Jürgen Röber im Legenden-Interview: "Ich habe Dunga gequält"

Florian Regelmann
06. Dezember 201815:29
Jürgen Röber war in der Saison 2006/2007 acht Spiele lang BVB-Trainergetty
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Jürgen Röber ist ein echter Globetrotter. Als Spieler führte ihn seine Karriere unter anderem nach Calgary und Nottingham, als Trainer führte er Hertha aus der 2. Liga in die Champions League, ehe es ihn später zu Borussia Dortmund, nach Serbien, Russland und in die Türkei verschlug. Aktuell arbeitet der 64-Jährige als Sportdirektor beim belgischen Erstligisten Royal Excel Mouscron.

SPOX-Chefreporter Florian Regelmann traf Röber, um mit ihm über seine ereignisreiche Laufbahn zu sprechen. Ein Interview über eine besondere VHS-Kassette, Carlos Dunga, Sebastian Deisler, eine bittere Zeit beim BVB und eine wilde Geschichte in Belgrad.

Außerdem: Was haben der Jakobsweg, der Ryder Cup und Johann Sebastian Bach mit Röber zu tun?

SPOX: Herr Röber, wann haben Sie das letzte Mal Klavier gespielt?

Jürgen Röber: Das ist leider schon wieder eine Weile her. Mein Bechstein-Flügel steht im Haus meiner Lebensgefährtin im Rheinland, ihre Tochter hat jede Woche Klavierunterricht und spielt fantastisch. Wenn ich mich an den Flügel setze, spiele ich immer das gleiche: Präludium von Bach. Das ist das Einzige, was ich kann. (lacht) Ich sollte endlich Unterricht nehmen, weil Musik meine Leidenschaft ist. Ich schlafe mit Musik ein, ich laufe mit Musik, ich fahre Auto mit Musik.

SPOX: Wir wollen aber heute natürlich über Ihre zweite Leidenschaft sprechen: Fußball. Zunächst über Ihre bemerkenswerte Karriere als Spieler. Wie sehr hat Sie Ihr familiärer Background geprägt?

Röber: Meine Eltern sind aus der DDR geflohen, die ersten Jahre haben wir in einem Lager gelebt und ich bin dann im Ruhrgebiet aufgewachsen. Mein Vater hat unter Tage gearbeitet, viel Geld hatten wir nicht. Natürlich prägt das. Ich wurde von meinem Vater streng erzogen, aber das war gut so. Ich wusste immer, was sich gehört. Später als Trainer habe ich auch immer versucht, diese Werte meinen Spielern mitzugeben.

SPOX: Ihre Stationen als Spieler lesen sich faszinierend. Werder, Bayern, Calgary, Nottingham, Leverkusen, Essen. Wer waren denn bitte die Calgary Boomers?

Röber: Ich war so enttäuscht von meiner Zeit bei den Bayern. Ich bin nach München gegangen, weil ich Nationalspieler werden wollte. Ich war einer der torgefährlichsten defensiven Mittelfeldspieler Deutschlands und auf einmal spielte ich nicht immer.

SPOX: Ganz kurz: Sie haben ja sogar zweimal das Tor des Monats geschossen.

Röber: Ja, beide Male per Seitfallzieher. Und das eine Mal bin ich bei der Wahl zum Tor des Jahres Zweiter geworden. Und warum? Weil Daniel Simmes vom BVB einen unfassbaren Sololauf über 70 Meter hinlegte. Und wer war der letzte Spieler, den er im Sechzehner ausspielte? Ich! (lacht) Ich hätte ihn einfach umhauen müssen, dann hätte es zwar Elfmeter gegeben und es wäre wohl auch ein Tor geworden, aber das Tor des Jahres hätte mir gehört.

SPOX-Chefreporter Florian Regelmann traf Jürgen Röber zum Interviewspox

Röber über die Calgary Boomers

SPOX: Aber zurück zu Calgary.

