Erst von Bayern, Juventus und Inter Mailand gejagt - jetzt auch noch die Gold-Medaille: U-17-Star Leon Goretzka gewinnt den wichtigsten Nachwuchs-Award. Zwei Toptalente aus dem Süden jubeln ebenfalls.
Es ist die renommierteste Auszeichnung im deutschen Jugend-Fußball: die Fritz-Walter-Medaille. Jährlich prämiert die Fritz-Walter-Stiftung aus den Jahrgängen U 17, U 18 und U 19 jeweils die drei herausragenden Nachwuchsspieler Deutschlands.
Die Auswahl trifft eine Jury aus Vertretern des DFB-Präsidiums, des DFB-Jugendausschusses und des DFB-Trainerstabes.
In diesem Jahr werden die Talente bei einer Gala im Vorfeld des WM-Qualifikationsspiels der deutschen A-Nationalmannschaft gegen die Färöer am 7. September ausgezeichnet. Und das sind die Gewinner 2012:
U 17
Die letzten drei Gewinner: Emre Can, Timo Horn, Mario Götze
Gold: Leon Goretzka (VfL Bochum)
So reif er sich auf dem Platz gibt, so umsichtig scheint er seine Laufbahn zu planen: "Ich muss erst einmal den nächsten Karriere-Schritt machen und in Bochum Stammspieler werden. Dann sehen wir weiter", sagt er auf jene Fragen, warum er nicht eines der zahlreichen Angebote angenommen hat.
Unter anderem Juventus und Inter Mailand sollen konkret angefragt haben, ebenso der FC Bayern, stattdessen bekannte sich Goretzka zu Bochum. "Über die vielen Angebote, auch von internationalen Klubs, habe ich mich sehr gefreut. Sowas ist eine Anerkennung für gezeigte Leistungen. Ernsthafte Gedanken, jetzt schon zu wechseln, habe ich mir nie gemacht. Ich plane die nächsten Jahre anders."
Entsprechend beglückt sind die Verantwortlichen. "Leon wird der Kopf unserer neuen jungen Elf", sagt VfL-Manager Jens Todt voraus. "Er ist ein Ausnahmespieler, wie ich ihn in der A-Jugend bislang noch nicht hatte", sagt Bochums U-19-Coach und Ex-Nationalspieler Dariusz Wosz. Und Profitrainer Andreas Bergmann garantiert dem 17-Jährigen die ersten Zweitliga-Spiele: "Ich bin sicher, dass er seine Einsätze bekommen wird."
Dass er höchsten Ansprüchen genügt, bewies er unlängst bei der U-17-EM in Slowenien - obwohl nach 28 Siegen in 29 Spielen das Finale gegen die Niederlande unglücklich im Elfmeterschießen verloren ging. Kapitän Goretzka jedenfalls gehörte zu den herausragenden Spielern des Turniers und erzielte als Sechser zwei Treffer, darunter das Halbfinal-Siegtor gegen Polen.
Gerühmt werden seine Offensivstärke (Vorsaison: 17 Tore in 22 Partien der A- und B-Jugend-Bundesliga), seine Zweikampfhärte und insbesondere seine Führungsstärke.
Silber: Max Meyer (FC Schalke 04)
Bei all der Rasanz in seinem Leben soll das nächste Jahr der Nachhaltigkeit gewidmet sein. Nach der phänomenalen Vorsaison ein sinnvolles Vorhaben seines Klubs Schalke, der ihn in der A-Jugend belässt, statt ihn sofort zur U 23 oder sogar zu den Profis hochzuziehen. Denn: Die letzten zwölf Monate verliefen turbulent genug.
In der Hinrunde erwies sich die B-Jugend-Bundesliga West als nicht anspruchsvoll genug für den Spielmacher (11 Tore und 10 Assists in 17 Spielen), dann war er in der Rückrunde seinen drei Jahre älteren Mitspieler der Schalker U 19 behilflich, erstmals seit der Özil-Höwedes-Generation die deutsche A-Jugend-Meisterschaft zu gewinnen (4 Tore und 5 Assists in 11 Spielen). Und: Bei der U-17-EM wurde er als bester Torschütze ausgezeichnet (3 Treffer). Die Aufregung um ihn ist ihm jedoch nicht geheuer: "Der Messi-Vergleich ist mir unangenehm", sagt er im SPOX-Interview.
