Schon seit 2001 arbeitet Markus Kauczinski in unterschiedlichen Funktionen für den Karlsruher SC. Im Sommer ist für den Cheftrainer der Badener Schluss, Kauczinski möchte seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Wie geht es für den Trainer des Jahres 2016 weiter? Im Interview spricht Kauczinski über die Gründe für seine Entscheidung, Pläne für die Zukunft und erklärt, weshalb er die Laptoptrainer-Diskussion polemisch findet.
SPOX: Herr Kauczinski, Sie sind gebürtig aus Gelsenkirchen und im Stadtteil Ueckendorf aufgewachsen. Dort starteten Sie bei der bei Arminia Ihre Karriere als Trainer, 1999 übernahmen Sie schließlich die U16 beim FC Schalke 04. Wie haben Sie es geschafft, damals bei einem Bundesligisten unter zu kommen?
Markus Kauczinski: Ich habe Sport studiert und bin ausgebildeter Diplom-Sportlehrer. Wenn man dort geboren ist, ist man natürlich Schalke-Fan, das geht ja auch nicht anders. Als ich 27 war, habe ich mich am Ende meines Studiums einfach mal initiativ bei S04 beworben. Zunächst bekam ich eine Co-Trainer-Stelle bei der U15. Man wollte erst einmal überprüfen, was ich dort so anstelle. Nach einem Jahr übernahm ich für drei Spielzeiten die U16.
SPOX: Lange hielt es Sie nicht auf Schalke, 2001 wechselten Sie in die Jugendabteilung des Karlsruher SC und trainierten die U17. Aus dem Ruhrpott nach Baden ist auch kein gewöhnlicher Schritt.
Kauczinski: Das stimmt. In den Gesprächen mit Schalkes damaligem Nachwuchschef Helmut Schulte wurde schnell klar, dass ich dort nicht über die U16 hinauskommen würde. Deshalb entschied ich, dass ich mich verändern möchte. Bei den Trainer-Lehrgängen zur A-Lizenz lernte ich Marco Pezzaiuoli kennen. Er war Jugendkoordinator in Karlsruhe und der Meinung, dass ich mit meiner Art gut zum KSC passen würde.
SPOX: Damit lag er richtig, Sie sind mittlerweile seit über 15 Jahren in verschiedenen Positionen für den Verein aktiv: Nachwuchstrainer, Jugendkoordinator, Trainer der zweiten Mannschaft. 2012 wurden Sie nur vier Tage nach dem Erwerb Ihrer Trainerlizenz Chefcoach. Kam das überraschend?
Kauczinski: Ich war zuvor ja bereits drei Mal Interimstrainer. Man hatte damals schon das Gefühl, das es passen könnte, da ich immer etwas bewirkt habe. Mir fehlte jedoch die Trainerlizenz, deshalb blieb mir die endgültige Beförderung verwehrt. Ich hatte das natürlich irgendwo im Hinterkopf und beendete dann glücklicherweise den Lehrgang genau in dem Moment, in dem man sportlich mit den Profis nicht zufrieden war.
SPOX: Hatte Sie es zuvor enttäuscht, wenn Sie wieder ins zweite Glied rücken mussten?
Kauczinski: Nein, es stand ja immer im Vorfeld schon fest, dass ich die Mannschaft nur für den Zeitraum der Sondergenehmigung von rund drei Spielen betreuen konnte. Beim letzten Mal als Interimscoach fühlte ich allerdings schon etwas Wehmut, wieder gehen zu müssen. Die Spieler wollten, dass ich bleibe. Ich lege aber Wert darauf, nie über Leichen gegangen zu sein. Ich habe mich hochgearbeitet, bis ich letztlich als Cheftrainer an der Reihe war.
SPOX: Es hatte Sie mit der Zeit immer mehr gereizt, oder?
Kauczinski: Klar. Als ich den Profis immer näher kam, wurde mir klar, dass sich der Job als Cheftrainer von meiner vorherigen Arbeit gar nicht so großartig unterscheidet und ich wichtige Voraussetzungen mitbringe.
Kauczinski: Ich denke, ich kann Mannschaften beeinflussen, Ansprachen auf den Punkt bringen und Menschen führen. Ich rede mittlerweile viel weniger als früher, da man sich meist eh nur den ersten und letzten Satz des Gegenübers einprägt. Ein bisschen Ahnung vom Fußball habe ich auch noch. (lacht) Dazu würde ich behaupten, mit Druck vernünftig umgehen zu können. Bisher hatte ich irgendwie das Gefühl, dann immer am besten zu sein.
SPOX: Auf diese Voraussetzungen als Trainer muss der KSC künftig verzichten. Anfang Oktober 2015 teilten Sie dem Klub mit, den am Saisonende auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Wann genau reifte dieser Entschluss?
Kauczinski: Das war ein offener Prozess während der Gespräche mit dem Verein. Irgendwann im Laufe der Verhandlungen wurde mir klar, dass es an der Zeit ist, etwas Neues zu machen. Wie ich bereits sagte, fürchtete ich nach 15 Jahren, in gewisser Weise zur Selbstverständlichkeit zu werden. Damit meine ich nicht fehlende Wertschätzung im Klub, sondern ein generelles Gefühl. Mit 46 Jahren möchte ich noch einmal neue Wege gehen.
SPOX: Fehlen Ihnen ambitionierte Entwicklungsmöglichkeiten in Karlsruhe?
