"Auf dem Holzweg der Selbstzufriedenheit"

Von Jan-Hendrik Böhmer
Paul Freier trifft mit dem VfL Bochum in der Relegation auf Borussia Mönchengladbach
© Getty

Es gab eine Zeit, da galt Slawomir Paul Freier als größtes Talent des deutschen Fußballs. Eine Zeit, in der er die Zukunft der Nationalmannschaft verkörperte - und das nicht nur für seinen damaligen Trainer Peter Neururer. Doch diese Zeit ist lange vorbei.

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Die Aufstellungen:

Bochum: Luthe - Freier, Maltritz, Yahia, Ostrzolek - Dabrowski, Johansson - Dedic, Azaouagh, Toski - Aydin

Gladbach: ter Stegen - Jantschke, Dante, Stranzl, Daems - Neustädter, Nordtveit - Reus, Arango - Idrissou, Hanke

Heute kämpft der 31-Jährige mit dem VfL Bochum in der Relegation gegen Borussia Mönchengladbach (20.15 Uhr im LIVE-TICKER) um den Aufstieg in die Bundesliga - und nach der 0:1-Niederlage im Hinspiel um seine vermutlich letzte Chance auf eine Rückkehr auf die große Bühne. "Es gibt nur ein Ziel", sagt er: "Der VfL soll zurück in die Bundesliga."

Was er nicht sagt, ist: Paul Freier soll zurück in die Bundesliga. So etwas würde er niemals sagen. Auch wenn er es insgeheim vielleicht hofft. Denn er legt Wert darauf, "auf dem Platz immer alles zu geben, außerhalb aber nicht protzig aufzutreten."

Sein Motto: Immer schön auf dem Boden bleiben.

Lebenslauf gleicht einer Achterbahnfahrt

Deshalb sei er auch immer in Bochum wohnen geblieben. Selbst als er für dreieinhalb Millionen Euro nach Leverkusen wechselte. "Ich habe Bochum nie komplett verlassen", sagt er. "Der VfL ist mein Heimatverein, hier habe ich meine schönste Zeit als Fußballer erlebt."

Schöne Zeiten, davon hatte Freier zuletzt nicht mehr viele. Sein Lebenslauf gleicht einer Achterbahnfahrt. Nach jedem Höhepunkt folgt ein Absturz, immer kommt etwas dazwischen.

Rückspiel-Vorschau: Entscheidende Woche für Mönchengladbach

So wie im November 2006. Damals sollte Freier für das Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Zypern nachnominiert werden. Doch der Bundestrainer wählte eine Handy-Nummer, die Freier längst abgelegt hatte - und sprach einem völlig Fremden auf die Mailbox. Erst als sich Freier nicht meldete, wurde man beim DFB stutzig und kontaktierte seinen damaligen Verein, Bayer Leverkusen. Erst am Tag des Abflugs bekam Freier Bescheid, schaffte es irgendwie noch rechtzeitig zum Flughafen. Auf den letzten Drücker. Eine Geschichte, typisch für die Karriere des Paul Freier.

Freier: "Nur dritte Wahl"

Dem großen Durchbruch beim VfL Bochum und den Auftritten in der Nationalmannschaft (19 Spiele, 1 Tor) stehen vier magere Jahre in Leverkusen und zuletzt sogar ein Comeback in der Regionalliga West gegenüber.

"Die vier Jahre in Leverkusen liefen überhaupt nicht gut, ich war auf meiner Position nur dritte Wahl", erklärt Freier. Erst kam er auf der rechten Außenbahn nur selten über die Rolle des Reservisten hinaus, dann wurde ihm durch die Systemumstellung von Trainer Michael Skibbe auch noch der Schweizer Tranquillo Barnetta vorgezogen.

Der Schritt zurück in die Zukunft

Das nagt am Selbstbewusstsein des selbstkritischen Mittelfeldakteurs. "Wenn ich einen Rückschlag verkraften muss und danach glücklich wäre, dann wäre ich auf dem Holzweg der Selbstzufriedenheit", erklärt er. "Nach einer Niederlage bin ich sehr ärgerlich und brauche zwei, drei Tage, um alles zu verarbeiten." Aber diese Selbstkritik sei notwendig, so Freier.

Und zu dieser Selbstkritik gehört es auch, einen Schritt zurück zu gehen, wenn man in einer Sackgasse steckt. "Sonst kommt man nicht weiter", sagt Freier. Und meint damit seine Rückkehr zum VfL Bochum.

Als er dort 2008 für fünf Jahre unterschrieb und dafür finanziell deutlich bessere Angebote von Hertha BSC und Hannover 96 ausschlug, träumte er von den guten alten Zeiten, vom Uefa-Cup, wo Bochum 2004/05 gastierte.

"In Bochum hoffe ich, es zurück in die Nationalelf zu schaffen", sagte Freier damals. Die Realität sah anders aus. Ein angebrochener Zeh und eine Operation warfen ihn weit zurück, er verpasste den Saisonstart und landete kurz sogar in der Regionalliga.

"Jetzt kommt die Belohnung"

Das war 2008. Doch so richtig in Tritt gekommen ist er seitdem nicht mehr. In 74 Spielen für Bochum kam er nur auf fünf Tore und zehn Vorlagen. Selbst in der abgelaufenen Zweitliga-Saison durfte er nur 18 Mal ran. Sein größtes Problem: Verletzungen.

Und zwar solche, die zum ungünstigsten Zeitpunkt auftreten. 2007 etwa, als er in Leverkusen mit einer langwierigen Achillessehnenverletzung die komplette Saisonvorbereitung verpasste und stattdessen von einem Spezialisten zum nächsten tingelte - in ganz Europa. Erst im November kam er wieder richtig auf die Beine, konnte nur 19 Spiele bestreiten.

Vorerst letzter Negativ-Höhepunkt seiner Leidensgeschichte: Die 22. Minute des Rückrundenauftakts 2011. Innenbandanriss im rechten Knie, mehrere Wochen Zwangspause und der Verlust des Stammplatzes. Erst am 30. Spieltag kam er wieder zurück. "Ich habe eine schwierige Zeit hinter mir", sagt Freier. "Jetzt kommt die Belohnung." Die Rückkehr auf die große Bühne.

Der Kader des VfL Bochum im Überblick

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