Jürgen Röber im Legenden-Interview: "Ich habe Dunga gequält"

Jürgen Röber war in der Saison 2006/2007 acht Spiele lang BVB-Trainer
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Jürgen Röber ist ein echter Globetrotter. Als Spieler führte ihn seine Karriere unter anderem nach Calgary und Nottingham, als Trainer führte er Hertha aus der 2. Liga in die Champions League, ehe es ihn später zu Borussia Dortmund, nach Serbien, Russland und in die Türkei verschlug. Aktuell arbeitet der 64-Jährige als Sportdirektor beim belgischen Erstligisten Royal Excel Mouscron.

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SPOX-Chefreporter Florian Regelmann traf Röber, um mit ihm über seine ereignisreiche Laufbahn zu sprechen. Ein Interview über eine besondere VHS-Kassette, Carlos Dunga, Sebastian Deisler, eine bittere Zeit beim BVB und eine wilde Geschichte in Belgrad.

Außerdem: Was haben der Jakobsweg, der Ryder Cup und Johann Sebastian Bach mit Röber zu tun?

SPOX: Herr Röber, wann haben Sie das letzte Mal Klavier gespielt?

Jürgen Röber: Das ist leider schon wieder eine Weile her. Mein Bechstein-Flügel steht im Haus meiner Lebensgefährtin im Rheinland, ihre Tochter hat jede Woche Klavierunterricht und spielt fantastisch. Wenn ich mich an den Flügel setze, spiele ich immer das gleiche: Präludium von Bach. Das ist das Einzige, was ich kann. (lacht) Ich sollte endlich Unterricht nehmen, weil Musik meine Leidenschaft ist. Ich schlafe mit Musik ein, ich laufe mit Musik, ich fahre Auto mit Musik.

SPOX: Wir wollen aber heute natürlich über Ihre zweite Leidenschaft sprechen: Fußball. Zunächst über Ihre bemerkenswerte Karriere als Spieler. Wie sehr hat Sie Ihr familiärer Background geprägt?

Röber: Meine Eltern sind aus der DDR geflohen, die ersten Jahre haben wir in einem Lager gelebt und ich bin dann im Ruhrgebiet aufgewachsen. Mein Vater hat unter Tage gearbeitet, viel Geld hatten wir nicht. Natürlich prägt das. Ich wurde von meinem Vater streng erzogen, aber das war gut so. Ich wusste immer, was sich gehört. Später als Trainer habe ich auch immer versucht, diese Werte meinen Spielern mitzugeben.

SPOX: Ihre Stationen als Spieler lesen sich faszinierend. Werder, Bayern, Calgary, Nottingham, Leverkusen, Essen. Wer waren denn bitte die Calgary Boomers?

Röber: Ich war so enttäuscht von meiner Zeit bei den Bayern. Ich bin nach München gegangen, weil ich Nationalspieler werden wollte. Ich war einer der torgefährlichsten defensiven Mittelfeldspieler Deutschlands und auf einmal spielte ich nicht immer.

SPOX: Ganz kurz: Sie haben ja sogar zweimal das Tor des Monats geschossen.

Röber: Ja, beide Male per Seitfallzieher. Und das eine Mal bin ich bei der Wahl zum Tor des Jahres Zweiter geworden. Und warum? Weil Daniel Simmes vom BVB einen unfassbaren Sololauf über 70 Meter hinlegte. Und wer war der letzte Spieler, den er im Sechzehner ausspielte? Ich! (lacht) Ich hätte ihn einfach umhauen müssen, dann hätte es zwar Elfmeter gegeben und es wäre wohl auch ein Tor geworden, aber das Tor des Jahres hätte mir gehört.

SPOX-Chefreporter Florian Regelmann traf Jürgen Röber zum Interview
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SPOX-Chefreporter Florian Regelmann traf Jürgen Röber zum Interview

Röber über die Calgary Boomers

SPOX: Aber zurück zu Calgary.

Röber: Als dann das Angebot aus Calgary kam, habe ich das einfach gemacht. Ich bin nach Hause gekommen und habe zu meiner damaligen Frau gesagt: "Schatz, wir gehen nach Calgary." Sie ist in Tränen ausgebrochen. Aber es sollte eine tolle Zeit werden, ich würde es jederzeit wieder machen. Ich erinnere mich an Nelson Skalbenia. Er war damals der Boss in Calgary. Als er die Lust an den Boomers verlor, war das Projekt nach wenigen Monaten auch schon wieder gestorben. Nach Deutschland durfte ich nicht zurückwechseln innerhalb eines Jahres, also bin ich zu Nottingham Forest gegangen. Aber am liebsten wäre ich in Kanada geblieben, ich wäre von dort nie mehr weggegangen, wenn sich die Chance ergeben hätte. Das Leben und die Menschen waren ein Traum. Dort spielt es keine Rolle, was für ein Haus du hast, was für ein Auto du fährst, es ist mit hier gar nicht zu vergleichen.

SPOX: Aber es ging nach England, wo Sie zum "German Fighter" wurden.

