"Dieses Niveau ist ein Privileg"

Ben Barthmann
24. August 201713:49
Rene Maric wurde vom Blogger zum Co-Trainer der Profis von RB Salzburgimago
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Rene Maric tauschte die Theorie gegen die Praxis: Der Blogger wurde erst Co-Trainer der U18 des FC Red Bull Salzburg und gewann die Youth League, nun ist der 24-Jährige Co-Trainer der ersten Mannschaft unter Marco Rose. Mit SPOX spricht er über seinen Werdegang, die Ausbildung seiner Spieler und die Kombination von Positionsspiel mit dem RB-Stil.

SPOX: Ihre Karriere verlief zuletzt wie im Zeitraffer. Aus dem Amateurbereich zu RB Salzburg, jetzt Co-Trainer der ersten Mannschaft. Wie können Sie da überhaupt Schritt halten?

Rene Maric: Zu Beginn gleich eine Frage, die man nicht wirklich beantworten kann. (lacht) Über sowas denke ich ehrlich gesagt gar nicht so viel nach. Ich komme jeden Tag ins Büro und fokussiere mich auf die bevorstehenden Aufgaben.

SPOX: Nach Spielen nehmen Sie sich gerne Zeit, um über positive und negative Aspekte nachzudenken. Haben Sie das auch mit einem Gesamtblick auf das vergangene Jahr getan?

Maric: Da unsere U18-Saison nahtlos in die Vorbereitung mit den Profis übergegangen ist, hatte ich dafür nur wenig Zeit. Eigentlich hatte ich über das Jahr hinweg Notizen und Projekte gesammelt, die ich nach der Saison abarbeiten wollte. Allerdings hat man immer wieder etwas Zeit innerhalb der Arbeitsprozesse oder bestimmte Schlüsselereignisse, um sich - auch mit anderen - über das vergangene Jahr und sich selbst auszutauschen und zu reflektieren.

SPOX: Mit Marco Rose ist ein relativ erfahrener Trainer Ihr Chef im Team. Wie oft und in welchen Dingen widerspricht er Ihnen oder korrigiert Sie?

Maric: Marco findet immer wieder Details, an denen ich arbeiten kann und die er mir zeigt. Mal ist das fachlich-inhaltlich, mal sozial und manchmal zeigt er mir einfach nur die Realität auf. Das finde ich auch gut so. Seine Kompetenz, seine Erfahrung, ob als Trainer oder ehemaliger Profi, und seine Persönlichkeit lehren mir im tagtäglichen Austausch enorm viel.

SPOX: Und was bringen Sie in die Zusammenarbeit ein?

Maric: Ich hoffe wiederum, dass Marco manchmal von meiner Perspektive ebenfalls profitieren kann. Die ist manchmal aufgrund meiner Besessenheit mit dem Sport und manchmal schlicht aus mangelnder Erfahrung unüblich und vielleicht genau dadurch interessant. Des Weiteren versuche ich vieles im Fußball auf Details für die Spieler herunterzubrechen und den Fußballern zu helfen, sich selbst auf dem Feld besser zu verstehen und Leistung bringen zu können. Woraus bestehen Aktionen im Fußball? Welche Prinzipien sind hilfreich? Wie bringe ich die in einfache Sprache, um aus der Theorie in die Praxis zu kommen? Letztlich verstehe ich meine Rolle als Co-Trainer so, dass ich einerseits den Spielern helfen und andererseits Marco ergänzen darf.

SPOX: Mit Salzburg haben Sie einen Verein gefunden, der am Puls der Zeit arbeitet. Was zeichnet die Jugendarbeit in der Akademie gegenüber anderen Klubs aus?

Maric: Ich kann nicht über den Vergleich mit anderen Vereinen sprechen, da ich diese nicht kenne. Ich kann nur sagen, was ich bei Red Bull Salzburg beobachtet habe: Wir haben ein hervorragendes Konzept in puncto Trainingsmethodik und Spielphilosophie, welche im Verbund eine sehr gute Ausbildung für die Spieler gewährleisten. Die Trainer werden intern zusätzlich weitergebildet, können sich dadurch besser um die Spieler kümmern. Das Scouting ist auf sehr hohem Niveau, unsere medizinische und athletische Abteilung arbeiten sehr gut.

SPOX: Die TSG 1899 Hoffenheim geht in der Ausbildung innovative Wege wie zum Beispiel Training am Handy. Ist das eine Option oder werden ähnliche Dinge auch bereits in Salzburg umgesetzt?

