Von wegen Big Four! In der Premier League kämpfen die Top 6 um Meisterschaft und Champions-League-Plätze: Chelsea, Manchester United, Arsenal, Tottenham, Liverpool und Manchester City. Raphael Honigstein nimmt die Klubs vor dem Saisonstart unter die Lupe.
Jahrelang bestimmten die Big Four (Arsenal, Chelsea, Manchester United und Liverpool) das Geschehen in der Premier League so exklusiv, dass eigentlich das britische Kartellamt hätte einschreiten müssen.Doch seit die Öl-Pipeline von Abu Dhabi genau unter den Eastlands von Manchester City verläuft und die Spurs auch trotz der vielen "interessanten" Deals von Trainer Harry Redknapp eine schlagkräftige Truppe zusammen bekommen haben, wurde das Quartett um zwei neue, echte Mitspieler erweitert.
Die "Top 6" werden das Rennen um Meisterschaft und Champions-League-Plätze ab Samstag mit dem Kracher Tottenham gegen ManCity (13.45 Uhr im LIVE-Ticker und auf Sky) garantiert unter sich ausmachen - falls der indische Millionär Ahasan Ali Syed nicht noch rechtzeitig die Blackburn Rovers übernimmt und gleich den nächsten Spitzenverein aus dem Boden stampft.
Hier ist sie also, die Saisonvorschau für die besten Teams der Insel.
Tabellenrechner: Jetzt den Meister in England bestimmen!
Chelsea
GettyWas ist bisher passiert? Der Double-Gewinner spielte eine miserable Vorbereitung: vier Spiele in Folge gingen verloren. Man hat dafür neue Ausgehanzüge von Dolce & Gabana bekommen - und ein neues, etwas dürres Mannequin. Jossi Benayoun kam für 6,6 Millionen Euro, um an der Stamford Bridge der neue Joe Cole zu werden. "Jossi ist anders als Joe, ein sehr intelligenter und taktisch guter Spieler", sagte Carlo Ancelotti zur Begründung. "Coley" wird es mit Freude gehört haben.WM-Teilnehmer Ramires soll zudem von Benfica kommen. Der 22-Millionen-Wechsel ist im Grunde schon vollzogen, nur mit der Arbeitserlaubnis hapert es derzeit noch. Aktuell berichten brasilianische Medien, dass es mit Sturmtalent Neymar (Santos) den nächsten Südamerikaner an die Themse zieht.
Spielmacher Deco kehrt im Gegenzug in seine Heimat zu Fluminense zurück. Außerdem ist Michael "der Büffel" Essien wieder einsatzbereit. Die Mannschaft steht insgesamt jünger und etwas leichtfüßiger da. Die Frage wird sein, ob Ancelotti ihr einen wirklich neuen Stil verpassen kann oder letztlich doch am bewährten Kraftfußball festhält.
Was müsste noch passieren? In der Innenverteidigung ist man nach dem Wechsel von Ricardo Carvalho zu Real Madrid etwas dünn besetzt, da Branislav Ivanovic in der Vergangenheit oft für den verletzten Jose Bosingwa aushelfen musste. Der Portugiese steht laut Ancelotti genau wie Torhüter Petr Cech jedoch kurz vor seinem Comeback.
Nicolas Anelka, der bis zur vollständigen Genesung von Didier Drogba (Leisten-OP) wichtigste Stürmer, sollte allmählich wieder seinen Dienst antreten und gedanklich von "Les Bleus" auf "The Blues" umschalten: in der Vorbereitung schlich er so lustlos über den Platz, als ob Raymond Domenech auf der Chelsea sitzen würde.
Shooting-Star der Saison: Neymar - falls der Wechsel tatsächlich klappt. Ansonsten wird Essien die Welt daran erinnern, wie sagenhaft gut er ist.
Prognose: Mit den neuen Brasilianern stärker als im Vorjahr, da flexibler. Ein im Vergleich einfaches Auftaktprogramm in der Liga hilft. Der Umbruch wird aber nicht ohne Rückschläge gelingen. Kopf an Kopf mit United geht es um Platz eins.
Manchester United
GettyWas ist bisher passiert? Wayne Rooney wurde mit Fluppe im Mund spätnachts vor einem Pub erwischt, zielsicher bewässerte der seit "Benjamin Button" älteste 24-Jährige der Welt dort eine Mülltonne. Auf dem Platz läuft es bisher leider noch nicht so flüssig: Rooney konnte in der Vorbereitung noch kein Tor erzielen. "Er braucht Spiele", sagte Englands Nationaltrainer Fabio Capello. Rio Ferdinand hat immer noch Rücken, weshalb der durchaus wechselwillige Nemanja Vidic einen neuen, besser dotierten Vertrag bekommen hat.Alex Ferguson hat den Tabellenzweiten der abgelaufenen Spielzeit ansonsten mit drei Talenten verstärkt. Vom FC Fulham kam Verteidiger Chris Smalling, dazu der mexikanische Stürmer Javier Hernandez (Guadalajara). Am Mittwoch wurde überraschend Tiago Manuel Dias Correia alias Bebe von Vitoria de Guimaraes verpflichtet. Laut englischen Medienberichten hat der 20-jährige Angreifer neun Millionen Euro gekostet.
