niederlagen, die nun wohl den Abstieg besiegelt haben. Im SPOX-Interview spricht der gebürtige Waiblinger über das Saisonfinale, seine Prägung durch Ralf Rangnick, die wichtige Persönlichkeitsentwicklung junger Spieler und seine Lieblingsbackmischung.

SPOX: Der Abstieg scheint klar, oder?

Ralf Santelli: Die Chancen sind natürlich gering. Wir brauchen einen Kantersieg gegen Stuttgart, Jena und Aalen müssten verlieren. Wir werden jedenfalls alles versuchen, um gegen Stuttgart zu gewinnen und vom ersten Moment an auf Sieg spielen.

SPOX: Also ist an Aufgeben noch nicht zu denken?

Santelli: Es besteht ja noch die Möglichkeit, dass einem Verein die Lizenz verweigert wird, das hat es alles schon im Fußball gegeben. Daher möchten wir alles dran setzen, um mit einem Sieg gegen Stuttgart zumindest noch Drittletzter zu werden und somit gegebenenfalls nachrücken zu können. Sonst würden wir uns wahnsinnig ärgern.

SPOX: Dabei haben Sie zu Beginn ihrer Amtszeit für Furore gesorgt. So wie sie es angekündigt hatten....

Santelli: Wenn ich das damals so gesagt habe....

SPOX: Haben Sie nicht?

Santelli: Ich habe so viele angebliche Zitate von mir gelesen. Aber so ist die Branche halt.

SPOX: Was ist in Paderborn schief gelaufen?

Santelli: Im Hintergrund sind viele Dinge abgelaufen. Ob da schon einige abgeschlossen hatten, ob es daran lag, dass der eine oder andere Berater schon aktiv geworden ist, ob es die Berichterstattung in den Medien war, wonach kommende Saison der Gürtel finanziell enger geschnallt werden müsse, ich weiß es nicht. Ich kann es jedenfalls nicht nachvollziehen, denn mein Verständnis von Fußball verlangt jederzeit 100 Prozent Einsatz auf dem Platz, egal was abseits passiert.

SPOX: Sie haben schon mit Ralf Rangnick und Mirko Slomka zusammen gearbeitet. Wie sehr haben Sie die beiden geprägt?

Santelli: Ich bin sicherlich von Ralf Rangnick geprägt worden. Ihn habe ich schon Anfang der 90er kennen gelernt, als ich gerade meine Ausbildung zum Diplom-Sportlehrer gemacht habe. Über die Schiene Rehabilitation, die ich zusätzlich noch an der Sporthochschule in Köln absolviert habe, bekam ich 1998 die Chance unter Rangnick als Reha- und Torwarttrainer zu arbeiten.

SPOX: Und Slomka?

Santelli: Mit Mirko Slomka habe ich in Hannover zusammen gearbeitet. Auch von ihm konnte ich etwas mitnehmen. Man lernt ja generell gerne von erfolgreichen Menschen. Besonders dann, wenn man merkt, dass vieles auch zur eigenen Einstellung passt.

SPOX: Rangnicks Offensivfußball zum Beispiel.

Santelli: Diese Spielweise habe ich nicht unbedingt von ihm übernommen. Ich habe auch noch vier Jahre lange beim württembergischen Fußballverband als Ausbilder gearbeitet. Als Trainer entwickelt man ein eigenes Konzept. Dazu kommt, dass ich es doch selbst schön finde, wenn ich, egal ob als Trainer oder Zuschauer, in ein Stadion gehe und zwei Teams sehe, die nicht reagieren sondern agieren wollen. Darum geht es mir auch in Burghausen.

SPOX: Aber die taktische Ausrichtung mit drei Stürmern ist im Abstiegskampf schon mutig.

Santelli: Nein, das war für mich die nötige Konsequenz aus der sportlichen Situation. Zudem habe ich eine Viererkette und zwei Sechser davor. Wenn die alle gut gegen den Ball arbeiten, dann passiert nicht viel. Es ist natürlich klar, dass in diesem System auch der offensive Mittelfeldspieler und die Stürmer den Rückwärtsgang einlegen müssen. Offensiv sind wir sicherlich gut bestückt, aber deswegen spielen wir hinten normalerweise kein Harakiri. Wir wollen agieren und kontrolliert nach vorne spielen. Das ist auch schöner für die Fans. 

