Yasin Öztekin spielte quasi sein Leben lang für Borussia Dortmund. Da er beim BVB den Durchbruch aber nicht schaffte, zog es den 23-Jährigen in der Winterpause zu Genclerbirligi in die Türkei. Im Interview spricht Öztekin über seinen Neustart in Ankara, ein verkorkstes Probetraining in England und erklärt die Gründe, warum es in Dortmund nicht für ihn gereicht hat.
SPOX: Herr Öztekin, waren Sie schon beim Teetrinken im Mehlwerk Ihres Präsidenten Ilhan Cavcav? Thomas Doll musste dort jeden Dienstag hin.
Yasin Öztekin: Ja, ich war dort, als ich den Vertrag unterschrieben habe. Ich sehe ihn auch jeden Tag, da ich am Trainingsgelände wohne und er dort immer vorbeischaut. Er hält auch vor jedem Spiel eine Ansprache an die Mannschaft.
SPOX: Vor knapp zwei Jahren sagten Sie in einem Interview, dass ein Wechsel in die Türkei für Sie nicht in Frage käme. Wieso haben Sie sich nun anders entschieden?
Öztekin: Kollegen und Freunde haben mir erzählt, dass Fußball in der Türkei einfach eine andere Welt sei. Daraus hat sich bei mir damals so etwas wie eine Berührungsangst mit dem türkischen Fußball entwickelt. Mit der Zeit hat sich das aber verändert, da ich als Spieler professioneller und als Person reifer wurde. Ich hatte allerdings auch kein Angebot aus Deutschland, das mich besonders gereizt hätte.
SPOX: Wie ist der Kontakt mit Genclerbirligi zustande gekommen? Mit Ralf Zumdick ist ein alter Bekannter dort ja Trainer.
Öztekin: Mehmet Akgün, der früher mit mir in Dortmund gekickt hat und jetzt auch bei Genclerbirligi spielt, hat mir gesagt, dass der Verein an mir interessiert sei. Herr Zumdick hat mich daraufhin angerufen. Letztlich ging das dann sehr schnell über die Bühne.
SPOX: Was haben Sie denn vor Ihrem Wechsel über Genclerbirligi gewusst?
Öztekin: Ich habe mich in Deutschland immer per türkisches Fernsehen informiert und wusste daher gut Bescheid. Vor ein paar Jahren war der Verein richtig im Aufwind, derzeit läuft es leider nicht ganz so gut. Das ist ein grundsolider Klub, der seit über 30 Jahren in der ersten Liga spielt.
SPOX: Bei Genclerbirligi herrscht ein relativ hohes Spieleraufkommen, es gibt verhältnismäßig viele Wechsel in diesem Verein. Haben Sie diesbezüglich irgendwelche Befürchtungen für sich?
Öztekin: Mir ist bewusst, dass sich in der Türkei von der einen auf die andere Woche vieles verändern kann. Hier kann alles passieren. Das Training ist auch anders, deutlich lockerer und nicht so diszipliniert wie in Deutschland.
SPOX: Auch das Fanaufkommen bei Ihrem neuen Verein ist anders und gelinde gesagt extrem gering. In Ihrer Zeit beim BVB waren Sie da das Gegenteil gewohnt. Woran liegt das?
Öztekin: Es gibt hier in Ankara mit Ankaragücü noch einen zweiten Erstligaverein, der im gleichen Stadion spielt. Die Leute, die zu Genclerbirligi halten, sind schon interessiert, kommen aber irgendwie nicht ins Stadion. Vielleicht ist es denen zu kalt. Die schauen lieber zu Hause im Fernsehen zu. Mir wurde aber gesagt, dass das Stadion im Sommer zumindest halb voll ist.
SPOX: Als Serkan Calik 2007 von Deutschland in die Türkei zu Galatasaray wechselte, rang er bei seiner Antritts-PK nach den richtigen türkischen Worten. Wie ist das bei Ihnen?
Öztekin: Der Witz ist, dass sich das Türkisch in Deutschland sehr stark von dem hier in der Türkei unterscheidet. In Deutschland ist es weniger perfekt und akkurat. Daher habe ich natürlich auch noch Probleme, alles zu verstehen. Zuletzt hatte ich selbst beim türkischen Wort für "Schuh" Schwierigkeiten. Aber es wird. (lacht)
SPOX: Wie schwer fiel es Ihnen eigentlich, den BVB, für den Sie seit der E-Jugend gespielt haben, zu verlassen?
Öztekin: Das war schon sehr schwer. Dortmund war mein Leben. Ich habe dort alles probiert und mich sehr angestrengt. Leider habe ich nie eine echte Chance bekommen. Ich bin jetzt aber 23 und musste mich entscheiden, wie es weitergehen soll. Ich hatte keine andere Wahl.
SPOX: Ihr Vertrag in Dortmund wäre im kommenden Sommer ausgelaufen. Wann hat man Sie darüber informiert, dass man nicht mehr mit Ihnen plant?
Öztekin: Mein Problem war, dass ich mir Ende 2009 genau zu dem Zeitpunkt einen Haarriss im Schienbein zugezogen habe, an dem meine Chancen so groß wie nie waren, in der Profimannschaft richtig Fuß zu fassen. Als ich verletzt war und die Mannschaft immer besser wurde, war mir klar, dass es für mich nicht mehr so sein wird zuvor. Mir hat zwar keiner gesagt, dass ich keine Chance mehr haben würde, aber so etwas sieht man ja.