Eine sehr stattliche Summe für einen Mann, der erst im Mai zum Nulltarif vom Drittligisten Estrela da Amadora ins portugiesische Oberhaus gewechselt war. Harry Redknapp wäre stolz auf so einen Transfer gewesen. Im Sturm hat Ferguson nun ein echtes Überangebot, weil auch Michael Owen wieder fit ist. Dimitar Berbatow steht dem Vernehmen nach zum Verkauf, doch die Nachfrage hält sich angesichts des hohen Gehalts stark in Grenzen.
Was müsste noch passieren? Ein zentraler, offensiver Mittelfeldspieler stünde der Mannschaft gut zu Gesicht. Veteran Paul Scholes, der im November 36 wird, ist mitunter zwar noch immer brillant, wird aber kaum die ganze Saison lang halten. Der vielerorts als Nachfolger gehandelte Mesut Özil steht bei United tatsächlich auf der Liste, doch ein konkretes Angebot hat man Werder bisher nicht unterbreitet.
Shooting-Star der Saison: Hernandez. "Chicharito", die kleine Erbse, hat im Community Shield bereits eines der kuriosesten Tore der Saison geschossen (der Ball prallte ihm vom Fuß an den Kopf) und dürfte gerade in Heimspielen viel Einsatzzeit bekommen. Zehn Saisontore und ein neuer Kampfname - vielleicht Chicharo Grande, die große Erbse? - sind nicht illusorisch.
Prognose: United ist mit Chelsea wieder der absolute Topkandidat und kann sich den Titel ohne weiteres zurückholen - vorausgesetzt "the player formerly known as Wayne Rooney" (die Gazzetta dello Sport in ihrem Spielbericht von England vs. Ungarn) macht endlich wieder die Gegner, nicht die städtischen Abfallbehälter nass.
Arsenal
GettyWas ist bisher passiert? Cesc Fabregas konnte gegen seinen Willen in Nord-London (fest)gehalten werden. "Ich werde die Entscheidung von Arsenal akzeptieren und mich 100 Prozent auf meine Aufgabe konzentrieren", sagte der Spanier. Zugleich bat der 23-Jährige die Fans der Gunners - und alle Freunde der korrekten Grammatik - um Verständnis: "Ich kann nicht verneinen, dass Barcelona keine attraktive Option für mich war", gab der Mittelfeldspieler zu.Arsene Wenger vertraut im Großen und Ganzen wie immer seinen eigenen Talenten. Gekauft wurden ein neuer, polnisch-französischer Innenverteidiger (Laurent Koscielny, Guingamp) und der Stürmer Marouan Chamakh.
Was müsste noch passieren? Ein Torhüter von echtem Premier-League-Format tut weiter dringend Not. Der 37-jährige Mark Schwarzer soll nun als Übergangslösung vom FC Fulham kommen. Die Rufe nach einem erfahrenen Mann an der Seite von Cesc werden so schnell auch nicht verstummen.
Shooting-Star(s) der Saison: Linksverteidiger Kieran Gibbs steht vor einer großen Saison. Chamakh, der auf Konter und Kopfbälle spezialisierte Marokkaner, dürfte ebenfalls gut zur Geltung kommen.
Prognose: Arsenal will nicht sechs Jahre lang ohne Zählbares dastehen und wird sich deswegen verstärkt auf den FA-Pokal konzentrieren. In der Liga sind Chelsea und United den Gunners noch immer ein gutes Stück voraus. Platz drei wäre in Wengers Augen auch akzeptabel.
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Spurs
GettyWas ist bisher passiert? Bis auf ein amouröses Abenteuer von Peter Crouch mit einer Prostituierten auf der Rückbank eines spanischen Taxis erstaunlich wenig. Ein Sommer ohne Transfers ist für Harry Redknapp normalerweise undenkbar, aber bei Tottenham wird trotz Champions-League-Teilnahme fürs Erste gespart.Diese Woche wurde der französische Spielerberater von William Gallas an der White Hart Lane gesichtet. Der 32-Jährige ist derzeit vereinslos und könnte nach Chelsea und Arsenal für den dritten Londoner Verein in seiner Karriere spielen.
Das Dilemma für die Nord-Londoner ist, dass erst nach den Qualifikationsspielen gegen Young Boys Bern endgültige Planungssicherheit besteht und außerdem die Gehaltsstruktur des Kaders namhafte Verstärkungen erschwert: bei den Spurs verdient bisher niemand mehr als 4,2 Millionen Euro im Jahr. Immerhin kehrten die zuvor ausgeliehenen Offensivkräfte Giovanni Dos Santos und Robbie Keane in guter Frühform zurück.
