SPOX: Mit Marco Huck ist der nächste Boxer aus dem Sauerland-Stall Weltmeister geworden, zudem veranstalten Sie im Herbst das Super-Six-Turnier. Gleichzeitig gehen Universum spätestens nach Felix Sturms geplantem Weggang die guten Kämpfer und Kämpfe aus. Fühlen Sie sich als großer Gewinner des deutschen Boxens?
Kalle Sauerland: Wir sind in der Tat hervorragend aufgestellt - wir haben Nikolai Walujew, Arthur Abraham, Mikkel Kessler, Cecilia Braekhus und nun auch Huck. Zudem boxt Sebastian Sylvester am 19. September gegen Giovanni Lorenzo um die WM und Alexander Powetkin ist der Pflichtherausforderer von Wladimir Klitschko. Und mit dem Super-Six-Turnier haben wir unsere Position als führender europäischer Promoter weiter ausbauen können.
SPOX: Universum könnte hingegen vor dem Aus stehen, sollte das "ZDF" tatsächlich die Zusammenarbeit beenden.
Sauerland: Da kann ich nicht viel zu sagen, da ich bei den Verhandlungen von Universum und dem "ZDF" ja nicht dabei bin. Ohne einen starken TV-Partner hat man es als Boxstall allerdings sehr schwer zu bestehen.
SPOX: Was macht Sauerland richtig, was macht Universum falsch?
Sauerland: Wir haben eine andere Herangehensweise: Statt Masse setzen wir auf Klasse. Wir konzentrieren uns darauf, Boxer aufzubauen, die das deutsche Publikum faszinieren und gleichzeitig das Potenzial haben, auf internationaler Ebene für Furore zu sorgen. Arthur Abraham ist das beste Beispiel. In Deutschland ist er zum Superstar gereift. Nun folgt der nächste Schritt: Beim Super-Six-Turnier misst er sich mit den Besten der Welt.
SPOX: Wie kam die Idee zustande?
Sauerland: Die Idee kam mir eines Abends Anfang Mai, als ich mit meiner Frau auf dem Sofa saß. Sie interessiert sich sehr für Boxen und schaut sich die Kämpfe gerne an. Aber wie viele andere Fans auch hat sie Schwierigkeiten, bei den ganzen Verbänden und Weltmeistern den Überblick zu behalten. Sie stellte mir also viele Fragen: Warum kämpft der nicht gegen den, warum kommt dieser Kampf nicht zustande und so weiter.
SPOX: Und dann?
Sauerland: Zufällig hatte ich am gleichen Tag mit Ken Hershman, dem General Manager des US-Pay-TV-Senders "Showtime", geredet. Er erzählte mir, wie toll es für "Showtime" wäre, wenn Arthur Abraham ins stark eingeschätzte Super-Mittelgewicht aufsteigen könnte und was für tolle Kämpfe es in der Gewichtsklasse ohnehin schon gäbe. Abends auf der Couch habe ich dann probiert, die Vorschläge meiner Frau mit denen von Ken Hershman zu verbinden.
SPOX: Und herausgekommen ist das Super Six?
Sauerland: Klar war: Es gibt zu wenig richtig große Kämpfe, die die Fans elektrisieren. Die Besten müssen gegen die Besten antreten, denn das wollen die Zuschauer sehen. Ich fragte mich also, wie man verbandsübergreifend den besten Boxer einer Gewichtsklasse ermitteln kann. Es musste ein Turnierformat sein. Ein paar Tage später ist Ken nach Berlin gekommen. Wir haben uns zwölf Stunden in einem Konferenzraum eingeschlossen und verschiedene Möglichkeiten durchgespielt. Am Ende stand das Konzept mit Gruppenphase, Halbfinale und Finale. Die Idee der "Super Six World Boxing Classic" - der Champions League des Boxens - war geboren. Doch das war der leichte Teil...
SPOX: Waren die teilnehmenden Boxer gleich begeistert? Oder waren die Verhandlungen schwierig?
Sauerland: Nachdem die Idee stand, mussten die Boxer und ihre Promoter überzeugt werden. King Arthur war sofort Feuer und Flamme. Kurze Zeit später hatten wir auch WBA-Weltmeister Mikkel Kessler mit im Boot. Wir haben zudem einen guten Draht zu Mick Hennessy, dem Promoter von WBC-Champ Carl Froch, der auch begeistert war. Die europäische Seite war bereit. Um die Amerikaner hat sich Ken Hershman gekümmert. So stand das Teilnehmerfeld schnell fest.
SPOX: Klingt recht simpel.