Röber: Als dann das Angebot aus Calgary kam, habe ich das einfach gemacht. Ich bin nach Hause gekommen und habe zu meiner damaligen Frau gesagt: "Schatz, wir gehen nach Calgary." Sie ist in Tränen ausgebrochen. Aber es sollte eine tolle Zeit werden, ich würde es jederzeit wieder machen. Ich erinnere mich an Nelson Skalbenia. Er war damals der Boss in Calgary. Als er die Lust an den Boomers verlor, war das Projekt nach wenigen Monaten auch schon wieder gestorben. Nach Deutschland durfte ich nicht zurückwechseln innerhalb eines Jahres, also bin ich zu Nottingham Forest gegangen. Aber am liebsten wäre ich in Kanada geblieben, ich wäre von dort nie mehr weggegangen, wenn sich die Chance ergeben hätte. Das Leben und die Menschen waren ein Traum. Dort spielt es keine Rolle, was für ein Haus du hast, was für ein Auto du fährst, es ist mit hier gar nicht zu vergleichen.

SPOX: Aber es ging nach England, wo Sie zum "German Fighter" wurden.

Röber: Mein erstes Tor habe ich im Pokal im Nachbarschaftsduell gegen Notts County geschossen. Leider habe ich mich dann in einem Spiel gegen Southampton schwer am Knöchel verletzt. Kevin Keegan, der zu der Zeit in Southampton spielte, begleitete mich sogar ins Krankenhaus. Ich wäre gerne noch länger geblieben, aber meine damalige Frau, die inzwischen leider verstorben ist, zog es zurück in die Heimat. Also ging es nach Leverkusen, wo ich fast fünf Jahre spielte, Kapitän war und eine gute Zeit hatte.

SPOX: Wenn wir zu Ihrer Trainerkarriere wechseln: Los ging alles an der Hafenstraße bei RW Essen, wo Sie später zum Jahrhunderttrainer gekürt wurden.

Röber: Dort bin ich als Spielertrainer in das Geschäft reingerutscht. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Wir haben zwar leider aus finanziellen Gründen die Lizenz nicht bekommen, aber wir sind in der Folge Deutscher Amateurmeister geworden, aufgestiegen und ich habe das Team quasi ins DFB-Pokal-Finale geführt. Als mich der VfB verpflichtete, standen wir bereits im Halbfinale. Noch heute ist es etwas sehr Besonderes, wenn ich nach Essen komme und wie mich die Menschen dort empfangen. Ich hatte über die Jahre ein paar Mal die Idee, den Verein vielleicht wieder nach oben führen zu können, aber so ein Projekt ließ sich leider nie umsetzen. Das ist schade.

Röber über eine besondere VfB-Viererkette

SPOX: Sie sind nach Stuttgart gegangen und gaben Ihr Debüt bei gefühlten minus 28 Grad im Olympiastadion zu München. Auch die Bayern hatten in diesem Spiel einen neuen Trainer: Franz Beckenbauer. Aber der VfB gewann das Spiel.

Röber: Weil ich Viererkette spielen ließ und Franz damit überraschte.

SPOX: Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Röber: Ich war einer der Ersten, der das damals spielen ließ, aber ich hatte ein Faible dafür und ich wusste vor allem, dass ich mit Thomas Berthold und Guido Buchwald in der Mitte und Thomas Strunz und Michael Frontzeck auf den Außenpositionen die richtigen Leute dafür hatte. Slobodan Dubajic zogen wir vor die Abwehr, der Plan ging perfekt auf. Trotzdem kam Guido vor dem Spiel zu mir und sagte: "Trainer, glauben Sie wirklich, dass das gutgeht?" Es ging gut. So wie es für mich ziemlich oft gut ging gegen die Bayern, auch mit der Hertha und Dortmund haben wir sie geschlagen. Wenn ich Franz dann auf dem Golfplatz traf, sagte er nur: "Du schon wieder." (lacht)

SPOX: Was viele nicht mehr so auf dem Schirm haben: Sie stellten damals das magische Dreieck zusammen.

Röber: Das stimmt. Einmal habe ich bei Dieter Hoeneß, der ja Manager war beim VfB, in einem Schrank eine VHS-Kassette gefunden, auf der Krassimir Balakow zu sehen war. Ich habe zu Dieter gesagt: "Da ist ein Spieler drauf, der ist so gut, wieso holst du ihn denn nicht?" Ich habe Bala dann noch einmal in Lissabon beobachtet, bevor wir ihn gekauft haben. Und Fredi Bobic hatte ich mal bei einem Spiel in Meppen gesehen, als ich noch Trainer in Essen war. Der spielte auch noch bei den Kickers vor der Haustür, wir mussten ihn holen.

