In diesen Tagen wird viel über den Status Quo von Werder Bremen diskutiert. Cheftrainer Thomas Schaaf steckt mit seiner Elf mitten im Abstiegskampf. Doch in Bremen behalten die Verantwortlichen einen kühlen Kopf - typisch norddeutsch eben. Auch Schaafs langjähriger Weggefährte Thomas Wolter kämpft mit der Reserve gegen den Abstieg aus der 3. Liga.
Im Interview mit SPOX spricht Thomas Wolter über den Sonderweg Werder Bremen, den Austausch mit Thomas Schaaf und räumt mit einem Vorurteil gegenüber den Reserveteams auf.
SPOX: Sie treten zunächst gegen die Reserve des VfB an, dann geht es nach Unterhaching und dann kommt Babelsberg. Wie sieht Ihr Fahrplan im Kampf gegen den Abstieg aus?
Wolter: Es ist egal, ob wir gegen Unterhaching oder in Braunschweig spielen. Die Chance auf einen Sieg ist immer da. Man muss in jedes Spiel mit eben dieser Einstellung reingehen und auch daran glauben. Ich habe da immer zwei Beispiele. In Rostock haben wir gut mitgespielt, aber 2:0 verloren, weil wir einfach nicht daran geglaubt haben, dort was holen zu können. Drei Tage später haben wir in Regensburg gespielt. Da hat die Mannschaft von Anfang an daran geglaubt und wir haben gewonnen. Es ist entscheidend, dass du an deinen Plan glaubst und versuchst, ihn so gut wie möglich umzusetzen.
SPOX: Und wie erwarten Sie die Stuttgarter am Samstag?
Wolter: Sie sind gut drauf. Aber das ist immer schwer einzuschätzen. Gerade bei zweiten Mannschaften. Da spielen sicher auch immer Verletzungen und Abstellungen für die erste Mannschaft eine Rolle. Ich erwarte Duell auf Augenhöhe.
SPOX: In der Bundesliga haben Werder und Stuttgart große Probleme. Auch Mönchengladbach, Wolfsburg, Frankfurt und Schalke hinken den Erwartungen aus. Wie erklären Sie sich diese verrückte Saison?
Wolter: Die Bundesliga habe ich nicht zu beurteilen. Für mich ist die zweite Mannschaft wichtig.
SPOX: Aber wie beurteilen Sie denn die Gesamtsituation Ihres Vereins?
Wolter: Bitte haben Sie Verständnis, dass wir das intern besprechen. Es gehört sich für mich nicht, mir ein Urteil zu erlauben, da ich nicht nah genug dran bin. Fußball ist abhängig von Sieg und Niederlage. Deswegen ist die Stimmung gerade nicht himmelhoch jauchzend, sie ist aber auch nicht zu Tode betrübt. Wir haben aber auch zu Erfolgszeiten nicht nur Luftsprünge gemacht. Wir wissen, dass wir uns in einer schwierigen Situation befinden, der wir uns alle stellen müssen.
SPOX: Es wird bemängelt, dass zu viel Ruhe bei Werder herrscht. Was sagen Sie dazu?
Wolter: Wir haben immer den großen Anspruch gehabt, ein etwas anderer Bundesligaverein zu sein. Und gerade in Krisenzeiten kann man das wunderbar unter Beweis stellen. Und man kann es uns auch als Stärke auslegen, dass in diesem Verein ruhig und besonnen gearbeitet wird. Das sind für mich Schwarz-Weiß-Maler, die alles super sehen, wenn es gut läuft, und die dann wieder alles als schlecht befinden, wenn es nicht gut läuft. Werder Bremen wird seiner Linie treu bleiben und auch wieder Erfolg damit haben.
SPOX: Mit welcher Stimmung bekommen Sie Ihre Spieler denn nach den Einsätzen in der Bundesliga derzeit zurück?
Wolter: Eigentlich wie in all den Jahren zuvor auch. Manche kommen mit viel Freude zurück, manche sind ein bisschen gefrustet. Aber das ist ja ganz normal, wenn man von oben wieder nach unten muss. Es ist ganz klar, dass die Jungs lieber bei der ersten Mannschaft dabei sind. Aber unsere Aufgabe ist es, ihnen möglichst viel Hilfe zu geben und sie oben ranzuführen. Deswegen kommen sie ja auch immer wieder zurück und spielen bei uns. Das klappt meines Erachtens sehr gut.
SPOX: Geben Sie diesen oft unerfahrenen Jungs als ehemaliger Bundesligaspieler eigene Erfahrungen mit an die Hand - und wie nehmen sie diese auf?
