"In Deutschland ist Leistung verpönt"

Von Interview: Florian Regelmann
Tatjana Malek, Tennis
© Getty

München - Wirft man einen Blick auf die Weltrangliste, so erkennt man schnell, wer die Damen-Welt im Tennis dominiert.

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21 der ersten 30 Spielerinnen kommen aus osteuropäischen Ländern. RUS, SRB, SRB, RUS, RUS, SVK, CZE, POL, HUN, UKR, die Länderkürzel wiederholen sich unaufhörlich. Fast kann man sich die Frage stellen, ob außer Justine Henin überhaupt noch junge Damen in Westeuropa Tennis spielen.

Die beste Deutsche folgt mit Martina Müller auf Rang 53. Die besten Chancen, als Deutsche mal wieder in die Phalanx aus Osteuropa einzubrechen, hat aber Tatjana Malek.

Die 20-Jährige hat zwar keinen kometenhaften Aufstieg hinter sich, steigert sich aber dafür konstant von Jahr zu Jahr. Über Position 284 (2005) und 146 (2006) ging es dieses Jahr schon bis auf Platz 84 nach vorne. Das soll für die ehrgeizige Fed-Cup-Queen aber noch lange nicht das Ende gewesen sein.

Im SPOX.com-Interview spricht Malek über ihre Saison und beklagt eine fehlende Leistungsgesellschaft in Deutschland.

SPOX: Wie sind Sie mit Ihrem Jahr zufrieden?

Tatjana Malek: Mein Jahresziel war es, die Top 100 zu knacken. Dies gelang mir zwar kurzzeitig im Sommer schon, aber im August musste ich so viele Punkte aus dem Vorjahr verteidigen, dass ich wieder knapp darüber gelandet war. Daher war der Sieg beim Turnier in Bratislava nicht nur der sportliche Höhepunkt, sondern ich erreichte mein Jahresziel schon Anfang November, so dass ich mich nun zufrieden von den Strapazen 2007 erholen kann. Ein Jahr mit solch einem Erfolg abzuschließen, tut gut.

SPOX: Was waren die Highlights? Die Erfolge im Fed Cup?

Malek: Es war natürlich ein sehr schönes Gefühl, wesentlich dazu beigetragen zu haben, dass Deutschland wieder erstklassig spielt. Sicherlich war es ein Highlight dieses Jahres, im Fed-Cup-Team erfolgreich gespielt zu haben.

SPOX: Warum spielen Sie immer besonders gut für Deutschland?

Malek: Es ist ein wunderbares Gefühl, vor vollen Rängen zu spielen und zu wissen, es gerade in diesem Augenblick allen beweisen zu können, dass Deutschland sich in Sachen Tennis nicht verstecken zu braucht.

SPOX: Zwischenzeitlich gab es sicher auch Phasen, die Sie sich besser vorgestellt hätten, wie frustriert waren Sie ab und zu?

Malek: Sehr enttäuscht war ich von Australien. Dorthin fuhr ich mit völlig überzogenen Erwartungen. In Sydney kam ich zum Beispiel nicht einmal in die Qualifikation. Die nächste Enttäuschung stellte sich gleich nach dem tollen Fed-Cup-Erfolg in Japan ein. Dabei hatte ich unterschätzt, wie Kräfte raubend und anstrengend solche Spiele und Reisen sind. Eine Pause wäre angebracht gewesen, aber wie ja jeder weiß, es gibt beim Fed Cup keine Weltranglistenpunkte. Aber auch im Herbst erlebte ich eine schlimme Phase. Ich spielte ein schreckliches Tennis und niemand sagte es mir. Erst als mein Vater mich live und im Internet sah, erkannte er mein taktisches Problem.

SPOX: Wo haben Sie dieses Jahr den größten Fortschritt gemacht?

Malek: Ich denke im mentalen Bereich. Es war ein nicht ganz leichtes Jahr für mich.

SPOX: Warum kommen so viele Spielerinnen aus dem Ostblock oft so schnell nach oben, und bei den Deutschen dauert es irgendwie länger oder es klappt vielleicht gar nicht. Am Talent liegt es sicher nicht.

Malek: Die haben sicherlich ganz andere Bedingungen. In Deutschland ist Leistung, nicht nur im sportlichen Bereich verpönt. Man wird kritisiert, wenn man hohe Ziele hat. Alles muss "Spaß" machen. Ich frage mich, wo ist denn der Spaß, wenn ich in der 1. Runde verliere? Macht mir Tennis Spaß, wenn Leute in der Rangliste vor mir sind, die ich schlagen kann? Andere Systeme unterstützen Sportler ganz anders. Unsere Schulsportsysteme greifen nicht wirklich. Oft werden Modelle nur in der Öffentlichkeit schön geredet um Investitionen zu erhalten. Neben dieser Spaßeinstellung kommt dann, wenn sich der Erfolg einstellt, der Neid.

SPOX: Ein gern gebrauchtes Argument ist, dass den Deutschen der Biss fehlt, im Gegensatz zu anderen, die aus ärmeren Verhältnissen kommen. Was sagen Sie dazu?

Malek: Ein bisschen mag das schon mit der eben erwähnten Spaßeinstellung zu tun haben. Obwohl ich nicht glaube, dass Ehrgeiz etwas mit der sozialen Herkunft zu tun hat. Aber manche Spielerinnen hätten vielleicht das Potential, kommen aber nicht weiter, weil Ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Das ist ein sehr schwieriges Feld, denn oft werden Talente aus den verschiedensten Gründen verschwiegen oder schlecht gemacht. Ohne familiäre Unterstützung ist ein Weg an die Spitze meiner Meinung nach nicht möglich.

SPOX: Wie lauten die Ziele für 2008?

Malek: Mein großes Ziel ist auf alle Fälle erst einmal, in nächster Zeit die Top 50 zu erreichen. Vielleicht reicht das ja für die Olympischen Spiele? Man darf natürlich nicht vergessen, dass wieder eine Menge Punkte zu verteidigen sein werden, aber ein paar gewonnene Matches bei den Grand Slams könnten mir schon sehr helfen. 

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