Ein italienischer Star-Trainer für die BBL - doch wer ist dieser Andrea Trinchieri? In seinem ersten großen Interview in Deutschland spricht der neue Bamberger Headcoach (46) über die deutsche Internet-HD-Revolution, die BBL als zukünftige Basketball-Macht und die Außerirdischen von München.
SPOX: Herr Trinchieri, Sie wurden 2010 und 2011 zum Trainer des Jahres in Italien gewählt und gewannen in dieser Saison die gleiche Auszeichnung im Eurocup-Wettbewerb, dem Äquivalent zur Europa League im Fußball, nachdem Sie mit Kasan das Finale erreicht hatten. Warum wechselt ein derart erfolgreicher Coach in die BBL nach Bamberg?
Andrea Trinchieri: Bevor sich jemand langweilt, warne ich jeden vor: Ich werde im Interview häufig ein Wort aus dem Englischen nutzen, um die Entscheidung zu erklären. Es lautet: "sustainability". Die BBL ist die nachhaltigste, stabilste und zukunftsfähigste Liga außerhalb der NBA. In Europa ist die BBL womöglich die einzige Liga überhaupt, die alles daran setzt, das Niveau nach oben zu verschieben, neue Arenen zu bauen und diese zu füllen. Und jetzt kommt der Abschluss des neuen Medienvertrags mit der Deutschen Telekom hinzu. Als ich die Pressemitteilung las, war ich wie ein ganz normaler Basketball-Fan vor Freude fast schon geschockt, dass so etwas in unserer Sportart möglich ist. Alle Spiele live? In HD? Auf allen erdenklichen Endgeräten? Und das für 10 Euro im Monat? Wo gibt es sonst Vergleichbares außer dem NBA-League-Pass? Der Telekom-Deal komplettiert das Bild einer Basketball-Liga, deren Weg nur nach oben gehen kann. Und ich möchte ein Teil dessen sein.
SPOX-Informationen: Supertalent Theis wechselt nach Bamberg
SPOX: Genügt der Medienvertrag, um die Vision von BBL-Geschäftsführer Jan Pommer zu verwirklichen, wonach Deutschland bis 2020 die beste Liga Europas stellt?
Trinchieri: Ich habe natürlich mitbekommen, dass die BBL den Vertrag mit dem Geschäftsführer bis 2018 verlängert hat. Bis 2018! Das bedeutet, dass die BBL einen Plan verfolgt. Und ich mag das. Ich mag das sehr. Womöglich ist der Vergleich weit hergeholt, aber Jan Pommer erinnert mich mit seinen Visionen an Steve Jobs. Niemand hat geglaubt, dass Jobs mit Apple jemals so einen Erfolg haben würde.
SPOX: Die BBL als die sportliche Variante von Apple?
Trinchieri: Versetzen wir uns doch nur drei Jahre zurück. Damals war die BBL als Produkt ein komplett anderes - und was seitdem geleistet wurde, ist fantastisch. Die spanische Liga besitzt nach wie vor mehr Qualität bei den Topteams: Real Madrid, FC Barcelona, Valencia, Malaga, Vitoria. Gleichzeitig gibt es dort genügend Klubs, die sich finanziell in der ersten Liga übernehmen oder wie Bilbao in sehr große Probleme geraten. Das Zerplatzen der Finanzblase hat den spanischen Basketball längst erreicht. Die BBL wiederum profitiert natürlich davon, dass Deutschland als Nation sehr effizient arbeitet und die Volkswirtschaft wächst. In einem Wort: In Deutschland herrscht "sustainability". Und die BBL folgt dem Prinzip und strahlt eine derartige Stabilität aus, dass sie mittlerweile ein Vorbild sein sollte für alle anderen europäischen Ligen.
SPOX: Besonders für Ihre Heimat, die italienische Liga? Sie war früher führend in Europa und ist nun fast schon belanglos.
Trinchieri: In der italienischen Liga steckt immer noch Leidenschaft und die Menschen kommen zu den Spielen. Das Problem: Es wird nichts mehr investiert, es gibt keine neuen Arenen. Wir haben wegen den finanziellen Problemen in der jüngeren Vergangenheit mit Benetton Treviso und Fortitudo Bologna zwei Topklubs verloren. Einfach so. Man muss sich nur vorstellen, was mit der BBL passieren würde, wenn aus dem Nichts Alba Berlin und Bamberg verschwinden. Und in Krisenzeiten ist es leider so, dass die meisten nur noch an sich selbst denken. Statt dass man sich zusammen organisiert und jeder etwas von seinen Ressourcen abgibt, damit sinnbildlich ein neues Haus gebaut und ein solides Fundament gelegt wird, rafft jeder Klub seine Habseligkeiten zusammen und behält es für sich.
SPOX: Ist die italienische Liga ein Mahnmal für die BBL?
Trinchieri: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ähnliches in Deutschland wiederholt. Italienische Klubs hängen sehr am Tropf ihrer Besitzer. Sie sind abhängig von deren Leidenschaft, Begierde, Sehnsucht - und dem Portemonnaie. Der italienische Mäzen verteilt Geld an das Team und die Fans, weil er sich selbst daran erfreut und es ihn befriedigt, ohne dafür etwas zurückzufordern außer sportlichen Erfolg. Ihm ist wirtschaftliche Rentabilität nicht wichtig. Das ist aber nicht "sustainable". Es muss nicht so durchkommerzialisiert sein wie die NBA, dennoch bleibt jede Liga ein Wirtschaftssystem. Wie soll allerdings ein Wirtschaftssystem funktionieren, wenn sich die wichtigsten Protagonisten nicht an wirtschaftliche Grundsätze halten?
