In den Händen eines Ahnungslosen

Florian Bogner
02. Juni 200909:00
Florentino Perez war bereits von 2000 bis 2006 Real-Präsident - und ist es seit dem 1. Juni wiederImago
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Reals neuer alter Präsident Florentino Perez will Madrid zum besten Klub des 21. Jahrhunderts machen. Ob er aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, bleibt jedoch abzuwarten. Seine Antrittsversprechen strotzen jedenfalls vor Selbstvertrauen.

Florentino Perez also. Der neue Präsident von Real Madrid ist der alte. Ein Milliardär, dem man in seiner ersten Amtszeit (2000 bis 2006) wenig Ahnung von Fußball und sehr viel Ahnung von Zahlen nachsagte. Ein Mann, der einst Superstars wie Luis Figo, Zinedine Zidane und David Beckham nach Madrid holte, auf der anderen Seite Abwehrspieler stets nur als notwendiges Übel einer Fußballmannschaft ansah. Dieser Mann soll nun nicht weniger tun, als Real wieder an Europas Spitze zu führen.

Am Montag wurde Perez in Madrid vorgestellt - inmitten aller grauen Eminenzen, die Real zu bieten hatte. Alfredo di Stefano war Perez' Lieblingspartner auf den Antrittsfotos. Mit im Gepäck hat der 62-Jährige gleich einen neuen Trainer, ein neues Vorstandsteam und jede Menge Kampfansagen, die bereits erahnen lassen, mit welchen Visionen der einst Gescheiterte seine zweite Amtszeit als wohl mächtigster Mann im spanischen Fußball angehen will.

Perez' Ziel: "Der beste Klub des 21. Jahrhunderts"

Sein ehrgeiziges Ziel: Real soll wieder zum besten Klub der Welt werden. "Wir wollen im sportlichen, als auch im wirtschaftlichen und sozialen Bereich wieder Spitze sein", meinte Perez in seiner Antrittsrede. "Real soll der beste Klub des 21. Jahrhunderts werden", verkündete er ehrgeizig.

Ein paar alte Weggefährten sollen dem Bauunternehmer, der im März vom "Forbes"-Magazin mit einem geschätzten Vermögen von 1,8 Milliarden Dollar auf Platz 397 der reichsten Menschen der Welt geführt wurde, dabei helfen. Der argentinische Ex-Weltmeister Jorge Valdano wird als Geschäftsführer wieder in den Klub integriert, Ex-Profi Michel Pardeza firmiert als neuer Sportdirektor und Zinedine Zidane bekommt einen Posten als Berater des Präsidenten, der viel Raum für Interpretationen lässt.

Dazu ist die erste Verpflichtung im sportlichen Bereich bereits fix: Manuel Pellegrini soll am Dienstag als neuer Trainer vorgestellt werden. Der bisherige Villarreal-Coach wechselt für vier Millionen Euro in die Hauptstadt - Geld, das Perez in der Porto-Kasse hat. Pellegrini soll einen Zweijahresvertrag unterschreiben und wird bei weitem nicht der letzte Neuzugang gewesen sein.

Kaka als Antrittsgeschenk

Schon in seiner ersten Amtszeit pflegte Perez den Kader nach dem Prinzip "Zidanes y Pavones" zu besetzen. Soll heißen: Auf der einen Seite Superstars wie Zidane oder Figo, auf der anderen Spieler aus der Talentschmiede, der "Cantera". "Wir werden eine wirklich spektakuläre Mannschaft aufbauen. Es gehört zur Tradition von Real, dass die besten Fußballer der Welt für unseren Verein spielen. Dazu erhält unsere Jugendabteilung wieder die Beachtung, die sie verdient hat", hatte Perez bereits am vergangenen Freitag versprochen.

Man wolle einen echten Kraftakt vollbringen, um "die verlorenen drei Jahre" so schnell wie möglich wieder aufzuholen. "Dafür bedarf es einer enormen Investition, die wir bereit sind zu tätigen, um diesen Verein wieder an die Spitze zu führen", so Perez. "Manchester, Chelsea oder Barcelona sind uns davon geeilt, mit diesen werden wir uns wieder messen. Real ist Teil des Weltkulturerbes."

Als Antrittsgeschenk wird Perez in den nächsten Tagen einen echten "Kracher" präsentieren. Vieles deutet darauf hin, dass es Kaka vom AC Mailand sein wird. 65 Millionen Euro Ablöse und ein Fünfjahresvertrag stehen im Raum. Perez hatte bereits angedeutet, dass er sich mit Milan-Boss Adriano Galliani einig ist. Glaubt man dem italienischen Spielerberater Ernesto Bronzetti, ist das erst der Anfang. Laut Bronzetti hat Perez eine ellenlange Einkaufsliste - und dafür insgesamt 250 Millionen Euro zur Hand.