Bronze: Pascal Itter (1. FC Nürnberg)
Das Vorzeige-Talent der gemeinhin unterschätzten, aber überaus beeindruckenden Nürnberger Nachwuchsarbeit. Obwohl ihn vor sechs Jahren die Bayern und 1860 München verpflichten wollten, war Itter vom Werben des Clubs so beeindruckt, dass er Nürnberg die Zusage gab. Seitdem wird er zum zukünftigen Leistungsträger der Profis aufgebaut. Im FCN-Nachwuchs spielt er auf seiner Lieblingsposition im defensiven Mittelfeld, bei der U-17-EM erwies er sich als gleichfalls zuverlässiger Rechtsverteidiger. Nürnbergs Cheftrainer Dieter Hecking zeigt sich vor allem von der Körpersprache begeistert: "Sie ist imponierend."
U 18
Die letzten drei Gewinner: Julian Draxler, Mario Götze, Marco Terrazzino
Gold: Matthias Ginter (SC Freiburg)
Der beste U-18-Spieler Deutschlands war noch vor wenigen Monaten ein Niemand - was damit zusammenhängen könnte, dass selbst der DFB ihn lange nicht im engeren Blickfeld hatte. Ginter kam erst im Winter 2011 in der U 18 zu seinem ersten Nachwuchsländerspiel. Dabei hatte er schon in der Saison 2010/11 in der A-Jugend-Bundesliga 14 Tore in 25 Spielen erzielt - wohlgemerkt als Defensiv-Allrounder (Innenverteidigung/Sechser).
Es ging erfolgreich weiter: DFB-Junioren-Pokalsieger 2011 und 2012 sowie das Bundesliga-Debüt im Januar 2012, bei dem Ginter den Freiburger 1:0-Siegtreffer gegen Augsburg köpfte. Wie sich herausstellen sollte, war es das vielleicht wichtigste Tor des SC im gesamten Saisonverlauf. Der Lohn: Ginter spielte die letzten zehn Spieltage jeweils 90 Minuten durch und weckte angeblich das Interesse von Juventus.
Silber: Thomas Pledl (SpVgg Greuther Fürth)
Seinetwegen stellte 1860 München seine Nachwuchsarbeit auf den Prüfstand. Die entscheidende Frage: Wie kann es sein, dass sich eines der größten Talente des Klubs nicht ausreichend gefördert fühlt? Und deswegen weggeht? Dass Pledl über eine große Befähigung verfügt, zeigte er in der Vorsaison zur Genüge: Als Ausbund an Vielseitigkeit kam er wahlweise als Zehner, Achter oder Sechser zum Einsatz und steuerte in 24 A-Jugend-Bundesliga-Spielen 6 Tore sowie 10 Assists bei.
Dennoch schockte er die Löwen und verkündete im April den Wechsel zum Bundesliga-Aufsteiger Greuther Fürth, wo er im Sommer-Trainingslager derart überzeugt, dass er fester Bestandteil des Profi-Teams sein wird.
Bronze: Dominik Kohr (Bayer Leverkusen)
Wie der Bundesliga-erfahrene Vater, so der Sohn. Im April folgte Dominik Kohr seinem Vater Harald (früher Kaiserslautern und Wattenscheid) und kam zu seinen ersten beiden Bundesliga-Einsätzen. Zwar nur als Einwechselspieler - aber dass der Sechser das Talent für mehr mitbringt, beweist nicht zuletzt die Fritz-Walter-Medaille in Bronze.
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U 19
Die letzten drei Gewinner: Marc-Andre ter Stegen, Peniel Mlapa, Lewis Holtby
Gold: Antonio Rüdiger (VfB Stuttgart)
So oberflächlich Vergleiche mit bekannten Fußball-Stars sein mögen - hierbei ist er berechtigt. Denn: Um Antonio Rüdiger zu beschreiben, könnte man Jerome Boateng vorstellen. Beide bevorzugen die Position des Innenverteidigers, können zugleich als Rechtsverteidiger auflaufen. Beide sind extrem athletisch, allerdings ist das taktische Verhalten verbesserungswürdig. Beide sind in Berlin als Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgewachsen. Beide haben größere Brüder, die ebenfalls als Fußball-Profis tätig sind: Hier Rüdiger und Ex-U-21-Nationalspieler Sahr Senesie, dort Jerome und Kevin-Prince Boateng.
Und: Beiden haftet das Etikett eines Problemfalls an. Rüdiger ging Anfang 2011 im Unfrieden von Dortmund und wechselte nach Stuttgart. Weil wegen des Streits die Freigabe erst im Februar, also nach dem Schließen des Transferfensters, erteilt wurde, durfte er eine komplette Rückrunde nur trainieren und an keinem Pflichtspiel des VfB teilnehmen.
