Es war einmal vor langer, langer Zeit. Da lebte in Brasilien ein junger Mann mit einem großen Traum. Angetan vom schillernden Leben der brasilianischen Fußballspieler, wollte er es ihnen gleich tun und Profi werden. Er wollte ein weltbekannter Fußballer werden, sein Hobby zum Beruf machen und seine Rechnungen mit dicken Gehältern aus den Vereinskassen der besten Mannschaften dieser Erde bezahlen.
Für einen solchen Wunsch könnte es damals wie heute einen schlechteren Standort als Brasilien geben, wo auf jedem zweiten Bolzplatz mehr Talent zu finden ist als in so mancher deutschen Zweitligamannschaft. Leider gehörte der Junge in unserer Geschichte aber zu den Brasilianern, die eher auf großen Karnevalswägen eine gute Figur machten als beim Fünf gegen Fünf auf zwei Garagentore.
"Machste nix", würden sich wohl die meisten Menschen in der verzwickten Situation des Jungen denken, sich an einer Uni einschreiben, bei Onkel Paolo in die Lehre zum Kaffeebauern gehen oder sich in den Favelas des Landes einen Namen machen. Nicht so Carlos Henrique. In der festen Überzeugung, dass man es auch talentfrei in der Fußballwelt zu etwas bringen kann, hielt er an seinem Traum fest. Zwanzig Jahre später werden sämtliche brasilianische Top-Teams und einige namhafte europäische Klubs zu seinen Stationen gehört haben. Aber starten wir am Anfang. Da, wo alles begann.
Talent? Talent!
Wie bei vielen Helden vergangener Zeiten ist auch das Geburtsdatum von Carlos Henrique Raposo nicht genau bekannt. Vermutlich wurde er im Jahr 1963 in Rio de Janeiro geboren. Wie alle Jungs in Brasilien brannte er für den Fußball und kickte stundenlang mit seinen Freunden auf der Straße. Dass Carlos groß, technisch versiert und zusätzlich noch schnell war, blieb auch den Scouts der brasilianischen Klubs nicht verborgen. So landete er zunächst in der Jugendakademie Botafogos und später in der Talentschmiede von Flamengo Rio de Janeiro.
So ganz untalentiert war er also nicht, was aber nahezu 90 Prozent aller brasilianischen Männer von ihren Söhnen behaupten können. Trotzdem - oder gerade deswegen - waren die Talente des Landes damals weltweit als Exportschlager bekannt. Die Folge: Auch für Henrique fand sich ein Abnehmer. Der mexikanische Erstligist Puebla FC holte Carlos im Alter von 16 Jahren nach Nordamerika.
Mexico: Wo alles begann
Der Junge in unserer Geschichte schien auf dem richtigen Weg zu sein, auch wenn er selber schon längst gemerkt hatte, dass ihm seine Kameraden in der mexikanischen Jugend bereits weit enteilt waren. Er war zwar ein guter Kicker, aber kein echter Fußballer, geschweige denn ein Fußballprofi.
Hinzu kam, dass er immer mehr Gefallen an den kleinen Nettigkeiten des Lebens fand. Er hatte viele Frauen, paffte teure Zigarren und feierte wilde Partys. Partys, die für den Verlauf seiner Karriere von erheblicher Bedeutung waren. Denn hier lernte er die Großen des Fußballs kennen, knüpfte Kontakte zu Trainern, Managern und vor allem zu namhaften Spielern seines Landes.
Carlos war sympathisch, schlitzohrig und gewieft. Schnell konnte er viele brasilianische Spieler zu seinen guten Freunden zählen und in sein Vorhaben einweihen. Seinen Plan, Profi zu werden, ohne überhaupt zu spielen. Zur damaligen Zeit gab es keine ausgereiften Scouting-Systeme, keine Datennetzwerke von Fußballspielern auf dem ganzen Globus und keine Fernsehübertragungen.
Die Vereine verließen sich auf das, was Ihre Scouts in den Stadien des Landes sahen, auf die Namen der Spieler und auf Empfehlungen von Trainern, Managern, aber eben auch von Spielern. Romario, Carlos Alberto, Renato Gaucho und andere Stars wollten ihm tatsächlich bei seinem Experiment helfen und brachten seinen Namen fortan in Umlauf: Carlos Henrique, der Brasilianer, der in die Welt zog, das Fußballspielen zu erlernen.
Einen Fuß in der Tür des Fußballs
So kam der Junge in unserer Geschichte zurück nach Brasilien. Im Gepäck hatte er einen absolut unbekannten Leistungs- und Entwicklungsstand und eine gehörige Portion Vitamin B. Die Vereine begannen sich mit ihm zu beschäftigen, sein Name und die Empfehlungen der Top-Stars eilten ihm stets voraus. Es dauerte nicht lange, da wurden ihm die ersten Probeverträge angeboten.
Natürlich akzeptierte Carlos und war plötzlich mittendrin, ein Teil der Maschinerie Profifußball. So weit, so gut, blieb nur noch ein Problem: Carlos konnte kein Fußball spielen. Er hatte sich nämlich nicht nur nicht verbessert, sondern durch Partys, Zigarren und Alkohol kräftig abgebaut.
Diese Geschichte würde allerdings nicht erzählt werden, wenn sich Carlos nicht auch für diese Situation eine ganz besondere Vorgehensweise angeeignet hätte.