250 Millionen - wer kommt noch?

"Auf dieser Liste stehen auch Spieler wie Zlatan Ibrahimovic, Franck Ribery und Cristiano Ronaldo", plauderte Bronzetti in italienischen Medien aus und ließ in einem Nebensatz fallen, dass Real mit Ronaldo bereits einen Vorvertrag geschlossen habe. Dazu werden die spanischen Nationalspieler Xabi Alonso (FC Liverpool) und David Villa (FC Valencia) gehandelt.

In erster Linie sind es freilich nur Gerüchte. Stehen Gerüchte aber in Zusammenhang mit dem Namen Perez, wurde es früher meistens ernst. Kein anderer Vereinsboss ging in der Zeit zwischen 2000 und 2006 so aggressiv auf dem Transfermarkt zu Werke. Und wenn Perez und Real lockten, wurden alle schwach. Die Frage sei erlaubt: Warum soll das nun anders laufen?

Zumal Perez von seinem "Ich-kaufe-alles-auf-was-nicht-festgewachsen-ist"-Stil nach wie vor felsenfest überzeugt ist. In einem Interview mit der "Times" machte er der Nachfolger-Führung um Ramon Calderon schwere Vorwürfe, man hätte seinen Weg niemals verlassen dürfen.

Der Fall Makelele

"Madrid hätte vor zwei Jahren Cristiano Ronaldo als Beckham-Ersatz holen müssen", klagte er an und zielte damit weniger auf die sportliche als auf die wirtschaftliche Komponente ab. Seine Philosophie sei stets gewesen, mit Mega-Transfers die Einnahmen des Vereins zu steigern. "Mit Beckhams Kauf haben wir damals den Klub gerettet. Wir haben in großartige Spieler investiert und damit unsere Schulden abbezahlen können, weil wir mit ihnen unsere Sponsorengelder erhöht haben. Das Modell funktionierte gut", sagte Perez.

Was Perez dabei allerdings übersah, war, dass die Mannschaft mit all den Stars ihr Gleichgewicht verloren hatte. Den defensiven Mittelfeldspieler Claude Makelele 2003 zum FC Chelsea ziehen zu lassen, rechnet man Perez bis heute als schlimmen Fehler an. Perez hatte damals getönt: "Er spielt den Ball immer nur zur Seite oder nach hinten. Wir brauchen ihn nicht."

Verteidiger Roberto Carlos war damals entsetzt. "Wir haben keine Abwehrspieler und lassen jetzt den defensiven Mittelfeldspieler ziehen? Das ist, wie wenn wir den Mount Everest in kurzen Hosen und T-Shirt besteigen wollen", so sein Kommentar. Makelele meint heute nur: "Er hat mich ziehen lassen, weil ich keine Trikots verkauft habe."

"Der Typ hat keine Ahnung vom Fußball"

Perez' mangelnder Sachverstand handelte ihm durchaus auch Rüffel aus der Fußballszene ein. Ex-Sportdirektor Arrigo Sacchi gab ihm damals den freundschaftlichen Rat, sich auf seine Präsidentschaft zu konzentrieren und das Sportliche andere regeln zu lassen. Johan Cruyff war nicht so diplomatisch, als er sagte: "Der Typ hat absolut keine Ahnung vom Fußball."

Neben einigen wirklichen Verstärkungen (Figo, Zidane, Ronaldo) hatte Perez in seiner ersten Amtszeit auch viel Geld für richtige Flops verbraten. Michael Owen, Jonathan Woodgate und Antonio Cassano seien hier als Beispiel genannt. Darüber spricht Perez nur ungern.

Nur allzu verständlich, dass sich Nachfolger/Vorgänger Ramon Calderon vor einigen Monaten fürchterlich aufregte, als sich Perez im Stadion mit Zidane ablichten ließ. "Perez sollte sich mal neben einem Spieler ablichten lassen, der aus Madrid vier Milliarden Peseten (24 Millionen Euro, Anm. d. Red.) mitnahm, die Geburtenrate gesteigert und die Prostitution belebt hat", meinte Calderon auf Cassano gemünzt.

Mehr Teamwork als Größenwahn

Vielleicht hat Perez ja aus seiner ersten Amtszeit gelernt. Mit Valdano hat er jedenfalls einen erfahrenen, mit Zidane einen einflussreichen Mann an der Seite. Und Pellegrini gilt auf der Halbinsel als "Arsene Wenger Spaniens", der bei Villarreal stets die richtige Mischung aus alten und jungen Spielern fand.

Perez Antrittsversprechen klingen jedenfalls eher nach Teamwork als nach größenwahnsinnigen Alleingängen. "Wir sind hier, weil wir Madrid lieben und weil wir wissen, was in dieser schwierigen Situation zu tun ist. Wir werden hart dafür arbeiten, um Real Madrid wieder in die Position zu bringen, die es nie verlassen hätte dürfen. Real ist die wichtigste Sport-Einrichtung der Welt."

Er stellte jedoch auch klar: "Der Sieg alleine wird uns Madridistas niemals genug sein. Wir wollen begeisternd und überzeugend gewinnen. Unser größtes Ziel ist es die Faszination wieder zurückkehren zu lassen."

Real stellt die Weichen: Perez neuer Präsident - Pellegrini neuer Coach