SPOX: Herr Levels, im Sommer 2014 wurde Ihr Vertrag bei Fortuna Düsseldorf nicht verlängert, Sie waren anschließend 141 Tage vereinslos. Nach der Verletzung von Danny da Costa durften Sie beim FC Ingolstadt vorspielen und erhielten dann einen Vertrag bis zum Saisonende. Wie sehr hat Sie die Zeit der Vertragslosigkeit psychisch beansprucht?
Tobias Levels: Das Schwierigste ist, sich von den Gedanken an die Vereinslosigkeit zu lösen. Man hat es ja nicht selbst in der Hand. Ich hielt mich bei der zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach fit, das hat auch als Ablenkung sehr gut getan. Außerdem habe ich die Zeit genutzt, um mich mit Dingen fernab des Fußballs auseinanderzusetzen. Als die Zusage aus Ingolstadt dann kam, war ich aber natürlich schon sehr froh, dass endlich Klarheit über meine Zukunft herrschte.
SPOX: Sie saßen also nicht vor dem Handy und haben gehofft, dass es endlich klingelt?
Levels: Nein. Das ist die Aufgabe meines Beraters, nicht meine. Es hätte zu viel Kraft gekostet, wenn ich mich zu sehr auf das Warten und Hoffen versteift hätte.
SPOX: Was waren denn diese "Dinge fernab des Fußballs"?
Levels: Ich interessiere mich für Ernährung. Konkret geht es dabei um eine Ausbildung im Bereich der ganzheitlichen Gesundheit, die ich mir für die Zeit nach der Karriere vorstellen kann. Ich versuche seit längerer Zeit, meinen Lebensstil diesen Prinzipien anzupassen. Das kann im Profifußball sicher nicht schaden.
SPOX: Sie scheinen sich bereits viele Gedanken über die Zeit nach der Fußballkarriere gemacht zu haben.
Levels: Das stimmt. Schon seit zwei, drei Jahren befasse ich mich mit dieser Thematik. Ich lote aus, welche Potentiale ich abseits des Sports habe, um mich für die Zeit nach dem Karriereende besser aufzustellen. So gesehen hatte die vereinslose Zeit auch Positives.
SPOX: Wieso sind Sie eigentlich nicht zum VfL Bochum gewechselt? Dort schien das Interesse im Sommer durchaus vorhanden gewesen zu sein.
Levels: Ich hatte mit Bochum keinen Kontakt. Vor dem Angebot aus Ingolstadt gab auch es keine Anfragen, weder aus Bochum, noch von anderen Vereinen.
SPOX: Wie überraschend kam das für Sie? Immerhin absolvierten Sie in der vergangenen Spielzeit noch 30 Partien für die Fortuna und zeigten besonders zum Saisonende gute Leistungen.
Levels: Damit habe ich nicht gerechnet, eindeutig. Am Anfang gab es deshalb Phasen, in denen ich frustriert und enttäuscht war. Als vertragsloser Spieler kann allerdings jeder Zeit etwas passieren, da manche Vereine nachrüsten wollen. Der für mich überraschende Abschied aus Düsseldorf bestätigte allerdings meine Meinung, dass der Fußball ein Geschäft ist.
SPOX: Sie sagten schon 2011 im SPOX-Interview, dass Fußball nichts anderes als Politik sei. Hat sich dieser Eindruck somit verfestigt?
Levels: Sagen wir: Im Profi-Fußball können Offenheit oder Ehrlichkeit in der menschlichen und sozialen Interaktion eine untergeordnete Rolle spielen. Darüber sollte sich meiner Meinung nach jeder Profi-Fußballer im Klaren sein.
SPOX: Wie Ihnen bei Ihrem Abschied aus Düsseldorf noch einmal verdeutlich wurde?
Levels: Ich kann jedenfalls nicht behaupten, dass ehrlich mit mir umgegangen wurde. Ich habe gute Leistungen gebracht und abseits des Platzes versucht, ein wichtiger Teil der Mannschaft und des Vereins zu sein. Deshalb hat es mich sehr überrascht, dass man nicht mehr mit mir plante.
SPOX: Wie wurde Ihnen das kommuniziert?
Levels: Das erste Gespräch fand Ende März statt. Schon danach wusste ich, was gespielt wurde, obwohl die Verantwortlichen mir das nicht ehrlich ins Gesicht gesagt haben. Es roch schwer danach, dass ich keinen neuen Vertrag erhalten werde.
SPOX: Ist Ende März nicht sowieso schon ein recht später Zeitpunkt für ein erstes Gespräch, wenn wenig später der Vertrag ausläuft?
Levels: Als Spieler mit einem auslaufenden Vertrag ist es nicht mein Job, auf den Verein zuzugehen. Normalerweise macht der Verein klare Ansagen, wann er sich mit einem Spieler zusammensetzen möchte.
SPOX: Hätten Sie vor zwei Jahren gedacht, dass Sie einmal in eine solche Situation - inklusive der Vereinslosigkeit - geraten würden?
Levels: Nein. Ich habe mich nie mit einem Was-wäre-wenn-Szenario befasst. Ich ging davon aus, dass der Verein mit mir verlängern möchte.
SPOX: Was denken Sie jetzt nach diesen Erfahrungen über das Thema Identifikation? Immerhin sind Sie ja schon damals einen besonderen Weg gegangen, als Sie aus Gladbach zum Rivalen nach Düsseldorf gingen.