Röber: Mein erstes Tor habe ich im Pokal im Nachbarschaftsduell gegen Notts County geschossen. Leider habe ich mich dann in einem Spiel gegen Southampton schwer am Knöchel verletzt. Kevin Keegan, der zu der Zeit in Southampton spielte, begleitete mich sogar ins Krankenhaus. Ich wäre gerne noch länger geblieben, aber meine damalige Frau, die inzwischen leider verstorben ist, zog es zurück in die Heimat. Also ging es nach Leverkusen, wo ich fast fünf Jahre spielte, Kapitän war und eine gute Zeit hatte.

SPOX: Wenn wir zu Ihrer Trainerkarriere wechseln: Los ging alles an der Hafenstraße bei RW Essen, wo Sie später zum Jahrhunderttrainer gekürt wurden.

Röber: Dort bin ich als Spielertrainer in das Geschäft reingerutscht. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Wir haben zwar leider aus finanziellen Gründen die Lizenz nicht bekommen, aber wir sind in der Folge Deutscher Amateurmeister geworden, aufgestiegen und ich habe das Team quasi ins DFB-Pokal-Finale geführt. Als mich der VfB verpflichtete, standen wir bereits im Halbfinale. Noch heute ist es etwas sehr Besonderes, wenn ich nach Essen komme und wie mich die Menschen dort empfangen. Ich hatte über die Jahre ein paar Mal die Idee, den Verein vielleicht wieder nach oben führen zu können, aber so ein Projekt ließ sich leider nie umsetzen. Das ist schade.

Röber über eine besondere VfB-Viererkette

SPOX: Sie sind nach Stuttgart gegangen und gaben Ihr Debüt bei gefühlten minus 28 Grad im Olympiastadion zu München. Auch die Bayern hatten in diesem Spiel einen neuen Trainer: Franz Beckenbauer. Aber der VfB gewann das Spiel.

Röber: Weil ich Viererkette spielen ließ und Franz damit überraschte.

SPOX: Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Röber: Ich war einer der Ersten, der das damals spielen ließ, aber ich hatte ein Faible dafür und ich wusste vor allem, dass ich mit Thomas Berthold und Guido Buchwald in der Mitte und Thomas Strunz und Michael Frontzeck auf den Außenpositionen die richtigen Leute dafür hatte. Slobodan Dubajic zogen wir vor die Abwehr, der Plan ging perfekt auf. Trotzdem kam Guido vor dem Spiel zu mir und sagte: "Trainer, glauben Sie wirklich, dass das gutgeht?" Es ging gut. So wie es für mich ziemlich oft gut ging gegen die Bayern, auch mit der Hertha und Dortmund haben wir sie geschlagen. Wenn ich Franz dann auf dem Golfplatz traf, sagte er nur: "Du schon wieder." (lacht)

SPOX: Was viele nicht mehr so auf dem Schirm haben: Sie stellten damals das magische Dreieck zusammen.

Röber: Das stimmt. Einmal habe ich bei Dieter Hoeneß, der ja Manager war beim VfB, in einem Schrank eine VHS-Kassette gefunden, auf der Krassimir Balakow zu sehen war. Ich habe zu Dieter gesagt: "Da ist ein Spieler drauf, der ist so gut, wieso holst du ihn denn nicht?" Ich habe Bala dann noch einmal in Lissabon beobachtet, bevor wir ihn gekauft haben. Und Fredi Bobic hatte ich mal bei einem Spiel in Meppen gesehen, als ich noch Trainer in Essen war. Der spielte auch noch bei den Kickers vor der Haustür, wir mussten ihn holen.

SPOX: Sie kamen dann aber nicht mehr in den Genuss, Balakow, Bobic und Giovane Elber zu trainieren, weil Ihre Zeit in Stuttgart zu Ende ging. Warum?

Röber: Im Endeffekt haben mir meine Probleme mit Gerhard Mayer-Vorfelder das Genick gebrochen. Ich habe mich von Anfang an nicht davor gescheut, MV die Meinung zu sagen. Nach dem Sieg in München wurde ich ins Ministerium zitiert. MV wollte unbedingt, dass wir zusammen feiern, wenn wir gewinnen. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich das selbst entscheide. Und wenn mein bester Freund da ist, den ich sonst kaum sehe, dann will ich mit ihm essen gehen. So hatten wir sofort etwas Stress und später hat er mich dann rausgekickt. Wer kam nochmal danach?

Röber über seine Zeit mit Carlos Dunga

SPOX: Übergangsweise Jürgen Sundermann und dann Rolf Fringer.

Röber: Es hat mich schon geärgert damals, dass ich mit der Truppe, die ich zusammengestellt hatte, dann nicht mehr zusammenarbeiten konnte.

SPOX: Dennoch haben Sie in Stuttgart mit großen Stars zusammengearbeitet. Carlos Dunga fällt einem sofort ein.

Röber: Die Zeit mit Carlos werde ich nie vergessen. Ich weiß noch, wie wir im Trainingslager waren und Carlos wirklich immer hinterhergelaufen ist. Ich war ja ein Fitness-Freak und habe ihm gesagt: "Carlos, wenn du weiter hinterherläufst, dann spielst du nicht. Es ist mir völlig egal, ob du wieder in die Selecao willst, so spielst du nicht." Ich habe ihn gequält, er hat eine überragende Rückrunde gespielt und dann Brasilien in den USA als Kapitän zum WM-Titel geführt. Als er nach seiner VfB-Zeit in Japan spielte, rief er mich an: "Trainer, ich laufe immer noch." Solche Erlebnisse sind die schönsten.