"Reserveliga? - Ein schlechter Witz"

Kevin BublitzMark Heinemann
01. Oktober 200910:30
Die dritte Liga wurde 2008 als eingleisige Liga zwischen der 2. Liga und der Regionalliga eingeführtGetty
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2010 veranstaltet der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seinen Bundestag. Mit auf der Agenda stehen dann auch die Zweitvertretungen der Profivereine. Der DFB untersucht aktuell deren Teilnahme am Spielbetrieb. Als Endergebnis könnte die Einführung einer Reserveliga stehen. Doch die Profiklubs schieben Frust.

Die 3. Liga ist in Deutschland momentan die höchste Spielklasse, in der die Reserveteams ran dürfen. Dort spielt auch der von Uwe Fuchs trainierte Wuppertaler SV. Der ehemalige Bundesligaprofi ist kein Freund der zweiten Mannschaften.

Viel Optimismus, dass sich etwas ändert, hat er aber nicht: "Letztendlich werden die Profiklubs die Sache schon so drehen, dass es für sie passt."

Sein Trainerkollege Ruud Kaiser von Dynamo Dresden hofft genau das, denn eine Begrenzung der Reserveteams in der 3. Liga und in der Regionalliga oder gar die Einrichtung einer Reserveliga hält er schlichtweg für einen "schlechten Witz". Das Thema hat Spaltpotenzial.

Wolter: Wer hat denn die Leistungsträger ausgebildet?

Die Profiklubs befürchten besonders negative Auswirkungen für die Entwicklung ihres talentierten Nachwuchses.

"Wir haben in den letzten Jahren viel investiert, um mit den Amateuren in die höchstmögliche Liga zu kommen. Aktuell ernten wir mit Spielern wie Holger Badstuber und Thomas Müller die Früchte. Jetzt sollen wir wieder einen Schritt zurück machen? Da machen wir nicht mit!", wird Werner Kern, Nachwuchskoordinator beim FC Bayern München, deutlich.

Auch Thomas Wolter, der die Reserve von Werder Bremen trainiert, "kann die Diskussionen nicht mehr hören. Die Teams, die sich beschweren, sollen sich doch bitte mal umschauen, wo viele der Spieler, die jetzt mit 26 oder 27 bei ihnen Leistungsträger sind, ausgebildet wurden.

Wenn eine Reserveliga kommt, spielen die Jungs ab der C-Jugend jede Saison wieder gegen den gleichen Gegenspieler und die gleichen Teams. Das hemmt die Entwicklung und nimmt die Motivation."

Tasci, Träsch, Khedira und Gomez die besten Beispiele

Die Ausbildungskonzepte der Bundesligisten sehen es logischerweise vor, dass alle Jugendmannschaften in der höchstmöglichen Liga spielen, "also muss dies auch im Profibereich möglich sein", so Stuttgarts Sportdirektor Jochen Schneider und ergänzt, dass "man so junge Spieler nicht nur an die Bundesliga heranführt, sondern auch an die Nationalmannschaft, dem Aushängeschild des Deutschen Fußball-Bundes."

Die Schwaben liefern beste Argumente, denn ob sich Stuttgarts Eigengewächse, wie zuletzt Serdar Tasci, Christian Träsch, Sami Khedira oder der vor der Saison zum FC Bayern München abgewanderte Mario Gomez, in einer Reserveliga so rasant entwickelt hätten, ist fraglich.

Kaiser: In der englischen Reserveliga werden junge Talente verbrannt

Dabei lohnt sich auch ein Blick auf die internationalen Ligen. Die englische Reserve League wird gerne als gelungenes Beispiel angeführt. Zu unrecht, wie Dresdens Ruud Kaiser findet: "Dort wird Laola-Fußball gespielt. Das ist nichts, was die jungen Talente weiterbringt.

Kaiser erlebte den Spielbetrieb in seiner Zeit als A-Jugendtrainer des FC Chelsea mit und kritisierte bereits in einem früheren Interview mit SPOX die englische Methode, junge Talente in die Reserveliga zu schicken und dann an zweit- oder drittklassige Klubs zu verleihen. Für Kaiser eine nicht nachvollziehbare Vorgehensweise, die junge Talente verbrennt und nicht fördert.

WSV-Trainer Uwe Fuchs, der in seiner Karriere ebenfalls in England aktiv war, hat hingegen positive Erfahrungen gemacht, die er ebenfalls im SPOX-Interview darstellt: "Dort geht es richtig rund. Es ist natürlich letztendlich Sache der Vereine, wie sie ihren Spielern die Liga verkaufen. Dementsprechend ist dann auch die Motivation der Talente. Das klappt in England ganz gut."