SPOX: Apropos Fans, warum gibt es in Sachen Zuschauerschnitt in der 3. Liga eigentlich ein solches Nord-Süd-Gefälle?

Santelli: Möglicherweise sind es die Distanzen. Im Osten ist beispielsweise alles enger zusammen. Dort gibt es jede Menge Derbys. Die fehlen uns. Wir haben hier Unterhaching und München, da kommen nicht viele Fans zusammen. Traditionsklubs wie Düsseldorf und Braunschweig haben es von der Lage her leichter. Zudem haben sie eine andere Fankultur.

SPOX: Setzt Burghausen wegen der finanziellen Lage so konsequent auf den Nachwuchs?

Santelli: Wir haben im Jugendbereich viele qualifizierte Trainer. Das sieht man an Spielern wie Manuel Riemann, Sebastian Mitterhuber, Christoph Buchner oder Thomas Kurz, die aktuell mit noch weiteren U-23-Akteuren fest in meinem Kader sind. Unsere U 17 ist in die Bundesliga aufgestiegen. Der Verein ist auf einem guten Weg und wird diesen sicherlich fortsetzen, um auch weiterhin gute junge Spieler an den Verein zu binden und nach oben zu führen.

SPOX: Heutzutage verlassen viele Spieler aber schon mit 15 oder 16 Jahren ihren Heimatverein. Was halten Sie davon?

Santelli: Ich finde es sinnvoller, wenn ein junger Spieler relativ lange bei seinem Heimatverein bleibt. Vorausgesetzt, er wird dort optimal gefördert und kann sich maximal entwickeln. Wenn ein Spieler aus der Jugend kommt, bislang vier Mal in der Woche trainiert hat und dann plötzlich unter Profibedingungen sechs bis acht Mal pro Woche trainiert, braucht er in etwa zwei Jahre bis er seine Leistung stabilisiert hat. Schwankungen sind daher völlig normal, weil sich der so genannte Langzeitakku erst aufbauen muss.

SPOX: Das wissen die Topklubs aber sicherlich auch.

Santelli: Das Sportliche ist dabei oft gar nicht das Problem. Das bekommt man durch entsprechendes Training recht schnell hin. Woran es zumeist scheitert, ist die Persönlichkeit. Die gehört dazu.

SPOX: Das müssen Sie erklären.

Santelli: Wir haben in Deutschland beispielsweise drei A-Jugend-Bundesligen. Somit kommen jedes Jahr rund 200 top ausgebildete Spieler in den Seniorenbereich. Und wie viele schaffen den Sprung in die Bundesliga?

SPOX: Beantworten Sie die Frage doch bitte selber.

Santelli: Keine zehn Prozent. Und da sind teilweise Juniorennationalspieler dabei, die schließlich in der vierten oder fünften Liga verschwinden. Die Krux an der Geschichte liegt immer häufiger im Persönlichkeitsdefizit. Gerade in jungen Jahren passiert so viel in Sachen Schule, Ausbildung, Freundin, Elternhaus, das soziale Umfeld spielt eine bedeutende Rolle. Meiner Meinung nach sollten die jungen Leute in diesem Alter nicht aus ihrem Umfeld und dem Heimatverein herausgerissen werden. Wenn dort entsprechende Fachkräfte sind, die den Reifeprozess eines Talents über einen längeren Zeitraum begleiten können.

SPOX: Wie sieht Ihre eigene Karriereplanung aus?

Santelli: Ich weiß noch nicht, was der Verein mit mir vorhat. Die Gespräche werden in den nächsten Wochen laufen. Klar ist aber, dass ein Entwicklungsprozess, um Spieler und somit auch eine Mannschaft nach vorne zu bringen, in etwa zwei bis drei Jahre dauert. In der Zeit muss man mit den Spielern arbeiten können.

SPOX: Also gibt es keine Träume in Richtung Bundeliga?

Santelli: Es wäre falsch zu sagen, dass ich es ausschließe, in den nächsten Jahren mal wieder an die Bundesligatür anklopfen zu wollen.

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