SPOX: Welche Gründe wurden Ihnen dafür genannt, dass Sie wieder in den Regionallligakader rücken müssen?
Öztekin: Nach meiner Verletzung hatte ich ein Gespräch mit Jürgen Klopp. Er meinte, dass es für mich nun schwerer geworden ist, auch weil die Mannschaft einen richtigen Lauf hatte. Ich sollte mich im Regionallligateam wieder für die Profis empfehlen.
SPOX: Das hat ja auch geklappt.
Öztekin: Das stimmt. Aber eine Chance, mich zu zeigen, habe ich dennoch nie bekommen. Es wurden immer die gleichen Spieler eingewechselt. Mir hätten fünf Minuten fürs Erste schon gereicht. Fünf Minuten wären für mich so wie 90 für andere gewesen.
SPOX: Inwiefern hatten Sie zuletzt Probleme, sich für das Regionalligateam zu motivieren?
Öztekin: Das war schon nicht ganz einfach. Wenn man zwei Jahre bei den Profis mittrainiert, etliche Freundschaftsspiele absolvieren darf und so dicht vor seinen ersten Einsätzen in der Bundesliga steht, dann hat jeder Spieler Motivationsprobleme. Letztlich muss ich ehrlich zugeben, dass es mir an der nötigen Konzentration mangelte und ich schlicht und einfach keine Lust mehr hatte, dort zu trainieren. Ich fühlte mich vernachlässigt.
SPOX: Dortmund versucht es unter Klopp mit sehr jungen Spielern, deren Charakterstärke immer wieder betont wird. Da Sie keine Rolle gespielt haben: Sind Sie charakterschwach?
Öztekin: Es kann sein, dass ich vielleicht ein paar Dinge falsch gemacht habe. Möglich, dass ich mich auch mal zu laut beschwert habe, weil ich nicht zum Zuge kam. Da sprach aber meist der Frust aus mir. Jeder hat ein Ziel im Leben, das er aus ganzem Herzen verwirklichen möchte. Ich habe nie eine Chance bekommen, andere aber schon.
SPOX: Kurz vor Ihrem Wechsel haben Sie wieder regelmäßig bei den Profis trainiert. Welche Beziehung hatten Sie in dieser Zeit zu Klopp?
Öztekin: Ich habe mich bei den Profis sehr zurückgehalten und wenig gesprochen. Ich bin auch nie auf den Trainer zugegangen und habe ihn gefragt, was ich besser machen soll. Das hat er schon selbst gemacht. Aber vielleicht war das auch nicht unbedingt der richtige Weg. Ich bin allerdings irgendwie nicht der Typ, der ständig dem Trainer im Ohr hängt. Das habe ich noch nie gemacht.
SPOX: Welche Ratschläge gab Ihnen Klopp denn?
Öztekin: Er meinte, dass ich mehr beißen, defensiv stärker werden und mich noch mehr an das höhere Tempo gewöhnen müsse. Daran habe ich gearbeitet. Er sagte auch, dass er noch nie einen besseren Allrounder gesehen hat als mich. Klopp ist dann eines Tages auf mich zugekommen und hat gesagt, dass ich ihm alles bewiesen habe und ich das Zeug zu einem richtig guten Bundesligaspieler habe.
SPOX: Gibt es etwas, was Sie ihm konkret vorwerfen?
Öztekin: Seine Aussage, dass ich nun bereit zu einem guten Bundesligaspieler sei, es aber nicht in die Tat umgesetzt wurde. Ich würde schon gerne wissen, warum andere früher und öfter ihre Chance bekommen haben und ich nicht. Ich weiß einfach nicht, warum ich es ihm nie zeigen durfte. Das wird für mich immer ein Fragezeichen bleiben.
SPOX: Warum haben Sie ihn denn nicht einfach danach gefragt?
Öztekin: Als er mich zu den Amateuren geschickt hat, habe ich das letzte Mal mit ihm gesprochen. Ich habe ihm deutlich gemacht, dass ich nicht bei den Amateuren trainieren möchte. Die trainieren da manchmal nur mit acht, neun Mann. Das bedeutete für mich ein Rückschritt. Er meinte aber, dass ich mich dort wieder zeigen soll und er mich in der vergangenen Winterpause wieder zu den Profis holen würde.
SPOX: Sie haben sich ja auch zwischenzeitlich immer wieder umgesehen und beispielsweise im letzten Sommer ein mehrtägiges Probetraining bei Leeds United absolviert. Wieso hat der Wechsel nicht geklappt?
Öztekin: Das war schade, dort lief es eigentlich sehr gut für mich. Leider konnte ich mich nur im Training zeigen, da ich keine Spielgenehmigung für ein Freundschaftsspiel bekommen habe. Wir haben dann ein vereinsinternes Match unter den Augen der Trainer und Manager gemacht. Das wurde 4:1 gewonnen, ich habe zwei Tore gemacht und eines vorbereitet.
SPOX: Scheinbar zu wenig für einen Vertrag dort.
Öztekin: Mir wurde gesagt, dass sie mich anrufen werden, ich dann wieder nach England fliegen soll und den Vertrag unterschreiben kann. Ich habe mir das auch wirklich vorstellen können und hatte ein richtig gutes Gefühl. Letztlich haben sie meinen Berater angerufen und gesagt, dass es nicht klappt. Der Trainer hat sich für einen Spieler entschieden, der bei dem Testkick eine einzige Katastrophe war.
Yasin Öztekin im Steckbrief