Levels: Die Frage ist doch: was bedeutet Identifikation überhaupt? Als Spieler kann ich mich gegenüber dem Verein verpflichtet fühlen. Das heißt, ich arbeite tagtäglich daran, den Erfolg der Mannschaft sicherzustellen. Dazu muss ich meinen Körper in eine optimale Form bringen. Identifikation aber passiert im Kopf. Das ist für mich etwas, dass nicht real ist. Das gibt es einfach nicht.
SPOX: Sie haben sich in Gladbach vom Nachwuchs bis in die erste Mannschaft gespielt. Haben Sie mit der Borussia identifiziert?
Levels: Ich hatte tolle Jahre in Gladbach, habe noch immer eine Wohnung dort und gehe noch immer gerne ins Stadion. Gladbach wird auch in Zukunft ein großer Teil von mir bleiben. Mit dem Begriff Identifikation tue ich mir aber inzwischen schwer.
SPOX: Haben Sie sich damals im Vorfeld Ihres Wechsels Gedanken über die Reaktion der beiden Fanlager gemacht?
Levels: Für die Gladbacher Anhänger war ersichtlich, dass ich nur noch auf der Tribüne saß und daher wechseln musste. Ich wusste natürlich, dass es zwischen beiden Vereinen keine Fanfreundschaft gibt (lacht). Ich bin aber keine Person, die zu sehr in Fanlagern denkt. Das den Menschen zu vermitteln, ist leider oft schwer bis unmöglich. Nach meinem Wechsel gab es für mich dann nur noch die Fortuna.
SPOX: Das dürfte genau der Aspekt sein, den die Anhänger nicht verstehen können: ein Gladbacher Jung', für den es plötzlich nur noch den Rivalen gibt.
Levels: Ich weiß. Doch das ist auch genau die Denkweise, die aus meiner Sicht keinen Sinn macht. Auf der einen Seite haben wir ein System, das es jedem Spieler möglich macht, den Verein zu wechseln. Andererseits wirft man es einem Spieler dann vor, dass er zu einem Verein wechselt, der nur 30 Kilometer entfernt liegt. Da ist aus meiner Sicht ein Widerspruch.
SPOX: Auch in Düsseldorf bekamen Sie heftige Fan-Reaktionen zu spüren. Im August 2013 verursachten Sie beim Pokal-Aus gegen den Viertligisten Wiedenbrück den spielentscheidenden Foulelfmeter, sahen Rot und wurden wenige Tage später nach einem Fehler gegen 1860 München von den eigenen Fans böse ausgepfiffen. War das die schlimmste Woche Ihres Lebens?
Tobias Levels: Nein, ganz und gar nicht. Das gehört zum Fußball dazu. Diese Woche hat mir in meiner persönlichen Entwicklung nicht geschadet. Gerade der enge Austausch mit meinen Freunden in Düsseldorf und meiner Familie hat mich sehr weitergebracht.
SPOX: Sie sind nach dem Spiel gegen 1860 in Tränen ausgebrochen.
Levels: Solange das Spiel lief, haben mir die Pfiffe nicht viel ausgemacht. Ich war 90 Minuten im Tunnel, habe mich nur auf das Spiel konzentriert. Es war mehr die Enttäuschung über mich selbst, auch die Situation im Pokalspiel war natürlich noch präsent. Mein Fehler gegen 1860 brachte das Fass dann zum Überlaufen. Damit habe ich meine bis dahin gute Leistung komplett zunichte gemacht. Dann brach es aus mir heraus.
SPOX: Einige Fans haben Sie mit Sprechchören bedacht, Sie sind dann auch in die Kurve gegangen. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Reaktion?
Levels: Das war eine intuitive Handlung, meine Aktion war sicher nicht alltäglich. Ich merkte aber, dass es einen großen Teil von Fans gab, der sich gegen die Pfiffe aussprach. Das wollte ich in diesem Moment einfach honorieren. Ich wollte nicht davonlaufen, sondern noch im Stadion ehrlich mit der Reaktion der Fans umgehen. Es sollte ihnen klar machen, was das Ganze auch mit mir macht. Deshalb waren die Pfiffe und die Tränen einer der hilfreichsten Momente meines Lebens.
SPOX: Inwiefern hat sich das Verhältnis zu den Anhängern nach diesem Abend verändert?
Levels: Dieser Abend war der Wendepunkt. Meine Gladbacher Vergangenheit schwebte natürlich über mir. Bei der Fortuna gab es niemanden, der für mich deutlich Stellung bezog. Deshalb bin ich stolz, dass ich das selbst gelöst habe.
SPOX: Am Saisonende läuft Ihr Vertrag beim FCI aus. Wie lösen Sie das Problem, nicht noch einmal in eine solche Situation wie im Vorjahr zu kommen?
Levels: Die Verantwortlichen erleben mich jeden Tag im Training. Wenn sie daran interessiert sind, mich länger zu binden, dann werden sie frühzeitig auf mich zukommen. Bislang haben wir noch nicht über eine Vertragsverlängerung gesprochen. Ich hoffe sehr, dass sich die Geschichte vom letzten Sommer nicht wiederholt.
Tobias Levels im Steckbrief