Wolter: Natürlich. Aber die Erfahrung, wie ich mit dem Abstiegskampf umzugehen habe, habe ich ja mehr als Trainer der Reserve gemacht. Ich sehe das aus Sicht des Trainers ja jetzt auch ganz anders, deswegen sind meine Erfahrungen als Spieler eher nebensächlich. Wir sprechen mit den jungen Spielern enorm viel, was aber nicht nur im Kampf gegen den Abstieg elementar ist. Situationsbedingt gibt es aber auch Dinge, wo man den Spielern nicht helfen kann.
SPOX: Aber ist es nicht ein Vorteil, dass Sie eine gewisse Problematik auch aus der Sicht des Spielers kennen?
Wolter: Ob das ein Vorteil ist, weiß ich nicht. Es ist einfach gut, wenn man ein wenig unbedarfter in die Gespräche reingeht. Sicherlich kann ich viele Situationen nachvollziehen und bin den Jungs mit meiner Erfahrung dann auch gerne behilflich.
SPOX: Haben Sie sich in letzter Zeit besonders oft mit Thomas Schaaf beraten, welche Spieler aus der Reserve in der Bundesliga helfen könnten?
Wolter: Nein, Thomas und ich stehen so oder so in ständigem Austausch. Er hat regelmäßig acht bis zehn Leute von uns im Training. Die kennt er dann sogar meist besser als ich, weil ich sie ja fast gar nicht mehr sehe. Und deshalb kann er auch oftmals viel besser einschätzen, was mit den Spielern los ist.
SPOX: Wie schätzen Sie die Aussichten auf den Klassenerhalt Ihres Teams ein?
Wolter: Es hat sich nicht viel geändert im Vergleich zu den letzten Jahren. Wir haben die gleiche Situation, dass wir unten drin stecken, weil wir eine schlechte Hinrunde gespielt haben. Wir hatten aber auch viele Umstrukturierungen innerhalb der Mannschaft, auch aufgrund vieler Verletzungen. Das macht sich natürlich negativ bemerkbar. Insgesamt hat das Team sich jetzt aber ganz gut gefunden.
SPOX: Wie fatal wäre der Abstieg der Reserve?
Wolter: Gar nicht, dann spielen wir eben in der Regionalliga. An der Arbeit wird sich bei uns nichts ändern. Wir arbeiten mit der zweiten Mannschaft, um die Spieler in die Bundesliga zu führen. Natürlich möchten wir das in der höchst möglichen Klasse tun, deswegen wollen wir auch unbedingt in der 3. Liga bleiben.
SPOX: Die Bedingungen sind doch anhand der zahlreichen gestandenen Profis ganz andere, oder nicht?
Wolter: Die haben Sie in der Regionalliga auch, gucken Sie sich alleine den Kader von RB Leipzig an. So schlecht ist das Niveau in der Regionalliga nicht. Trotz allem wollen wir in der 3. Liga bleiben, weil man hier die Gelegenheit hat, vor prall gefüllten Kulissen gegen Teams wie Offenbach und Dresden oder auch gegen die Zweitligaabsteiger zu spielen.
SPOX: Wie stehen Sie den umstrittenen Umstrukturierungsplänen der Regionalligen gegenüber?
Wolter: Ich stand schon der Einführung der 3. Liga skeptisch gegenüber. Das alte System war in Sachen Finanzierung und Talentförderung eigentlich optimal. Die Vereine waren damals aber mehrheitlich für die Einführung der 3. Liga, also haben sie das jetzt auch auszubaden. Viele Klubs, die jetzt in Schwierigkeiten stecken, hätten diese bei der alten Strukturierung nicht bekommen. Aber viele Vereine wollten es unbedingt so.
SPOX: Das Wehklagen über finanzielle Schwierigkeiten ist folglich nicht angebracht?
Wolter: Nein, zumindest auf dieser Grundlage nicht. Wir bei Werder Bremen waren von Beginn an sehr skeptisch. Wir wussten, was auf die Vereine zukommt. Reisekosten, neue Stadien und Ausbesserungen der Strukturen. Da waren viele Vereine sehr blauäugig.
SPOX: Dann schütteln Sie sicher auch bei der Forderung nach einer Reserveliga den Kopf, oder?
Wolter: Klar schüttele ich den Kopf, wenn ich mir überlege, dass andere Vereine ihre Spieler in Massen aus den Reserveteams verschiedener Bundesligisten beziehen. Und die sind dann eben auf höchstmöglichem Niveau ausgebildet worden. Es ist Blödsinn, Woche für Woche immer nur gegen dieselben Spieler anzutreten. Diese Jungs haben meist seit der C-Jugend schon gegeneinander gespielt und kennen sich. Sie sollen und müssen sich frühzeitig mit Spielern messen, die schon ein paar Dinge in ihrer Karriere erreicht haben.
Die dritte Liga im Überblick