Als er für Stuttgart II endlich spielberechtigt war, wurde er am dritten Drittliga-Spieltag in Regensburg gleich zur Halbzeit ausgewechselt. "Trainer Jürgen Kramny hat meinen Spielaufbau kritisiert", sagt Rüdiger, woraufhin er zwei Monate lang nicht mehr berücksichtigt wurde. "Ich habe mir die Kritik zu Herzen genommen, war danach im Training aber nicht voll bei der Sache." Die Zwangspause war trotzdem die entscheidende Wendung: "Er hat ein großes Herz", lobt der ehemalige Nachwuchsleiter Marc Kienle die Entwicklung der letzten Monate.
Im Januar 2012 folgte der bislang größte Schritt: Bundesliga-Debüt gegen Mönchengladbach. Das Spiel ging zwar 0:3 verloren - doch Rüdiger war noch einer der Besseren.
Silber: Andre Hoffmann (MSV Duisburg)
Der Spitzname "Hoffi" klingt so putzig, wie er einen falschen Eindruck vermittelt. Kraft seiner Körperlichkeit, den 1,90 Metern sowie der Vielseitigkeit und der Zweikampfstärke als Innenverteidiger/Sechser hat sich Andre Hoffmann längst im Profi-Fußball behauptet. Seit dem Herbst 2011 gehört er zur Duisburger Stammelf (24 Zweitliga-Einsätze), außerdem ist er von der U 16 bis jetzt zur U 19 Teil aller Jugend-Nationalmannschaften und gewann bereits 2010 bei der U 17 die Fritz-Walter-Medaille in Silber.
Nicht verwunderlich, dass Leverkusen, Schalke und Hoffenheim um ihn warben - stattdessen verlängerte er beim MSV bis 2015: "Ich möchte mit meiner Entscheidung ein klares Zeichen setzen. Mir gefällt es in Duisburg, hier entwickelt sich etwas."
Bronze: Patrick Rakovsky (1. FC Nürnberg)
Sein Name steht für ein Kapitel, das Schalke gerne vergessen würde. Der damals allmächtige Felix Magath ignorierte über Wochen alle Bemühungen von Rakovsky und seinem Berater, um über die sportlichen Perspektiven zu sprechen. Rakovsky wäre nach eigenen Angaben gerne auf Schalke geblieben, sah sich wegen Magath aber zu einem Weggang nach Nürnberg genötigt.
Wie es scheint die richtige Entscheidung: Während Schalke nach ihm noch das zweite Torwart-Juwel Lukas Raeder (zu FC Bayern II) in kurzer Zeit verlor, sieht Nürnberg in Rakovsky den Nachfolger des bereits 33-jährigen Raphael Schäfer.
Dass Rakovsky eine würdige Nummer eins ist, bewies er bereits beim Bundesliga-Debüt als drittjüngster Torwart der Geschichte. Am ersten Spieltag der Vorsaison hielt er in Schälfers Abwesenheit gegen Meister Dortmund stark, eine Woche später erbrachte er auch gegen Augsburg eine gute Leistung. Nur eine Finger-Verletzung verhinderte weitere Einsätze.
Frauen
Gold für die beste U-19-Spielerin: Lena Lotzen (FC Bayern). Die Spielmacherin der Zukunft? Lotzen gehört mit ihren 19 Jahren zum Kader der A-Nationalmannschaft (3 Spiele) und ist bei der anstehenden U-20-WM in Japan als Leistungsträgerin eingeplant. 2011 führte sich die deutsche U 19 zum EM-Titel.
Silber für die beste U-18-Spielerin: Lina Magull (VfL Wolfsburg). Ab der kommenden Saison beginnt ein neuer Lebensabschnitt: Gemeinsam mit Teamkollegin Annabel Jäger wechselt Magull vom Zweitligisten Gütersloh nach Wolfsburg. In Gütersloh wurde sie bereits mit 15 in der 2. Liga eingesetzt.
Bronze für die beste U-17-Spielerin: Sara Däbritz (SC Freiburg). Bekam wegen ihres Talents eine Ausnahmegenehmigung, um bei den Jungs der B2-Jugend ihres Heimatvereins Weiden in der Bezirksoberliga zu spielen. Normalerweise ist es Mädchen nur möglich, bis zur D-Jugend in einer Jungen-Mannschaft aufzulaufen. Im Winter wurde sie vom Bundesligisten Freiburg verpflichtet.