Kauczinski: Nein. Ich kann damit leben, dass der KSC ein Entwicklungsverein ist, der Leistungsträger abgeben muss. Bei den Angeboten für Rouwen Hennings und Philipp Max im Vorjahr habe ich dem Verein sogar vorgeschlagen, bei diesen Summen zu verkaufen. Damit ließen sich Schulden abbauen, auch wenn man dann mit einem Mittelfeldplatz leben muss. Sind sich alle einig, ist auch das ein guter Weg.
SPOX: Weshalb gingen der Klub und Sie mit der Nachricht Ihres Endes so frühzeitig an die Öffentlichkeit? Andere versuchen so etwas so lange wie möglich geheim zu halten.
Kauczinski: Das hätte einem doch keiner geglaubt. Wir wollten Klarheit. Man kann ja nicht im Sommer mit den Verhandlungen beginnen und der Öffentlichkeit dann vorgaukeln, dass man über ein Jahr lang keine Einigung erzielt hätte. Mein Verhältnis zur Mannschaft war und ist so gut, dass man das auch auf diesem Weg zu einem vernünftigen Ende bringen kann.
SPOX: Was Ihren Nachfolger angeht, sprachen Sie sich angeblich für Ihren derzeitigen Co-Trainer Argirios Giannikis aus. Er bestand jedoch die finale Prüfung auf dem Weg zur Trainerlizenz nicht.
Kauczinski: Unser Sportdirektor Jens Todt hat mich nach meiner Meinung gefragt und mir berichtet, dass Argirios eine Rolle spielt. Der Verein würde sehen, welche Arbeit er im engen Kreis täglich leistet. Ich habe geantwortet, dass ich ihm diese Aufgabe zutraue - auch wenn ich ihn natürlich künftig lieber an meiner Seite hätte.
SPOX: Wann genau wird man wissen, wie Ihre Zukunft aussehen wird?
Kauczinski: Ich weiß selbst noch nicht, wohin der Weg führen könnte. Viele Vereine befinden sich derzeit in der heißen Saisonphase und wissen noch nicht, wie sie sich im Sommer aufstellen werden. Ich lasse alles auf mich zukommen.
SPOX: Bayern München soll um Sie als Jugendkoordinator, RB Leipzig als Cheftrainer geworben haben.
Kauczinski: Natürlich habe ich wie jeder andere Trainer auch ein persönliches Netzwerk. Ich rede mit anderen Trainern oder Managern und schon wird daraus eine Geschichte. Ich habe das Gefühl, dass es im Profibereich noch viele Herausforderungen gibt, die ich gerne angehen würde. Das kann theoretisch auch irgendwann wieder im Jugendbereich sein, doch zunächst will ich mich eine Etage weiter höher beweisen und sehen, was ich erreichen kann.
SPOX: Ein Sabbatjahr kommt also nicht in Frage?
Kauczinski: Im Moment bin ich noch voller Tatendrang. Ich werde aber sicherlich kein Angebot annehmen, nur um einen neuen Job zu haben.
SPOX: Anfang März bekamen Sie vom DFB für Ihre Verdienste im Nachwuchsbereich den Preis des "Trainer des Jahres" überreicht. Welchen Stellenwert hat diese Auszeichnung für Sie?
Kauczinski: Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Man nimmt sich ja nie die Zeit, zurück zu blicken. Das will man irgendwie auch gar nicht. Doch dieser Abend beim DFB war während der Laudatio ein wunderbarer Moment des Innehaltens. Dass mein Weg auf andere Leute eine solche Wirkung erzielt hat, freut mich sehr und ist nichts Alltägliches.
SPOX: Wird in Ihren Augen die Arbeit der Nachwuchstrainer öffentlich unterschätzt?
Kauczinski: Nein. Es ist doch gut, wenn die Jugendtrainer nicht so im Fokus stehen. Intern wird die Jugendarbeit durch die vielen Lizenzierungen ohnehin viel mehr geschätzt als früher. Man sieht das auch an den vielen Trainern, die den Sprung von den U-Mannschaften zu den Profis schaffen. Jeder A-, B- oder C-Jugendtrainer hat heute eine hohe Qualität - und das ist auch wichtig.
SPOX: Mehmet Scholl hat die Diskussion um sogenannte "Laptoptrainer" angestoßen, die verkürzt gesagt Stärken in der Theorie, aber Schwächen in der Praxis haben.
Kauczinski: Ich bin kein Laptoptrainer und finde die Diskussion polemisch. Ich kann mich in Menschen, die unter Druck stehen, hineinversetzen. Dafür brauche ich aber kein Fußballprofi gewesen zu sein. Die Dosis macht das Gift. "Geht raus und fresst Gras" ist es genauso nicht wie die Spieler mit Daten zuzuschütten. Für mich werden da zwei Extreme verglichen, die heute in Reinform nicht mehr zeitgemäß sind.
SPOX: Das Fußballmagazin 11freunde erhob Sie während der Relegationsspiele 2015 zur Kultfigur auf dem Trainerstuhl. "Geile Frise, geiler Style, geiler Typ" - damit kann man leben, oder?
Kauczinski: Bei der Frisur bin ich mir nicht sicher, die Haare gehen ja auch langsam aus. (lacht) Das wurde natürlich überspitzt, ich sehe mich eigentlich fernab jeglicher Klischees. Ich bin auch kein Kumpel aus dem Ruhrgebiet, sondern würde mich eher als Gefühlsmensch bezeichnen. Ich finde es schwer, einen Menschen in seiner Vielseitigkeit zu beschreiben. Für die einen bin ich ein geiler Typ, für die anderen eine Nervensäge.
Markus Kauczinski im Steckbrief