Maric: Ich denke, dass es in jeder Akademie eigene Ideen, Konzepte und Projekte gibt, die angegangen werden. Dazu bringt auch jeder Trainerstab eigene Aspekte ein, die sie akademieübergreifend teilen oder bei der eigenen Mannschaft anwenden. Spieler über digitale Möglichkeiten zusätzlich auszubilden und anders zu erreichen, ist durchaus eine Überlegung.

SPOX: Was war für Sie der ausschlaggebende Grund für den Pokalgewinn in der Youth League? In welcher Hinsicht ist Salzburg den Gegnern überlegen gewesen?

Maric: Harte Arbeit, hervorragende Mentalität und Qualität der Spieler, Akribie und Leistungsbereitschaft aller Beteiligten im Verbund mit passenden Matchplänen, sehr gute Fitness und auch etwas Glück. Dazu ohne Frage auch unsere Spielphilosophie.

SPOX: Wie viel von dieser U19 darf man im kommenden Jahr auch bei den Profis wieder beobachten?

Maric: Das hängt ganz von den Spielern ab. Profiniveau, speziell in Salzburg in der ersten Mannschaft, ist dann doch etwas Anderes. Dennoch glaube ich, dass es der eine oder andere diese Saison bei passender Entwicklung und der damit verbundenen Einstellung schaffen könnte. Hannes Wolf, Amadou Haidara, Igor und Xaver Schlager sind ja bereits im Kader der ersten Mannschaft und auf gutem Wege.

SPOX: Mit Salzburg bringt man stets das hohe Pressing und Gegenpressing in Verbindung. Sie sind Fan vom Positionsspiel. Wie konnten Sie das kombinieren? Welche Anpassungen mussten Sie vornehmen?

Maric: Nun, Marco hat schon vor meiner Zeit als Co-Trainer mit etlichen Mannschaften sehr gute Leistungen in allen Spielphasen gezeigt, als man zum Beispiel vorletzte Saison ohne Niederlage und bei extrem wenig Gegentoren Meister geworden ist. Das funktioniert ohne Positionsspiel nicht. In meinen Augen widerspricht sich das gar nicht mit hohem Pressing und Gegenpressing. Mit Positionsspiel sind nämlich keine starren Abläufe, vorgefertigten Schablonen oder langwierige Ballbesitzphasen ohne Abschlüsse gemeint. Vielmehr geht es um Lösungsmuster für Situationen, die es den Spielern ermöglichen sollen, ihre Fähigkeiten bestmöglich einbringen zu können. Durch Prinzipien, welche sich vorrangig auf die Verbindungen zwischen den Spielern in ihren Positionierungen und im Timing in Wechselwirkung mit dem Gegner beziehen, wollen wir den Spielern Ideen mitgeben. Trotzdem wollen wir, dass die Spieler kreativ und frei sind, solange die Mannschaft davon profitiert. Und: Wir wollen möglichst viele Gegenspieler möglichst schnell überspielen. Dank unseres Gegenpressings wollen wir das auch mit viel Risiko machen. Zusätzlich hilft uns unser Positionsspiel sowohl beim Pressing als auch beim Gegenpressing, da wir dadurch auch effektiver unsere Abläufe, zum Beispiel in der Absicherung, planen können.

SPOX: In die entscheidenden Partien der Youth League ging die Mannschaft in einer Grundordnung mit Raute im Mittelfeld. Wie wichtig sind die Positionen auf dem Papier für die letztliche Umsetzung ihrer Spielphilosophie?

Maric: Natürlich haben Grundordnungen eine Relevanz, sonst gäbe es sie nicht. Aber zu viel sollte man nicht in sie interpretieren. In der Spieldynamik kann man je nach Situation aus verschiedenen Grundordnungen die gleiche Staffelung kreieren, es unterscheiden sich dann nur die Abstände und Abläufe, um dorthin zu kommen.

SPOX: Pressing und Positionsspiel. Dazu schnelles Umschalten nach Ballgewinn und Verlust. Das klingt nach einer runden Lösung. Ist das die Zukunft des Fußballs?

Maric: Ob es die Zukunft ist, weiß ich nicht. Aber es zeigt eine ganz normale Entwicklung auf: Im Fußball wird danach gestrebt, in allen Phasen so gut wie möglich zu sein. Die Wege dorthin sind aber oft unterschiedlich mit anderen Intentionen. Wichtig ist dann die Umsetzung davon.

SPOX: Auch in der Bundesliga scheint der Fußball sich in diese Richtung zu bewegen. Julian Nagelsmann, Sandro Schwarz oder auch Ralph Hasenhüttl.