SPOX: Sie kamen dann aber nicht mehr in den Genuss, Balakow, Bobic und Giovane Elber zu trainieren, weil Ihre Zeit in Stuttgart zu Ende ging. Warum?

Röber: Im Endeffekt haben mir meine Probleme mit Gerhard Mayer-Vorfelder das Genick gebrochen. Ich habe mich von Anfang an nicht davor gescheut, MV die Meinung zu sagen. Nach dem Sieg in München wurde ich ins Ministerium zitiert. MV wollte unbedingt, dass wir zusammen feiern, wenn wir gewinnen. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich das selbst entscheide. Und wenn mein bester Freund da ist, den ich sonst kaum sehe, dann will ich mit ihm essen gehen. So hatten wir sofort etwas Stress und später hat er mich dann rausgekickt. Wer kam nochmal danach?

Röber über seine Zeit mit Carlos Dunga

SPOX: Übergangsweise Jürgen Sundermann und dann Rolf Fringer.

Röber: Es hat mich schon geärgert damals, dass ich mit der Truppe, die ich zusammengestellt hatte, dann nicht mehr zusammenarbeiten konnte.

SPOX: Dennoch haben Sie in Stuttgart mit großen Stars zusammengearbeitet. Carlos Dunga fällt einem sofort ein.

Röber: Die Zeit mit Carlos werde ich nie vergessen. Ich weiß noch, wie wir im Trainingslager waren und Carlos wirklich immer hinterhergelaufen ist. Ich war ja ein Fitness-Freak und habe ihm gesagt: "Carlos, wenn du weiter hinterherläufst, dann spielst du nicht. Es ist mir völlig egal, ob du wieder in die Selecao willst, so spielst du nicht." Ich habe ihn gequält, er hat eine überragende Rückrunde gespielt und dann Brasilien in den USA als Kapitän zum WM-Titel geführt. Als er nach seiner VfB-Zeit in Japan spielte, rief er mich an: "Trainer, ich laufe immer noch." Solche Erlebnisse sind die schönsten.

SPOX: Ihre erfolgreichste Zeit hatten Sie dann bei der Hertha, die Sie von der 2. Liga in die Champions League führten.

Röber: In meinem ersten Spiel gegen Jena, wir verloren 2:4, aber Niko Kovac erzielte übrigens das 1:0, waren 8.000 Zuschauer im riesigen Olympiastadion, der Verein war am Boden. In der Aufstiegssaison hatten wir dann 75.000 Fans gegen Lautern.

SPOX: Und es sollten viel größere Highlights folgen. Ich denke an das berühmte Nebelspiel gegen den FC Barcelona in der Champions League. Preetz, Daei im Sturm, Thom und Wosz dahinter, bei Barca bestand das Mittelfeld aus Guardiola, Luis Enrique und Cocu, van Gaal war Ihr Gegner auf der Bank. Was denken Sie, wenn Sie das hören?

Röber: Ich glaube, die Zuschauer auf den Tribünen haben an dem Abend gar nichts gesehen, selbst auf dem Platz konntest du gerade mal von der Mittellinie die beiden Tore erkennen. Es war natürlich irre, gegen Barca zu spielen. In Barcelona haben wir sogar durch ein unglaubliches Tor von Alex Alves geführt. Ich war immer ein Trainer, der über die Ansprache und die Motivation kam. Generell hat es mir am meisten Spaß gemacht, Spieler weiterzuentwickeln.

Röber über Michael Preetz und Sebastian Deisler

SPOX: An wen denken Sie besonders?

Röber: Michael Preetz fällt mir da ein. Der ist zu mir gekommen aus der 2. Liga, aus Wattenscheid. Ich habe ihn so lange gequält, bis er eines Tages Torschützenkönig in der Bundesliga geworden ist. Und sogar Nationalspieler. Der Lange ist Nationalspieler geworden und ich nicht, das ist unglaublich. (lacht) Aber da sieht man, was man durch harte Arbeit und Training erreichen kann. Für Tiger Woods oder Roger Federer, die absolut Besten in ihrer Sportart, ist es völlig normal, 1.000 Bälle zu schlagen, immer und immer wieder. So ein Trainingseifer sollte für einen Fußballer auch möglich sein, um sich weiter zu verbessern.

