Ambitioniert, ehrgeizig und fast schon revolutionär: Bei SPOX verrät Geschäftsführer Jan Pommer, dass zukünftig in Deutschland nach der NBA der beste Basketball der Welt geboten werden soll. Eine Schlüsselrolle spielen der FC Bayern und Dirk Bauermann - der aber im Zuge dessen womöglich als Bundestrainer aufhören muss.
Hintergrund: Pommer erklärt gegenüber SPOX, dass ein "Bundestrainer keine Doppelfunktion ausüben sollte" und beide Aufgaben "von einer Person nicht ohne Weiteres gestemmt werden" können. Pommer weiter: "Es wäre doch wohl übertrieben zu sagen, dass Dirk Bauermann der Einzige ist, der die Nationalmannschaft erfolgreich führen kann."
Auf SPOX-Nachfrage gab sich Bauermann kurz angebunden und beließ es bei einem: "Kein Kommentar."
Das gesamte Interview mit Jan Pommer über mögliche Interessenskonflikte von Bauermann, den Allen-Iverson-Deal und neue deutsche Helden.
SPOX: Letztes Jahr haben Sie sich öffentlich mit Dirk Bauermann gestritten und ihn als "respektlos" bezeichnet, nachdem der Bundestrainer die BBL wegen der Dominanz ausländischer Spieler als "entfremdetes Produkt" bezeichnet hatte. Vor drei Wochen hielt jedoch ausgerechnet Bauermann die Laudatio auf Sie, als Sie zum "Sportmanager des Jahres" gekürt wurden. Wie passt das zusammen?
Jan Pommer: Wir verstehen uns seit vielen Jahren wirklich gut, und eine stabile Freundschaft hält auch mal einen deftigen Streit aus. Dem Bundestrainer ist eine große Ungeduld zu Eigen, und ich verstehe, dass es ihn als Bundestrainer nicht übermäßig freut, wenn viele Leistungsträger in der BBL aus dem Ausland stammen. Aber er erkennt mittlerweile sehr viel stärker unsere erheblichen Anstrengungen und Erfolge in der Nachwuchsförderung an und dass sie uns alle einen Haufen Geld kostet. Der Streit vom letzten Jahr ist dementsprechend beigelegt.
SPOX: Bauermann sagte bei Ihrer Ehrung, dass die BBL "nach der spanischen ACB die erfolgreichste und am professionellsten aufgestellte in Europa" ist. Starke Worte, die auch berechtigt sind?
Pommer: Ja, das Selbstbewusstsein haben wir. Ungeachtet aller Wirtschaftskrisen entwickeln wir uns kraftvoll nach oben, wir haben in den letzten fünf Jahren über 30 Prozent an Zuschauern hinzugewonnen, es ist fast 70 Prozent mehr Geld im System, wir haben eine deutlich höhere TV-Reichweite und einen sehr ausgeglichenen Wettbewerb. Das alles führt dazu, dass sich der Basketball in seiner Nische immer weiter ausbreitet.
SPOX: Wirtschaftlich hat sich die BBL im internationalen Vergleich behauptet, aber sportlich ist sie nach wie vor zweitklassig.
Pommer: In der Breite haben wir mit Berlins Eurocup-Finaleinzug und Göttingens Triumph in der EuroChallenge das international erfolgreichste Jahr der Liga hinter uns. Aber es stimmt: Es fehlt der große Erfolg in der Euroleague. In der absoluten Spitze regieren neben Spanien nun mal Klubs aus Russland, der Türkei und Griechenland, die ihr Geld eben nicht am freien Markt erwirtschaften wie wir, sondern die Gehälter aus den tiefen und gelegentlich dunklen Taschen von Mäzenen bestreiten. Es ist jedoch erkennbar, dass selbst die Superreichen unter der Wirtschaftskrise zu leiden haben und weniger in den Sport investieren - was uns entgegenkommt. Mit unserem in Europa mit Abstand arriviertesten Lizenzierungsverfahren haben wir anders als viele ausländische Ligen ein Fundament, auf das sich bauen lässt.
SPOX: Aber wenn ein Milliardär wie Roman Abramowitsch Interesse an einem BBL-Klub zeigen würde, wären Sie nicht abgeneigt?
Pommer: Da muss man differenzieren. Anders als in der Fußball-Bundesliga ist es bei uns grundsätzlich formal möglich, die Mehrheit eines Klubs zu erwerben,wenn der Klub dies denn wollte. Der Sport ist ein faszinierendes Betätigungsfeld, in dem einem Investor hohe soziale Reputation und eine große mediale Aufmerksamkeit gewiss sind. Warum sollte sich ein wohlhabender Unternehmer dies nicht zu Nutze machen? Das Interesse eines Mäzens wäre entsprechend erfreulich, weil es die Attraktivität des Produktes unterstreichen würde. Voraussetzung ist aber natürlich, dass man uns genauestens nachweisen kann, dass der Investor kein Hasardeur ist, der nur aus kurzfristigen oder gar bedenklichen Interessen einsteigen will. Nachhaltigkeit, Langfristigkeit und Seriosität müssen die obersten Prämissen sein.
