"Man wird kein Millionär"

Marco Kieferl
21. März 201417:58
Stephan Jäger kämpft auf der PGA Latinoamerica um den Aufstieg in die große Golf-Weltgetty
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Stephan Jäger ging bereits als 17-Jähriger nach Amerika und schaffte als einziger Deutscher den Sprung in die finale Stufe der Qualifying School. Nach einem Jahr auf der Web.com Tour ist der 24-Jährige mittlerweile auf der PGA Tour Latinoamerica zu Hause. Im Interview mit SPOX spricht er über den Traum von der PGA Tour, sein Leben on the road und Kumpel Harris English.

SPOX: Herr Jäger, nach einem Jahr auf der Web.com Tour sind Sie mittlerweile auf der PGA Tour Latinoamerica unterwegs. Hand aufs Herz: Können Sie denn überhaupt Spanisch?

Jäger: Un poco! Ich hatte Spanisch zwei Jahre lang am College. Aber wie das halt so ist, bleibt in der Schule doch nicht so viel hängen. Ich habe jetzt angefangen, mit einer App auf meinem Smartphone wieder ein paar Wörter zu lernen. Das geht soweit ganz gut. Ich kann mich verständigen. Wenn's dann ein bisschen komplizierter wird, habe ich Probleme, aber mit Zeichensprache und den paar Wörtern, die ich kann, geht das schon.

SPOX: Wie darf man sich Ihr Leben mit all den Reisen nach Südamerika momentan vorstellen?

Jäger: Grundsätzlich stört mich das Reisen überhaupt nicht. Golf ist ein globaler Sport und damit muss man einfach zurechtkommen. Ich glaube, das längste bisher war mal eine 14-stündige Anreise, aber das war zum Glück nur ein Turnier und findet nicht Woche für Woche statt. Normalerweise haben wir das so gut geplant, dass bei drei oder vier Turnierwochen am Stück alle Wettbewerbe innerhalb von drei Stunden erreichbar sind.

SPOX: Wie gehen Sie mit den enormen Reisekosten um? Kann man von den Preisgeldern auf der PGA Tour Latinoamerica leben?

Jäger: Auf alle Fälle! Man wird zwar kein Millionär, aber wenn man gut spielt, kann man sich ein ganz normales Leben finanzieren. Man denkt oft nicht daran, dass wir bei den ganzen Flugkosten ja unser Leben auf dem Golfplatz und im Flieger verbringen. Wenn man gut spielt, ist Geld auch auf den kleineren Touren kein Problem. Der Gewinner in Kolumbien hat letztens beispielsweise fast 30.000 Dollar gemacht. In Europa ist das anders: Auf der Pro Golf Tour bekommt der Gewinner beispielsweise nur 5.000 Euro. Da muss ich schon gewinnen, um Plus zu machen.

SPOX: Bei Ihrem letzten Auftritt auf der Tour hatten Sie unter ungewöhnlichen Umständen den Cut verpasst. Wie kam es dazu?

Jäger: In Kolumbien hatte ich das Wochenende um einen Schlag verpasst, dabei war das sogar noch knapper, als man im Internet liest. Es gab dort einen Spieler, der am Abend nicht rechtzeitig fertig wurde oder nicht rechtzeitig fertig werden wollte. Also hat er am nächsten Morgen sein letztes Loch fertig gespielt und wir mussten morgens um sechs auf dem Platz stehen und sein Ergebnis abwarten. Wenn er ein Par gespielt hätte oder schlechter, hätten wir alle am Wochenende spielen dürfen. Leider hat er ein Birdie gemacht und wir sind alle rausgeflogen.

SPOX: Blicken wir ein wenig auf Ihre bisherige Karriere zurück: Von Ihrem Heimatclub München Eichenried ging es 2006 ans College nach Amerika. Warum haben Sie Ihre Heimat mit gerade einmal 17 Jahren damals überhaupt verlassen?