SPOX: Das müssen Sie genauer erklären.

Röber: Bevor ich überhaupt Trainer wurde, habe ich einmal in Leverkusen vom Zaun an der Autobahnbrücke ein Training verfolgt. Von zehn Torschüssen gingen acht über das Tor. Und das war's. Für mich war klar, dass ich das anders machen werden, wenn ich einmal Trainer bin. In Berlin habe ich in solchen Fällen das Training abgepfiffen und zu den Jungs gesagt: "Seht ihr, wie groß das Maifeld ist? Und jetzt laufen!" Das musst du machen. Du musst Wert auf die einfachsten Dinge legen. In Mouscron haben wir einen talentierten Mittelstürmer, Frantzdy Pierrot. Er ist ein Riesenbaby mit unglaublichem Willen, aber technisch hat er wahnsinnige Probleme. Bernd (Storck, Röbers langjähriger Co-Trainer und jetziger Chefcoach in Mouscron, Anm. d. Red.) hat mir Bilder geschickt von seiner Fußhaltung. So kannst du den Ball gar nicht treffen. Aber das ist genau das, was Spaß macht. Spieler zu entwickeln.

Jürgen Röber gewann in seiner Zeit als Trainer besonders gerne gegen Beckenbauers Bayerngetty

SPOX: Sie hatten in Ihrer Zeit auch den jungen Sebastian Deisler unter Ihren Fittichen.

Röber: Sebastian war der beste Fußballer, den ich jemals hatte. Sebastian hatte einfach alles. Sprungkraft, Schnelligkeit, Passspiel, Schussstärke, einen unglaublichen rechten Fuß. Leider hatte er nicht den Körper und seine Karriere nahm den Verlauf, den wir alle kennen. Einfach schade. Sebastian hätte ein Weltstar werden können.

SPOX: Nach der Hertha-Zeit folgte ein enttäuschendes Jahr beim VfL Wolfsburg.

Röber: Als ich in Wolfsburg war, steckte VW gerade in Problemen. Wir brauchten Spieler, aber mir wurde gesagt, dass man jetzt nicht Millionen für Spieler ausgeben könne, wenn gerade Mitarbeiter entlassen werden. Später wurde dann extrem investiert, aber da war es zu spät für mich. Wenn ich die Millionen zur Verfügung gehabt hätte, wären wir ganz woanders gestanden. Aber ich hatte trotzdem schöne Momente in Wolfsburg. Ich erinnere mich an Stefan Schnoor. Er hat manchmal weder den Mann noch den Ball getroffen. Aber die Leute haben ihn immer gefeiert.

Röber über seine Zeit bei Partizan Belgrad und beim BVB

SPOX: Aber Sie waren derjenige, der geflogen ist. Als nächste Station folgte aus dem Nichts Partizan Belgrad. Wie ist das zustande gekommen?

Röber: Ich bin hingeflogen, um ein Spiel zu beobachten. Und dann einfach dageblieben. Es passierte alles in einer Nacht. Ich rief meine Frau an und sagte ihr, dass sie bitte meine Koffer nach Belgrad schicken soll. Es war ähnlich verrückt wie damals mit der Calgary-Geschichte, aber so war ich halt. Mein Problem war, dass wir zwar Zweiter wurden, aber Zweiter hinter Roter Stern darfst du nicht werden, also bin ich geflogen. Auch das war aber eine tolle Zeit, Belgrad ist eine faszinierende Stadt. Aber ich habe auch Unschönes erlebt. Einmal hatten wir ein Spiel gegen einen Verein, der ganz unten stand und unbedingt gewinnen musste, um in der Liga zu bleiben. Die Schwester von unserem Präsidenten war die Vorsitzende dieses Klubs.

SPOX: Sie mussten also wirklich verlieren?

Röber: Es war völlig klar. Der Busfahrer fand das Stadion nicht, dabei kannte er den Weg natürlich. So kamen wir fünf Minuten vor Spielbeginn erst an und konnten uns gerade noch umziehen, das war's. Ich habe meiner Mannschaft gesagt: "Wenn wir dieses Spiel verlieren, trainieren wir in den nächsten Wochen dreimal täglich." Wir haben das Spiel gewonnen. Aber ich bin danach rausgeschmissen worden.