SPOX: Auch ohne Großinvestoren sprach Alba-Geschäftsführer Marco Baldi im SPOX-Interview davon, dass die BBL zur "besten Liga Europas" aufsteigen könnte. Ist das realistisch?
Pommer: Wir wollen und können selbstbewusst und ehrgeizig auftreten und unsere Ziele klar formulieren. Eines unserer Ziele lautet: In zehn Jahren wollen wir die Nummer eins unter den nationalen Ligen in Europa sein. Sicherlich ist es ambitioniert, aber ich halte es für aussichtsreich, alleine wenn man sieht, was alles durch den FC Bayern angestoßen werden könnte. Wir gehen mit großen Schritten in die richtige Richtung und wollen in Europa eine sehr gewichtige Rolle spielen.
SPOX: Sollte der Plan aufgehen, wäre die BBL im weltweiten Vergleich direkt hinter der NBA anzusiedeln. Dementsprechend unliebsam müssten Ihnen die Pläne der NBA sein, eine Europa-Division ins Leben zu rufen und so zur BBL in direkte Konkurrenz zu treten.
Pommer: Ich höre die Ankündigung von Commissioner David Stern seit vielen Jahren, geschehen ist aber nie etwas Substantielles. Das heißt nicht, dass eine Expansion ausgeschlossen ist, aber ich halte sie für doch eher unwahrscheinlich. Die NBA hat offenbar ausreichend eigene Herausforderungen wie den auslaufenden Tarifvertrag mit den Spielern und die möglichen Verluste in Höhe von einigen hundert Millionen Dollar. Bevor sie sich mit einem weiteren Großprojekt auseinandersetzt, sind sicher gravierende Vorarbeiten zu erledigen. Und für ein Wachstum der NBA bieten sich womöglich Indien oder der gesamte asiatische Markt inklusive China mehr an als Europa.
Teil II: Pommer über den Iverson-Deal und Bauermans problematische Doppelfunktion
SPOX: Die Idee, NBA-Flair nach Deutschland zu bringen, hat für viele Basketball-Fans jedoch einen Reiz. Würden Sie es begrüßen, wenn es ein deutscher Klub versuchen würde, ähnlich wie Besiktas Istanbul mit Allen Iverson einen Star aus den USA zu verpflichten?
Pommer: In der BBL brauchen wir, wie ich finde, keine Spieler, die in der NBA nicht mehr en vogue sind und offenbar für abkömmlich gehalten werden. So ein PR-Coup mit Iverson mag ein kurzfristiges Feuerwerk auslösen, wir hingegen setzen darauf, aus uns selbst heraus zu wachsen. Mit Philip Zwiener, Tibor Pleiß, Robin Benzing, Per Günther oder Philipp Schwethelm verfügen wir über eine Gruppe von Spielern, die das Zeug zu neuen deutschen "Helden" haben. Außerdem spielen in der BBL mit Julius Jenkins, Casey Jacobsen, Rickey Paulding oder Derrick Allen Top-Spieler auf internationalem Niveau. Das sind echte Highlights mit Wert.
SPOX: Die beiden Amerikaner Jenkins und Allen spielen bei Alba, das auch in dieser Saison den Eindruck vermittelt, lieber auf ausländische statt deutsche Spieler zu setzen. Das trägt nicht unbedingt dazu bei, deutsche Identifikationsfiguren aufzubauen.
Pommer: Es gibt zwei Ebenen. Die erste: Albas Engagement bei der Suche nach neuen Talenten ist überragend. Der Verein kümmert sich seit Jahren vorbildlich um die Jugend, hat umfangreichste Schulprogramme initiiert und investiert eine sehr große Summe in die eigene Nachwuchsförderung. Die zweite und letztlich entscheidende Ebene: Das Profiteam soll deutscher Meister werden, das ist der klare Anspruch. Wer sich solche Ziele setzt, muss sich womöglich auch von abstrakt Wünschenswertem und langfristig Gewolltem verabschieden und akzeptieren, dass eben auch Ausländer verpflichtet werden müssen, um die Trophäe in den Händen zu halten. Ausländer wie Jenkins, die uns seit Jahren sehr viel Freude machen!
SPOX: Aber warum versauerte der deutsche Nationalspieler Zwiener in Berlin auf der Bank, nur um nach Trier zu gehen, dort aufzublühen und sich mit 15,7 Punkten auf Rang drei der Topscorer-Liste zu platzieren?
Pommer: Das zu beurteilen fehlt mir schlicht die Sachkunde und der Einblick vor Ort.
