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GESPONSERT VON

Eine Stadt, ein Team, eine Familie

Von Andreas Inama
Die berüchtigte Curva A: Hier sind die militanten Fangruppierungen von Napoli untergebracht
© getty
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Der Fall Esposito

Den traurigen Höhepunkt erreichte der Zwist schließlich im Mai 2014, als Napoli in Rom gegen den AC Florenz den italienischen Pokal holte. Vor der Partie kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Roma-Fans und Napoli-Anhängern. Dabei wurde der angeblich unbeteiligte Neapolitaner Ciro Esposito durch einen Schuss von Roma-Hooligan-Anführer Daniele De Santis schwer verletzt und erlag 50 Tage später im Krankenhaus seinen Verletzungen.

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Dabei kam auch ans Licht, welche Macht die Fans bei Napoli über die Geschicke ihrer Mannschaft haben. Kurz vor Anpfiff des Pokalfinals holte sich Gennaro De Tommaso, alias Genny a'Carogna, Kapitän Marek Hamsik zu sich. Das Spiel solle nicht angepfiffen werden, wenn es einen Toten gab. Als Hamsik ihm versicherte, dass sie niemals spielen würden, wäre der junge Mann gestorben, kam prompt die Antwort: "Wenn du uns belügst, kommen wir dich besuchen."

Eine typisch italienische Großfamilie

Wenn auch auf recht negative Art und Weise zeigt diese Aktion die Verbundenheit zwischen Fans und Spielern. Hamsik wurde nicht gezwungen mit De Tommaso zu sprechen. Es galt als selbstverständlich, dass er seinen Fans Rede und Antwort steht. Das Umfeld rund um den Klub interagiert wie eine italienische Großfamilie unter dem Patriarchat des gemeinen Neapolitaners. Die Fans stehen über der Mannschaft; ein Aspekt, der vom Klub selbst auch so inszeniert wird.

Diese gegenseitige Achtung spiegelt sich schließlich in den Heimspielen wieder. Die zahlreichen Fangruppierungen, aufgeteilt zwischen der folkloristischen Curva B und der militanten Curva A, erzeugen im San Paolo eine Atmosphäre, die es so oder so ähnlich nur in wenigen Stadien Europas gibt. Ohne Probleme kann man sich auf eine Stufe mit dem Westfalen-Stadion oder der Anfield Road stellen.

Als Manchester City an jenem Abend des "Erdbebens" im San Paolo 1:2 verlor, fühlten sich die Gäste aus England wie auf einem anderen Planeten. Allen voran Yaya Toure, der durch seine Aussagen zum Stadion mittlerweile einen festen Platz in den temperamentvollen Herzen der Süditaliener hat: "Am Morgen gingen wir ins San Paolo, um uns aufzuwärmen. Tevez hatte mir vom Stadion erzählt. Aber ich kannte schon das Camp Nou, daher dachte ich mir: ‚Was wird da schon groß sein.' Dennoch fühlte ich was Magisches, was komplett anderes, als ich das erste Mal einen Fuß auf das Spielfeld setzte. Am Abend dann, während die Champions-League-Hymne ertönte und uns 80.000 auspfiffen, wurde mir erst bewusst, in welchen Schlamassel wir da geraten waren. Ich hatte schon einige wichtige Spiele in meinem Leben gespielt, aber als ich dieses Gebrüll hörte, zitterten mir zum ersten Mal die Knie."

Der Genuss der Niederlage

Toure fand ein einprägsames Bild für die besondere Verbindung zwischen Anhängern und Spielern: "Mir wurde klar, dass Napoli für die Fans nicht nur eine Mannschaft ist; es ist blinde Hingabe, so wie die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind." Eine Symbiose, die Toure beeindruckte: "Es war das einzige Mal in meiner Karriere, dass ich nach einer Niederlage auf dem Spielfeld geblieben bin, um dieses Spektakel zu genießen."

Wie bei jeder Familienzusammenkunft werden auch am Donnerstag alle dabei sein. Klein und Groß, Jung und Alt, Frau und Mann. 60.000 werden ins Stadion kommen, eine Million vor den Fernsehern sitzen und SSC Napoli mit voller Inbrunst unterstützen. Das Feuer der Neapolitaner wird lodern und ihre Mannschaft bis ans Maximum treiben. Die Spieler wissen, was sie an ihren Fans haben, und wollen sie, wie es von Kindern zu ihren Eltern so üblich ist, auf keinen Fall enttäuschen.

Seite 1: Das Erdbeben und das Derby del Sole

Seite 2: Der Fall Esposito und Yaya Toures Liebeserklärung