Jäger: Ich wollte schon immer ans College in Amerika gehen. Ich bin aus München, wo man halt fünf Monate im Jahr nicht Golf spielen kann. Hier dagegen ist das Wetter sehr schön, die Golfplätze sind alle top und auch das Leistungsniveau ist auf einem anderen Level. Schließlich bin ich für vier Jahre an der University of Tennessee in Chattanooga gelandet und habe dort für das Golfteam gespielt. Bis heute fiel mir nie ein, nach Deutschland zurückzukehren.

SPOX: Sie sprechen das Wetter an. Ist das wirklich ein Grund, warum Deutschland so wenige Tourprofis hervorbringt?

Jäger: Die Schweden haben sogar noch einen schlimmeren Winter als wir. Das Problem in Deutschland ist, dass man nicht diesen Wettbewerb hat wie in den Staaten. Jeder Schwede, jeder Engländer, der es sich finanziell leisten kann, geht in die USA, weil er dort die besten Golfer und die besten Plätze vorfindet. Diese Konkurrenz findet man in Deutschland nicht. SPOX

SPOX: Welche Rolle spielte das amerikanische College-System mit seiner ausgezeichneten Sportlerförderung bei Ihrer Entscheidung?

Jäger: Früher habe ich teilweise in Mannschaften gespielt, mit denen man zwei Turniere im Jahr und keine professionelle Vorbereitung hatte. Am College gehst du fünfmal in der Woche ins Fitnessstudio, fünfmal in der Woche auf den Trainingsplatz und spielst Turniere gegen die besten Golfer in den Staaten.

SPOX: Wie lief der College-Alltag ab?

Jäger: Wir hatten normalerweise montags, mittwochs und freitags jeweils um sechs Uhr morgens Fitness. Anschließend sind wir von acht bis eins in die Schule gegangen und haben von zwei bis sechs trainiert. Dienstags und donnerstags sind wir selbstständig ins Gym gegangen und haben dasselbe wieder gemacht. Es gibt so viele Regeln, die besagen, dass man nur eine bestimmte Stundenanzahl mit einem Coach verbringen darf, da muss man selbst auch viel machen. Man befindet sich schon im Leistungssport und muss sich acht, neun, zehn Stunden am Tag reinknien. Mein jetziger Profialltag ist nicht so viel anders.

Seite 2: Jäger über seinen Traum und Harris English

SPOX: 2011 durften Sie bei den BMW International Open erstmals auf der European Tour aufteen. Wie haben Sie ihr Debüt beim Heimatturnier in Erinnerung?

Jäger: Ich kann mich noch genau an den ersten Abschlag in Eichenried erinnern. Ich war eigentlich nicht super nervös auf der Range. Als ich dann ans erste Tee kam, waren dort 400 Leute, die ich fast alle persönlich kannte. Ich stand über dem Ball und habe nichts gefühlt. Das war einfach pures Vertrauen in meinen eigenen Schwung, sonst triffst du auch den Ball nicht.

SPOX: Sie hatten an Tag zwei nach elf Löchern überraschend gute Chancen auf den Cut, sind dann aber plötzlich eingebrochen. Was ist auf den Schlusslöchern mit Ihnen passiert?

Jäger: Ich weiß noch, es hatte am ersten Tag geregnet und ich hatte gut gespielt. Trotzdem war ich einen Schlag über Par. Am zweiten Tag lief es bis zur 11 auch optimal, dann habe ich aber leider einen häufigen Fehler begangen. Ich habe ein wenig vorausgeschaut und vergessen, Golf zu spielen. Ich dachte zu sehr daran, was passieren würde, sollte ich den Cut schaffen. Für mich ist es eines der schwierigsten Dinge im Golf, auf den Moment fokussiert zu bleiben. Aber aus solchen Fehlern lernt man, und wenn ich noch mal in der Situation bin, weiß ich, wie ich damit umgehen muss.