SPOX: Nach der Belgrad-Zeit kamen Sie zurück in die Bundesliga zu Borussia Dortmund. Aber Sie blieben nur acht Spiele, obwohl es mit dem Sieg gegen die Bayern, dank eines Doppelpacks von Alex Frei, so überragend begann. Warum passte es nicht?

Röber: Nach dem Auftaktsieg gegen die Bayern lief alles schief. Es war von vornherein eine komplizierte Situation, weil feststand, dass Thomas von Heesen zur neuen Saison übernehmen sollte. Das wusste ich zwar, aber ich wollte es den Verantwortlichen so schwer wie nur irgendwie möglich machen und schauen, was passiert, sollten wir sehr erfolgreiche Monate hinlegen. Aber es funktionierte nicht. Ich merkte, dass es nicht passt und zog nach einer furchtbaren Niederlage in Bochum einen Schlussstrich. Ich bereue meine BVB-Zeit, ich hätte es nicht machen sollen. Aber ich komme aus dem Ruhrgebiet. Wenn sich dann Dortmund meldet, kannst du nicht absagen. Ich passte eigentlich ja sehr gut dahin.

SPOX: Danach ging die Globetrotter-Zeit wieder weiter. Ihr Weg führte Sie nach Moskau zu Ramenskoje.

Röber: Eklatant war dort der Unterschied zwischen unglaublichem Reichtum auf der einen und extremer Armut auf der anderen Seite. Ich hatte meinen eigenen Fahrer und habe wie ein König dort gelebt, aber als ich gehen musste, war der Fahrer weg und ich wurde in einem Lada zum Flughafen gebracht.

SPOX: Es folgte noch eine unglückliche Station bei Ankaraspor, die von einem Zwangsabstieg überschattet war, danach haben Sie eine längere Pause gemacht. Warum?

Röber: Ganz einfach: Ich war fertig. Mein Körper hat mir gesagt, dass ich jetzt dringend auf ihn hören und eine Pause machen muss. Ich bin ohnehin kein Schläfer vor dem Herrn, aber in dieser Zeit waren die Schlafstörungen bei mir enorm. Ich musste eine Auszeit nehmen, sonst wäre ich wohl umgekippt. Ich bin jemand, der sich immer 24 Stunden mit Fußball beschäftigt. Der nachts wach liegt und grübelt, wie er jetzt einem Spieler sagt, dass er am Wochenende nicht spielt. Einmal war das der Fall bei Rene Tretschok, ich habe mich verrückt gemacht, aber was habe ich für ein Feedback bekommen? "Trainer, das interessiert mich nicht." (lacht) Es ist jetzt noch so, wenn ich auf der Tribüne sitze, dass die Menschen neben mir wahrscheinlich denken, ich sei nicht zurechnungsfähig. So emotional lebe ich diesen Beruf. Damals musste ich einfach Stopp sagen.

SPOX: Also haben Sie sich eine Auszeit gegönnt, waren Angeln in Norwegen, auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs.

Röber: Dort habe ich meine jetzige Lebensgefährtin kennengelernt.

SPOX: Und Sie sind zweimal den Jakobsweg gegangen.

Röber: Ja, das Buch von Hape Kerkeling hat mich inspiriert. Es ist das Beste, was ich jemals in meinem Leben gemacht habe. Abgesehen davon, dass du körperlich fit wirst, war die Erfahrung einfach einzigartig. Jeden Tag 30, 35 Kilometer zu gehen, Menschen aus aller Herren Länder zu treffen, ein Stück des Weges mit ihnen zu bestreiten - es war toll. Und abends kannst du nach dem Marsch essen, was du willst, das ist auch grandios. Ich bin zwar kein Kirchgänger, aber ich würde mich schon als gläubigen Menschen bezeichnen. Auf dem Jakobsweg bin ich auch in Kirchen gegangen und habe Kerzen angezündet. Ich habe die Zeit geliebt, ich kann es jedem nur empfehlen.

Röber über seinen Job in Mouscron

SPOX: Außerdem waren Sie auch viel Golf spielen. Waren Sie schon einmal beim Ryder Cup?