SPOX: Während Berlin in der Offseason die Mannschaft erneut durcheinander wirbelte, hielt Bamberg die komplette Starting Five zusammen und legte einen überragenden Saisonstart hin: in der BBL unbesiegt und in der Euroleague die Top 16 im Blick. Hat Bamberg endgültig Alba als die Nummer eins des deutschen Basketballs abgelöst?
Pommer: Nein, die bekannteste Marke der BBL ist und bleibt vorerst Alba. Das soll jedoch nicht den Erfolg Bambergs schmälern. Es ist famos, was dort entstanden ist. Das Konzept, auf Kontinuität zu setzen und alle Leistungsträger weiter zu verpflichten, ist sicher der entscheidende Schlüssel für die tolle Saison und sollte weitere Nachahmer in der Liga finden.
SPOX: Müssen Sie als Liga-Geschäftsführer neutral sein oder dürfen Sie dem FC Bayern die Daumen drücken, dass ihm der Aufstieg gelingt und neben Alba und Bamberg ein dritter Hochkaräter in der BBL spielet?
Pommer: Ich drücke dem Verein natürlich die Daumen. Mit den Bayern würde die gesamte Liga einen Schritt nach vorne machen, weil sie es wie niemand sonst vermögen, Fans zu mobilisieren, große Emotionen zu wecken und Interesse zu generieren. Bei den Bundesliga-Vereinen merkt man nach meinem Eindruck bereits eine Vorwärtsbewegung, weil sie sich dafür wappnen, dass aus der zweiten Liga eine Mannschaft nachkommt, die sofort Jagd auf die etablierten Klubs machen wird.
SPOX: Bisher gab es aus der BBL und von den Vereinsvertretern keine kritischen Stimmen zum FC Bayern. Aber erwarten Sie, dass die Stimmung kippt, je näher der Aufstieg heranrückt?
Pommer: Das ist doch das Schöne: Man kann wohl keinen Verein so gut lieben oder so gut "hassen" wie den FC Bayern. Bisher ist der Tenor ausnahmslos positiv, weil vom Grundsatz her jeder den Bayern-Einstieg sehr gut findet. Wenn aber das Tagesgeschäft beginnt, wird es wie sonst auch richtig zur Sache gehen. Wer bekommt wie viele TV-Live-Spiele? Wer muss zurückstecken? Wird etwa ein Verein bevorzugt? Da werden wir das Ballyhoo erleben, das Sport so reizvoll macht.
SPOX: Eine wichtige Frage fehlt, die sich die Konkurrenten sicher stellen werden: Darf Bundestrainer Bauermann auch in der BBL den FC Bayern trainieren, obwohl das nach Liga-Statuten bisher verboten ist?
Pommer: Wir haben uns mit Bayern-Präsident Uli Hoeneß getroffen und festgestellt, dass sich die Frage aktuell schlicht nicht stellt. Gleichzeitig haben wir aber festgehalten, dass unsere Gründe, warum ein Bundestrainer keine Doppelfunktion ausüben sollte, weiterhin valide sind.
SPOX: Welche Gründe?
Pommer: Die vom Bundestrainer betreute Mannschaft bekommt mehr mediale Autorität. Deutsche Spieler, insbesondere jüngere, könnten nach München und nicht zu einem anderen Verein wechseln, weil sie sich dem Bundestrainer täglich präsentieren wollen. Es ist nicht leicht, "Diener zweier Herren" zu sein, vor allem, wenn beide Jobs so anspruchsvoll und zeitintensiv sind. Das kann von einer Person nicht ohne Weiteres gestemmt werden, obwohl ich Herrn Bauermanns Ehrgeiz und Leistungsvermögen gut kenne. Ich hatte den Eindruck, dass Herr Hoeneß unsere Argumente durchaus hat aufnehmen können.
SPOX: Das würde bedeuten, dass Bauermann entweder den Job beim DBB oder bei den Bayern aufgeben müsste. Sollte er sich gegen die Nationalmannschaft entscheiden, würde eine ähnliche Unsicherheit einkehren wie derzeit im Eishockey, nachdem Bundestrainer Uwe Krupp seinen Weggang für 2011 ankündigte, um Köln zu übernehmen. Ist eine Sonderregelung für Bauermann ausgeschlossen?
Pommer: Dirk Bauermann ist ein ganz hervorragender Trainer und ein Aushängeschild für den deutschen Basketball. Er gehört zu den Stars des Sports und er hat sehr viel für die Nationalmannschaft geleistet. Das alles ist unbestreitbar. Aber: Es wäre doch wohl übertrieben zu sagen, dass Dirk Bauermann der Einzige ist, der die Nationalmannschaft erfolgreich führen kann.
Dirk Bauermann im SPOX-Interview: "Ich heule mit den Wölfen"