Niederländische Reserveliga vor dem Aus

Eine Reserveliga gibt es auch in den Niederlanden. Für Kaiser, der vor seiner Zeit beim FC Chelsea für den niederländischen Fußballverband KNVB arbeitete und dort das derzeitige Scouting-System mit aufbaute, rät auch auf Grund dieser Erfahrungen dringend von der Einführung einer Reserveliga in Deutschland ab:

"Holland ist das beste Beispiel, wie schlecht das endet. Wir versuchen schon seit zehn Jahren, unsere Reserveliga wieder abzuschaffen, denn das Niveau ist einfach grauenvoll, weil die Spiele nur noch den Charakter von Freundschaftsspielen haben."

Genau das sagt auch Werner Kern: "Keiner wird Lust haben, dort zu spielen, und man müsste überspitzt gesagt dem Busfahrer ein Trikot geben, damit das Team vollzählig antreten könnte. Dieses Kaspertheater wollen wir nicht." Das sieht auch Theo Schneider, Trainer von Borussia Dortmund II, so: "Ein junger Spieler braucht den Druck, vor 10.000 oder 15.000 Zuschauern zu spielen. In der Reserveliga kommen höchstens noch 50. Das wäre nicht gut."

In Spanien wird die Problematik derart gehandhabt, dass die Reserveteams der Profiklubs in der zweiten Liga, der Liga Adelante, spielen dürfen. Diese besteht aus 22 Vereinen, vertreten ist mit der Reserve des FC Villarreal allerdings derzeit nur ein Klub. Für Deutschland sicherlich keine mögliche Variante.

Wettbewerbsverzerrung und fehlende Zuschauer?

Doch warum ist es für die anderen Klubs eigentlich solch ein großes Problem, gegen Reserveteams von Profimannschaften anzutreten? Glaubt man den Gegnern der zweiten Mannschaften, so locken die Reserveteams kaum Fans in die Stadien. Ein Vorwurf, der nur bedingt stimmt.

Zwar führen die Zweitvertretungen auch in dieser Saison die Tabelle von unten an - dies aber nur bei ihren eigenen Heimspielen. In gegnerischen Stadien sorgen zumindest die Amateure von Werder Bremen (5. der Zuschauertabelle), dem VfB Stuttgart (7.) und Bayern München (11.) für durchaus gut besuchte Arenen - einzig Borussia Dortmund (17.) fällt hier ab.

Ein weiterer Vorwurf ist der Aspekt der Wettbewerbsverzerrung, der in den Einsätzen von Bundesligaspielern in den Reserveteams begründet liegt. Prominente Beispiele gibt es mit Christian Lell, Alexander Baumjohann, Andreas Görlitz (Bayern München), Sven Bender (Borussia Dortmund) oder Sebastian Rudy, Julian Schieber und Patrick Funk (VfB Stuttgart) reichlich.

BVB-Trainer Schneider hält dagegen: "Wenn bei uns ein Profi zum Einsatz kommt, dann war er vorher längere Zeit verletzt und ist auf Grund fehlender Spielpraxis in dem Sinne keine Verstärkung."

Helmut Sandrock zeigt Optimismus

Auch der DFB erkennt im Rahmen seiner aktuellen Untersuchungen keine Wettbewerbsverzerrung, lässt sich aber ansonsten noch nicht in die Karten schauen:

"Wir haben die Situation in Deutschland zu beleuchten und abzuwägen, was wir wollen und was nicht, mit allem Für und Wider", so DFB-Direktor Helmut Sandrock, der sich trotz allem optimistisch zeigt: "Die Meinungen gehen auseinander, aber wir wissen uns mit Vertretern von den zweiten Mannschaften einig, dass eine Höchstzahl an Reserveteams festgelegt werden sollte", betont Sandrock.

Eine Aussage, die bei den Profivereinen Kopfschütteln auslöst. "Von solch einem Vorschlag halte ich überhaupt nichts", so stellvertretend Jochen Schneider vom VfB Stuttgart.

Auch in Zukunft sportlich bleiben

Eine Lösung ist also noch nicht in Sicht und dürfte bei der Anzahl an Reserveteams in der 3. Liga und der Regionalliga auch schwierig werden - wenn die Profivereine ihre ablehnende Einstellung beibehalten.

In der 3. Liga sind aktuell mit dem FC Bayern, Borussia Dortmund, VfB Stuttgart und Werder Bremen vier Reserven vertreten, heftiger ist es in den drei Regionalligen. 21 der insgesamt 54 dort aktiven Vereine, sind Zweitvertretungen von Klubs aus der 1. und 2. Bundesliga.

Theo Schneider möchte die ganzen Diskussionen am liebsten beenden und das Problem auch in Zukunft sportlich lösen:

"Wir haben uns mit dieser jungen Mannschaft auf dem Platz für die 3. Liga qualifiziert. So wie andere Reservemannschaften auch. Wenn es andere Teams mit erfahrenen Kräften über die Saison nicht schaffen, sich gegen 19- bis 20-Jährige durchzusetzen, ist das nicht unser Problem."

Kern: "Wir sind noch nie so zerlegt worden."