Cenk Tosun wechselte still und leise in der Winterpause von Eintracht Frankfurt zu Gaziantepspor in die Türkei. Der junge Stürmer ist nur wenige Wochen nach seinem Wechsel einer der begehrtesten Spieler der Süper Lig. Tosuns Höhenflug ist nicht unbegründet. Sein größter Fan ist Guus Hiddink.
Saban hat ein trostloses Leben. Der notorische Tollpatsch ist Hausdiener der Familie Telliogullari. Weil er eigentlich ein lieber Kerl ist, haben die Telliogullaris nie daran gedacht, den faulen Saban vor die Tür zu setzen. Zumal die Familie andere Sorgen hat: Seit Jahrzehnten wollen sie "Yesil Vadi", das grüne Tal, erwerben und kämpfen dabei gegen ihre Erzfeinde: Familie Seferogullari.
Um sich einen kleinen Vorteil zu verschaffen, hat Lütfü Telliogullari, der größte Sohn der Familie, eine blendende Idee: Saban ist ab sofort Tosun Pascha, der gefürchtete und blutrünstige Pascha aus Kairo, von dem sich alle fürchten. Saban, ein Typ wie hierzulande Otto Waalkes, vemasselt natürlich alles und ist am Ende wie immer der Buhmann.
"Tosun Pascha" ist der Lieblingsfilm der Türken. Hunderte Wiederholungen wurden seit 1976 ausgestrahlt, jedes Mal registrieren die TV-Sender riesige Einschaltquoten.
Von der Randfigur zum Hoffnungsträger
Seit Anfang dieses Jahres haben die Türken einen neuen Tosun Pascha. Und dieser ist nicht einmal ein Fake. "Tosun Pascha ist wieder da", titeln die türkischen Gazzetten. Gemeint ist nicht etwa Saban, sondern Cenk Tosun. Der 19 Jahre alte Stürmer wechselte in der Winterpause für 550.000 Euro von Eintracht Frankfurt zu Gaziantepspor.
War Tosun anfangs im Schatten der Wintertransfers von Besiktas, das mit Simao, Almeida und Fernandes drei Portugiesen holte, eher eine Randfigur, ist der Youngster drei Wochen später schon der neuen Hoffnungsträger des türkischen Fußballs. Vier Tore erzielte er in vier Pflichtspielen für seinen neuen Klub.
"Seine Auftritte überraschen mich nicht. Vielmehr überraschte mich, dass der Junge bei Eintracht Frankfurt keine Chance bekommen hat", sagt Erdal Keser gegenüber SPOX. Der Leiter des Europa-Büros der türkischen Fußballverbandes verfolgt den Tosuns Werdegang schon seit Jahren. Was Keser aktuell sieht, ist beeindruckend.
Keine Perspektive in Frankfurt
Tosun, der als Vorbild Zlatan Ibrahimovic angibt, ähnelt seinem Idol in der Spielweise durchaus: Technisch stark, aber auch physisch sehr präsent und als zentraler Fixpunkt in der Sturmspitze immer zur Stelle.
In Frankfurt galt er jahrelang als der kommende Mann, doch Michael Skibbe konnte ihm bei namhafter Konkurrenz wie Theofanis Gekas, Ioannis Amanatidis, Martin Fenin und Halil Altintop keine Perspektive aufzeigen. Folglich wollte die Eintracht Tosun keine Steine in den Weg legen.
Tosuns Debüt im Trikot Gaziantepspors war ein echter Showdown: Im Hinspiel des türkischen Pokal-Achtelfinals gegen Galatasaray schoss Tosun zwei sehenswerte Tore. Pikant: Galatasaray galt lange Zeit als neuer Klub des jungen Stürmers, mit Eintracht Frankfurt war der UEFA-Pokalsieger 2000 schon einig. Die Rechnung machten sie aber ohne Tosun: "Das Angebot von Galatasaray hat mich sehr geehrt, aber ich habe abgelehnt."
Kafkas baut Deutsch-Türken auf
Die Entscheidung sorgte in der Türkei für Aufsehen: Selten lehnen Spieler Angebote aus Istanbul ab, um in der anatolischen Provinz zu spielen. Doch Tosun sah höhere Einsatzchancen in Gaziantep als bei Galatasaray. "Die Entscheidung ist beeindruckend. Der Spieler hat sich für die Perspektive entschieden", sagt Tolunay Kafkas. Auch der Trainer von Gaziantepspor spielte bei der Entscheidungsfindung eine Rolle.
Der ehemalige Nationalspieler pflegt beste Kontakte nach Deutschland und lotste in den letzten Jahren immer wieder vielversprechende Deutsch-Türken in die Süper Lig und formte sie zu Nationalspielern: Serdal Kesimal, Ömer Sismanoglu und Hasan-Ali Kaldirim, die er zu Kayserispor holte, sind Kafkas' Vorzeigemodelle.
An der Reihe ist nun Tosun, der viel von seinem Trainer hält: "Er wollte mich schon zu Kayseri holen, aber damals hat der Transfer nicht geklappt. Es war schön zu sehen, wie er sich bemüht hat."
Tosun bleibt aber weiter ein Objekt der Begierde: Nicht (nur) etwa der Großklubs der Süper Lig, die Tosun nach dessen ersten Auftritten sofort auf ihre Wunschliste gesetzt haben. Auch der türkische Verband ist längst hinter Tosun her. Seit der U 15 spielt der gebürtige Wetzlarer für den DFB, aktuell ist er bei der U 21 aktiv. Doch Tosun scheint seine Zukunft in der Türkei zu sehen. "Ich weiß, dass er sein Herz in der Türkei hat", sagt Keser.
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Zusage für die Türkei
Oguz Cetin, Assistent von Nationaltrainer Guus Hiddink, bestätigte am Sonntag bei "LigTV" sogar indirekt schon eine Zusage. "Es ist sehr positiv, dass Cenk Tosun sich für die Süper Lig entschieden hat. Das zeigt, dass er heimatverbunden ist. Es gab sehr positive Gespräche mit ihm. Wir sind zuversichtlich", so Cetin.
Am Freitag gab Tosun nach SPOX-Informationen dem türkischen Verband die Zusage, dass er künftig für die türkische A-Nationalmannschaft spielen wird.
Der Sturm ist Hiddinks größte Baustelle. Es fehlt ein Knipser. In den letzten vier Länderspielen erzielte die Türkei kein Tor.
Möglicherweise wird Hiddink sein neues Juwel für das EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich im März einladen. "Ich kann Gaziantepspor nur dazu gratulieren, dass sie jungen Spielern wie Cenk vertrauen", sagt Hiddink.
Durchgestartet in der Süper Lig, Perspektive als A-Nationalspieler - mit 19 hat Tosun schon viel erreicht. Er gibt sich damit aber nicht zufrieden. "Ich will Gaziantepspor mit meinen Toren zu Erfolgen führen. Und irgendwann will ich bei einem europäischen Spitzenklub spielen." Tosun Pascha. Er ist wieder da.
Gaziantepspor: Der Tosun-Klub im Profil