Maric: Das sind jedenfalls drei Trainer, von denen ich unter anderem sehr viel halte. Ihre Entwicklung will ich die nächsten Jahre sehr genau verfolgen, auch, weil ich sicher aus ihren Mannschaften und den darin enthaltenen Ideen möglichst viel für meine tägliche Arbeit herausziehen können werde.

SPOX: Inwiefern können Sie alle dieser Aspekte im Training abdecken. Sowohl aus zeitlicher Hinsicht als auch in Sachen Aufnahmekapazität der Spieler?

Maric: Durch eine gute Belastungssteuerung, eine klare Sprache, gutem Design der Trainingsübungen und der Nutzung von Videoanalyse sowie natürlich der passenden Einstellung der Spieler. Alles auf einmal geht natürlich nicht. Aber mit Marco haben wir einen Cheftrainer, der eine sehr gute Balance im Absprache mit dem Funktionsteam findet und Ideen durch seine Ausstrahlung wie Sprache sehr gut im Coaching auf und neben dem Feld vermitteln kann. Dazu haben wir mit Rene Aufhauser als Defensivexperten und Alexander Zickler als Offensivexperten zwei tolle Ergänzungen im Trainerstab, die aus ihrer Profierfahrung viel Fachwissen weitergeben können.

SPOX: Sie betonen in diesem Zusammenhang gerne die Arbeit von Athletiktrainer Patrick Eibenberger. Was zeichnet ihn aus?

Maric: Seine größte Fähigkeit ist das Aufnehmen von extrem vielen Informationen, weil er sich täglich mit der eigenen Arbeit und den aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft auseinandersetzt, und das Adaptieren dieses Wissens an unser Spielmodell und in weiterer Folge an die Trainingsmethodik in allen Facetten. Außerdem ist er toller Typ.

SPOX: Neben der konditionellen Arbeit - welche Schwerpunkte setzen Sie in der koordinativen Ausbildung der Spieler? Ein derart schnelles Spiel setzt gewisse Fähigkeiten voraus.

Maric: Auf diesem Niveau ist ein generisches Koordinationstraining nicht mehr entwicklungseffizient. Beim FC Red Bull Salzburg bauen wir zwar Elemente punktuell zum Beispiel in das Aufwärmen ein, aber grundsätzlich lösen wir es über unsere Spielformen und wie wir diese gestalten.

SPOX: Kommen wir zurück zur kommenden Saison. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Maric: Mit den Spielern arbeiten zu können. Zu sehen, wie sich eine Mannschaft formt, wie sie die Ideen des gesamten Trainerstabs tagtäglich und auch im großen Ganzen annimmt. Auf diesem Niveau arbeiten zu dürfen ist ein Privileg. Das betrifft die Qualität der Spieler, aber auch des gesamten Funktionsstabs und des Vereins Red Bull Salzburg.

SPOX: In welchen Bereichen wollen Sie noch dazulernen?

Maric: Ich kann mich in vielen Bereichen noch entwickeln, sei es Coaching/Menschenführung, technisch-taktischen Aspekten oder auch im Umgang mit solchen Interviews.

SPOX: Mit 24 Jahren haben Sie sicherlich nichts gegen das ein oder andere Jahr mehr als Co-Trainer einzuwenden. Was sind die Pläne für die Zeit danach?

Maric: Dafür habe ich noch keine. Ich bin Co-Trainer und mag diese Rolle unter diesem Cheftrainer beziehungsweise mit diesem Funktionsstab sehr gerne. Sollte sich das ändern, werde ich darüber nachdenken, welche Rolle auf welchem Niveau mir zu einem solchen Zeitpunkt passen würde. Aktuell habe ich schlicht keinen Grund dazu. Dafür geht es mir zu gut.

SPOX: Nebenbei haben Sie sich über das Portal Spielverlagerung.de einen Namen im Internet gemacht. Wie kam es dazu und wie ist Ihr Bezug momentan?

Maric: Ich wurde nach einer schwierigen Verletzung Jugendtrainer und habe mich auf der Suche nach Informationen im Internet mit anderen ausgetauscht. Darüber lernte ich die anderen Jungs von Spielverlagerung kennen, wir gründeten unseren Blog und es diente eigentlich primär für die eigene Reflexion, zum Austausch und zum Finden von anderen, die sich über Fußball austauschen möchten. Danach wurden wir ein bisschen populärer, wodurch sich individuell unterschiedliche Wege und Ziele eröffnet haben. Dadurch haben fast alle einen unterschiedlichen Background und eine andere Perspektive, weswegen ich mich nach wie vor gerne mit den Jungs austausche und in Kontakt stehe. Nach sechs Jahren entsteht dann aus Kollegialität und Sympathie auch Freundschaft.