Der König des Schwingens ist wieder da. "Hoi mitenand! Der Heilungsverlauf meines Knies entwickelt sich gut", schreibt Jörg Abderhalden auf seiner Internetseite und verweist sogleich stolz auf seine bestandene Prüfung als Schreinermeister.
Fotos von seinem Eigenheim gibt es auch, als Hobby gibt der stämmige 30-Jährige "Töff" an - Motorradfahren. Sein Lieblingsgetränk ist - sehr anständig - Milch, er hört "alles außer Techno" und fährt einen Subaru.
Kurz gesagt ist Jörg Abderhalden ähnlich kurios wie der Schweizer Nationalsport. Wenn erwachsene Männer sich halbnackt im Sägemehl wälzen und sich in Würfen wie dem Wyberhaagge, Hüfter, Brienzer und Buur üben, geraten auch zurückhaltende Eidgenossen schwer in Wallung.
Als Lümmelei verpönt
Bereits im 13. Jahrhundert ist das Schwingen, das dem Ringen ähnelt, auf einem Relief in einer Kathedrale von Lausanne erstmals belegt. Zum Volkssport entwickelte es sich erst im 19. Jahrhundert, zwischenzeitlich war das Schwingen sogar als Lümmelei verpönt und unter Strafe gestellt.
Weil Anfang des 17. Jahrhunderts gerne zu Weihnachten geschwungen wurde, sah sich die Berner Obrigkeit zu Verboten gezwungen.
Da durch die weihnachtlichen "schwyngeten vil ungradts entstaht und zu sölcher Heiligen zytt dergleichen mutvvillen" nicht zu gestatten war, verbot die Regierung "schwyngen und ringen" bei 10 Pfund Buße.
Den Kirchen missfiel das Schwingen, weil es das Volk vom sonntäglichen Gottesdienstbesuch abhielt. Nach Auskunft des eidgenössischen Schwingerverbandes ESV fielen besonders die "schlimmen Folgen ungelenker, wilder Spiele: Verletzungen, üppiges Schreien und Poltern, Zechen und Füllerei" negativ auf.
Schwingen auf dem Index
Auch als wüstes Unwesen wurden Schwingtage bezeichnet, "unnützes Schwingen" stand künftig auf dem Index. Aus Grindelwald ist für 1617 überliefert, dass zwei der Athleten für "12 Stund in Gefangenschaft erkent worden".
Inzwischen ist das Schwingen akzeptiert, auch wenn es von Spöttern als Bauern-Ringen abgetan wird. Schwingen ist in der Sportszene so wichtig, dass bei dem alle drei Jahre ausgetragenen Eidgenössischen Fest ein waschechter König erkoren wird.
Wer beim Eidgenössischen gewinnt, zählt für drei Jahre zur Prominenz und wird landesweit auf Händen getragen. 2010 werden in Frauenfeld die dicken Brocken antreten, den Hosenlupf am Gürtel des Gegners durchführen und um Sachpreise vom Jungstier bis hin zur Waschmaschine oder zum Bügelbrett kämpfen.
Auf ihrer Kampfbühne, einem Ring aus Sägemehl mit zwölf Metern Durchmesser, sind sechs Minuten pro Gang angesetzt. Eine Jury bewertet dann wieder zwischen Fahnenschwingern, Jodlern und Alphornbläsern nach einem ausgeklügelten System, wie aktiv, risikofreudig und gut die Kontrahenten gewesen sind.
Abderhalden will wieder angreifen
Jörd Abderhalden oder der Abderhalden Jörg, wie die Schwing-Fachleute sagen, will dann auch wieder dabei sein. Der Schwingerkönig von 1998, 2004 und 2007, Schweizer des Jahres 2007 und unbestritten beste Schwinger der Welt will wieder den Titel.
"Das Eidgenössische steht für mich voll im Fokus", schreibt er. Die Fans haben - mit Schwingergruß - schon reihenweise ihre besten Wünsche im Gästebuch hinterlassen.