SPOX: Ende 2012 schafften Sie es als erster Deutscher überhaupt in die finale Phase der Q-School und sicherten sich so eine Tourkarte für die ehemalige Nationwide Tour. Wie bewerten Sie im Nachhinein Ihr Abenteuer auf der Web.com Tour? War die Leistungsdichte einfach zu hoch oder sind Sie an sich selbst gescheitert?

Jäger: Ich habe ja am Anfang des Jahres gut gespielt, also kann die Leistungsdichte nicht das Problem gewesen sein. Ich habe das Spiel für die PGA Tour! Man muss einfach auf sich aufmerksam machen. Man sieht ja immer wieder Leute, die nicht auf der Tour sind, aber dann plötzlich richtig gut spielen. Man scheitert eher an sich selber und am eigenen Glauben.

SPOX: Die Web.com Tour hat in den letzten Jahren eine unheimliche Aufwertung erfahren. Ist Sie bereits mit der European Tour vergleichbar?

Jäger: Ich würde fast sagen, beide Turnierserien sind gleich stark. Wenn man mal die Top 25 oder Top 50 rausrechnet, die noch auf einem anderen Level sind, und das gesamte Teilnehmerfeld beider Touren vergleicht, ist das wohl ähnlich dicht besiedelt.

SPOX: Wenn wir schon von der European Tour sprechen: Lebt der Traum von der PGA Tour, der Sie während der Q-School so nah waren, weiter?

Jäger: Auf jeden Fall, der Traum ist nicht so weit entfernt. Man qualifiziert sich vielleicht für eine Woche, spielt da gut, gewinnt und bleibt die nächsten zwei Jahre auf der PGA Tour. Es ist nicht so, dass ich mich jetzt fünf Jahre hocharbeiten muss. Mein kurzfristiges Ziel lautet aber, mein Spiel zurückzugewinnen. Im Golf geht es sehr um das Vertrauen in sein eigenes Spiel. Ich glaube, wenn man auf einer positiven Welle schwimmt, erreicht man schnell ein neues Level.

SPOX: Gibt es eine Deadline in Ihrer Karriereplanung?

Jäger: Für mich ist ein Ultimatum das schlechteste, was man machen kann, vor allem im Golf. Wenn man mit 25 Tennisprofi werden will, ist der Zug abgefahren, aber im Golf sind unter den besten Spielern der Welt 90 Prozent zwischen 30 und 40. Ich bin jetzt 24 und würde nie ans Aufhören denken! Mein Leben in den letzten zehn Jahren war Golf und solange ich das finanziell durchhalten kann, wird das auch so bleiben.

SPOX: Das perfekte Vorbild dürfte Harris English sein, mit dem Sie ein Jahr auf derselben High School waren. Mittlerweile steht er auf Platz fünf des FedEx-Cups.

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Jäger: Ich spreche oft mit ihm und bin auch mit seiner Familie sehr gut befreundet. Er ist schon ein Vorbild für mich, weil er auch auf der High School immer top of the line war. Wenn wir mal Golf spielen, frage ich ihn natürlich, was er in der und der Situation machen würde. Es gibt nichts Besseres als jemanden zum Freund zu haben, der da ist, wo man hin will. Wenn wir mal gemeinsam spielen, machen wir oft ein kleines Match. Da gewinne mal ich und mal gewinnt er.

SPOX: Wo sehen Sie sich im Vergleich zu Harris English?

Jäger: Der Unterschied ist minimal, Harris hat aber seine Chance perfekt genutzt. Er hat als Amateur auf dem College ein Web.com Turnier gewonnen und ab diesem Zeitpunkt ging's nur bergauf. Das Spiel auf dem College hat bereits so ein hohes Niveau, dass dort immer wieder Leute direkt auf die PGA Tour kommen. Jordan Spieth, Harris English, Patrick Reed: Da kann man 20 Namen aufzählen. Deswegen kann man sich schon an Harris orientieren. Aber das würde ich ihm nie sagen, sonst gibt er mir zum Schluss noch ein paar Schläge.(lacht)

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