Was müsste noch passieren? Ein - wenn möglich nicht unbedingt niederländischer - Wunderheiler sollte dringend das Zaubermittel gegen Ledley Kings chronische Knieprobleme finden. Darüber hinaus drückt nirgends ernsthaft der Schuh.
Shooting-Star der Saison: "Broadway" Danny Rose, dem 20-jährigen Mittelfeldspieler, sagen auf der Insel viele eine glorreiche Zukunft voraus, auch wenn ihm nicht in jeder Partie Traumtore wie bei seinem Debüt (2:1 gegen Arsenal) im April gelingen werden.
Prognose: Die Doppelbelastung durch die Champions League müssen die auf diesem Niveau unerfahrene Truppe und auch ihr Trainer erst einmal wegstecken. Ein Platz unter den ersten Sechs wäre in Ordnung.
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Liverpool
GettyWas ist bisher passiert? Chinesen übernehmen den hoch verschuldeten Verein. Nein, ein Syrer. Nein, Saudis. Quatsch, es sind Kuwaitis. Oder doch ein Hedge-Fonds aus New York? Die auf Druck der Banken forcierten Verkaufsverhandlungen des Klubs haben zwar jede Menge wilde Schlagzeilen, aber noch kein vernünftiges Angebot eingebracht. Der neue Trainer Roy Hodgson muss so vorerst ohne neue Investitionen anfangen.Offensiv-Allrounder Milan Jovanovic kam von Standard Lüttich, um das Angriffsspiel weniger statisch zu machen. Von Juventus wurde der Ex-Schalker Grätschmeister Christian Poulsen geholt; der Benayoun-Ersatz ist der Mann, den Benayoun in Chelsea ersetzt: Joe Cole. Das dürfte es für die Reds gewesen sein. Javier Mascherano (Barcelona, Inter) wird wohl noch abgegeben. Steven Gerrard und Fernando Torres bleiben zum Glück da.
Was sollte noch passieren? Eine Übernahme bis zum Oktober würde vieles leichter machen, dann müssten die Eigentümer Tom Hicks und George Gillett ein Darlehen über 320 Millionen Euro zurückzahlen. Im ungünstigsten Fall würde Liverpool dann in den Besitz der verstaatlichen Royal Bank of Scotland fallen.
Shooting-Star der Saison: Trainer Hodgson mag erfahrene Spieler lieber als Talente, deswegen wird wahrscheinlich er selbst am ehesten der neue Stern bei den Roten.
Prognose: Hodgson stabilisiert das Team, das nach dem Abschied des zuletzt ungeliebten Trainers Rafael Benitez deutlich entspannter spielt. Gerrard läuft wieder zu alter Form auf, trotzdem reicht es nicht ganz zu einem Champions-League-Platz.
Manchester City
GettyWas ist bisher passiert? Bevor in zwei Jahren die "Financial Fairplay"-Richtlinien der UEFA greifen, schreiben sich die Scheichs im Scheckbuch noch schnell die Finger wund. Für Aleksandar Kolarov (Lazio), Yaya Toure (Barcelona), David Silva (Valencia) und Jerome Boateng (Hamburg) wurden 91 Millionen Euro ausgegeben, der eine oder andere Spieler wie James Milner (Aston Villa) soll noch dazu kommen.Auf Grund der neuen 25-Mann-Kader-Regel der Premier League müssen die Hellblauen aber auch Spieler abgeben, was bereits für Reibereien sorgt. Skandalnudel Craig Bellamy wurde nicht für die Europa League nominiert und beschwerte sich darauf, dass Roberto Mancini "seit Februar" nicht mit ihm geredet hätte.
Was müsste noch passieren? Robinho, die zweite Diva im Kader, ist zurück in Manchester, soll aber verkauft werden. Angeblich ist Schalke an dem 25-Millionen-Euro-Brasilianer interessiert, doch knapp zehn Millionen Euro Jahresgehalt für den Brasilianer dürften doch etwas zu viel sein.
Mancini muss die seit 2007 schon zum vierten Mal völlig neu formierte Mannschaft irgendwie dazu bringen, auch als solche zu spielen. Geschäftsführer Gary Cook steht ebenfals vor einer großen Herausforderung: er muss seinen Spitznamen "Santa Claus" in der Branche loswerden, bevor in Abu Dhabi das schwarze Gold doch noch knapp wird.
Shooting-Star der Saison: Weltmeister David Silva ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt, nun aber auf dem Sprung zur echten Weltklasse.
Prognose: Endlose Trainerdiskussionen nach jedem unglücklichen 1:1. Jürgen Klinsmann, Lothar Matthäus, Martin O'Neill und Peter Neururer bringen sich als Nachfolgekandidaten ins Spiel. Mancini führt die Truppe mit Ach und Krach ins Gelobte Land (Platz vier), muss aber genau wie Moses abdanken, bevor es im Sommer tatsächlich darauf in der Königsklasse losgeht.