Sauerland: Der schwierigste Teil kam noch: Alle Promoter mussten den gleichen Vertrag unterschreiben. Oftmals grenzt es schon an ein Wunder, wenn sich zwei Promoter auf einen einseitigen Vertrag einigen. Hier mussten nun aber fünf Promoter und sechs Boxer unter einen Hut gebracht werden. Ich habe zwei Monate lang bis tief in die Nacht telefoniert und praktisch nach amerikanischer Zeit gelebt. Es gab unendlich viele Details zu berücksichtigen, aber am Ende haben wir es irgendwie geschafft. Meine Anerkennung gilt den Boxern. Sie haben unterschrieben, gegen jeden Gegner anzutreten - ohne das Datum oder den Austragungsort zu kennen.
SPOX: Dabei ist auch Ihr neues Zugpferd Mikkel Kessler. Wie hat Sauerland es geschafft, ihn unter Vertrag zu nehmen?
Sauerland: Der Vertrag mit seinem alten Promoter lief aus. Da haben wir uns zusammengesetzt. Unsere Herangehensweise bei der internationalen Vermarktung hat ihm sehr imponiert und so konnten wir uns schnell einigen.
SPOX: Sein ehemaliger Manager Morgens Palle wirft Kessler jedoch Vertragsbruch vor und will ihn verklagen. Könnte Sauerland im schlimmsten Fall Kessler verlieren?
Sauerland: Das ist ausgeschlossen. Sein Ex-Promoter kann klagen, so viel er will - einen gültigen Vertrag mit Kessler bekommt er dadurch nicht.
SPOX: Mit dem Super-Six-Turnier soll nicht nur Kessler, sondern vor allem Arthur Abraham in das Super-Mittelgewicht eingeführt werden. Was erwarten Sie sich vom Wechsel in eine neue Gewichtsklasse?
Sauerland: Arthur hat auf jeden Fall das Zeug dazu, nach dem Super-Six-Turnier zu einem Box-Superstar auf der ganzen Welt zu werden. Er ist ein ganz besonderer Boxer. Er hat die Kraft, die Athletik, die Cleverness und die Finesse, die man braucht, um ein ganz Großer zu werden. Seine beiden Siege über Edison Miranda haben angedeutet, was in ihm steckt.
SPOX: Ein solch exzellent besetztes Turnier wie das Super Six bedeutet auch ein Risiko für Abraham. Haben Sie keine Befürchtungen, dass Abrahams neue Karriere beendet sein könnte, bevor sie richtig begonnen hat?
Sauerland: Nein. Arthur wird in der neuen Gewichtsklasse keine Probleme bekommen. Und sollte er wider Erwarten einen Kampf verlieren, wovon wir natürlich niemals ausgehen, ist das kein Beinbruch - schließlich kämpft er gegen die besten Boxer der Welt. Das ist das Gute an dem Gruppenmodus: Auch mit einer Niederlage kann man noch ins Halbfinale einziehen.
SPOX: Der nächste Höhepunkt für Sauerland ist der Kampf zwischen Nikolai Walujew und David Haye im November. Haye hat nach seinen beiden Absagen gegen die Klitschkos nicht den besten Ruf. Sind Sie sich sicher, dass der Fight auch wirklich stattfindet?
Sauerland: Daran haben wir keinen Zweifel - warum auch? Haye hat erklärt, dass er die Bedingungen des Klitschko-Clans nicht akzeptieren konnte und wollte. Das ist sein gutes Recht. Wir haben innerhalb kürzester Zeit - wohlgemerkt nach harten Verhandlungen - eine Einigung erreicht. Haye ist heiß auf den Titel, aber von Walujew wird er ihn sich nicht holen.
SPOX: Eigentlich sollte Walujew gegen einen der Klitschkos kämpfen. Warum hat es nicht geklappt?
Sauerland: Alexander Powetkin ist bei der IBF ja schon Pflichtherausforderer von Wladimir Klitschko. Niko wollte daher gegen Vitali antreten. Es gab auch sehr positive erste Gespräche, doch als es ernst wurde, war das Klitschko-Management für uns nicht mehr zu erreichen. Eines ist klar: Niko will die Titel vereinigen - und er will gegen Vitali boxen!
SPOX: Aus dem Klitschko-Lager ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, dass sich Walujew nicht trauen würde und das Angebot nur eine Alibi-Offerte war.
Sauerland: Das ist lächerlich. Es lag nicht an uns, dass der Kampf gegen Vitali nicht zustande gekommen ist. Sobald Niko Haye besiegt hat, will die gesamte Boxwelt den Kampf gegen einen der Klitschkos sehen. Da Wladimir gegen Powetkin antreten muss, wird sich Niko Vitali vorknöpfen - sofern Vitali gegen Chris Arreola gewinnt.