Röber: Nein, leider nicht. Das will ich aber unbedingt noch einmal erleben. In vier Jahren ist er ja in Italien, da wäre ich gerne dabei. Bis jetzt habe ich es immer im Fernsehen verfolgt. Ich bin ein begeisterter Golfspieler, es ist so ein wunderbarer Sport. Aber manchmal triffst du auch hier seltsame Leute. Einmal habe ich in Hamburg ein Turnier gespielt, unter anderem mit einem Geschäftsmann. Am ersten Tee haben wir uns vorgestellt und er sagte zu mir, dass wir aber beim Sie bleiben würden. Ich habe ihm gesagt, dass er auch alleine spielen kann. So einen Flight muss ich mir nicht antun. (lacht)

SPOX: Nach Ihrer Auszeit haben Sie nicht mehr als Trainer gearbeitet, sondern als Sportdirektor. Es ging zurück in die Türkei zu Ihrem ehemaligen Klub, der jetzt Osmanlispor hieß. Sportlich war die Zeit mit der Teilnahme an der Europa League durchaus erfolgreich, aber es herrschten unruhige Zeiten.

Röber: Ich habe die Anschläge hautnah miterlebt, einmal saß ich in einem Restaurant und habe die Druckwelle gespürt. Da wird einem natürlich ganz anders. Ein anderes Mal saß ich in einer Maschine im Anflug auf Istanbul, als dort eine Bombe explodierte. Wir konnten nicht landen. Für mich war das die Hölle, weil ich sowieso eine unglaubliche Flugangst habe.

SPOX: Seit Sommer 2017 sind Sie nun Sportdirektor bei Royal Excel Mouscron in der belgischen Jupiler League. Momentan steht Mouscron selbst nach einem kleinen Aufschwung zuletzt nur auf dem drittletzten Tabellenplatz. Wie ist Ihre aktuelle Aufgabe sportlich einzuschätzen?

Röber: Wir befinden uns im Überlebenskampf. Wir haben ein geringes Budget, da sind keine großen Sprünge drin. Dennoch haben wir das Potenzial, um in dieser Liga auch auf Platz fünf oder sechs zu stehen. Am Anfang dachte ich, auch mit dem Hintergrund der belgischen Nationalmannschaft, dass das Niveau der Liga ein bisschen höher sein würde. Aber ich sehe viele grausame Spiele. Seit Bernd da ist, läuft es viel besser. Ich hoffe, wir bekommen die Kurve.

Röber über den Modus in Belgien: "Keiner versteht ihn"

SPOX: Sie leben aber gar nicht in Mouscron, richtig?

Röber: Ja, ich lebe in Brügge, am Rande des Stadtzentrums in einem Hotel. Auf der einen Seite lässt es sich da wunderbar leben, auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ich mir das auch immer etwas schönrede. Keinen festen Lebensmittelpunkt zu haben und ständig zwischen Belgien und dem Rheinland, wo meine Partnerin lebt, hin und her zu pendeln, ist auf Dauer auch nicht befriedigend. Ich bin ja jetzt auch schon ein gutes Stück über 60, die Uhr tickt.

Jürgen Röber: Seine Stationen als Cheftrainer

VereinAmtszeit
Ankaraspor2009
Saturn Ramenskoje2008-2009
Borussia Dortmund2006-2007
Partizan Belgrad2005-2006
VfL Wolfsburg2003-2004
Hertha BSC1996-2002
VfB Stuttgart1993-1995
Rot-Weiss Essen1991-1993

SPOX: Fragt man sich dann nicht, warum man sich das noch antut?

Röber: Aber was soll ich dann den ganzen Tag machen? Nur noch Golf spielen? Ich weiß es nicht. Dann würde ich meinen Lieben bestimmt schnell auf den Geist gehen. Es macht mir immer noch Spaß, eine Aufgabe zu haben. Der Unruhezustand wird sicher noch eine Weile weitergehen. Mir fehlt zwar manchmal die Arbeit als Trainer, aber dadurch, dass ich jetzt Bernd bei mir habe und wir so eng zusammenarbeiten, geht es irgendwie weiter für mich.

SPOX: Letzte Frage: 2011 hat SPOX über den Modus in der belgischen Liga geschrieben: "Die spinnen, die Belgier!" Können Sie mir erklären, wie Sie trotz Ihres aktuellen Tabellenstands noch gute Europa-League-Chancen haben?

Röber: Nein, um Gottes Willen. Keiner versteht den Modus und er ist auch nicht einfach zu erklären ...