SPOX: Michael Stoschek, der mächtige Mann in Bamberg, ist als Unternehmer extrem erfolgreich. Sein Automobilzuliefer-Unternehmen "Brose" erwirtschaftete 2013 einen Umsatz von fast fünf Milliarden Euro. Wobei seine Art, wie er die von ihm gesponserten Brose Baskets als Aufsichtsratsboss führt, teilweise an die Willkür eines südeuropäischen Klub-Patrons erinnert. Die Entlassung von Erfolgstrainer Chris Fleming dient vielen als Beleg. Warum haben Sie Stoschek zugesagt?
Trinchieri: Vorweg: Ich habe tiefsten Respekt vor Chris Fleming. Die Erfolge der letzten Jahre kann ihm keiner nehmen. Die sechs Jahre waren ein unglaublicher Run, unglaublich erfolgreich. Ich bin fasziniert, wie hoch das Level des Klubs ist, und das hängt maßgeblich mit Chris Flemings Arbeit zusammen. Aber bei allem Respekt glaube ich, dass Bamberg einen Neustart benötigt. Ein Basketball-Team ist wie ein menschliches Wesen mit einem eigenen Lebenszyklus. Und der Zyklus fand diese Saison ein Ende. Chris Fleming sollte man dabei gar nichts vorwerfen. Es ist extrem schwer für einen Coach, vorher zu prognostizieren, wann das natürliche Ende naht. Man vertraut Spielern, die einem in der Vergangenheit viel gegeben haben. Jedoch erreicht man irgendwann den Punkt, an dem sie nicht mehr in Stande sind, das zu leisten. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen war es noch nie möglich, das vorherzusagen, was in Bamberg 2013/14 passiert ist.
SPOX: Trotzdem war Stoschek sehr erbost über Fleming.
Trinchieri: Man muss Herr Stoscheks Werdegang kennen, um ihn zu verstehen. Er ist ein sehr, sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Ich habe mir seine Fabrik angeschaut und es ist beeindruckend, was er aufgebaut hat. Ich sah ihm an, als er mir alles zeigte, warum er so stolz ist. Und das ist sein absolut gutes Recht. Die Öffentlichkeit darf nicht vergessen: Viele großen Klub-Besitzer waren Selfmade-Men, die allen Widrigkeiten trotzten. Und Michael Stoschek ist ein Winner. Er ist ein Winner des Lebens. Ohne Herrn Stoschek wäre Bamberg nie zu dem Basketball-Standort geworden, den wir jetzt kennen. Zugleich gilt für ihn wie für jeden anderen Menschen, dass die Vergangenheit ein guter Lehrer für die Zukunft ist. Aus der Saison werden alle etwas gelernt haben.
Seite 1: Trinchieri über den Telekom-Deal und Brose-Boss Stoschek
Seite 2: Trinchieri über die Erwartungshaltung in Bamberg und die Bayern
Seite 3: Trinchieri über das Tauziehen um Gavel und seine multikulturelle Kindheit
SPOX: Es bleibt ein Nachgeschmack über das Gebaren im Zuge der Fleming-Entlassung. Ulms Trainer Thorsten Leibenath zeigte sich solidarisch und sagte, dass er einen Wechsel nach Bamberg "unter keinen Umständen" in Betracht gezogen hätte. Seine Erklärung: "Ich bin zutiefst entsetzt über die Art und Weise, wie mit Chris Fleming und Wolfgang Heyder umgegangen wurde."
Trinchieri: Ich kenne Thorsten sehr gut, seit er vor einigen Jahren nach Cantu kam, um das Training zu beobachten. Ich schätze ihn sehr als Trainer und als Mensch. Dennoch möchte ich das Thema nicht kommentieren. Es steht mir nicht zu, über Vorfälle öffentlich zu urteilen, die ich nicht selbst erlebt habe. Es ist einfach nicht höflich. Ich wollte einen kompletten Neustart und ich sprach mit Herrn Stoschek über alle Themen und wir fanden eine gemeinsame Basis. Das ist entscheidend.
Ulm-Erfolgscoach Leibenath im SPOX-Interview: "Ein Stück Magath kopieren"
SPOX: Wenn Sie eine gemeinsame Basis gefunden haben: Wie lauten denn die gemeinsamen Ziele für die kommende Saison? Wenn Stoschek die deutsche Meisterschaft erwartet, dürfte das nicht verwundern.
Trinchieri: Ich kenne die Regeln des Basketballs zu gut, um offen darüber zu sprechen. Im Juni ist es immer einfach, über gemeinsame Ziele zu sprechen. Im Juli und im August ist es immer noch relativ einfach. Im September wird es schon haarig. Und im Oktober ist die Zeit für eine schonungslose Bestandaufnahme gekommen, ob die gemeinsamen Ziele auch realistische Ziele sind. Wir verpflichten einen fast komplett neuen Kader, daher werden Rückschläge kommen. Die Frage wird sein, wie wir mit den Rückschlägen umgehen. Dann werden wir sehen, wie wertvoll die gemeinsame Basis ist. (lacht)
SPOX: Obwohl Bamberg hinter den Bayern über den größten Etat der BBL verfügt, hätten Sie es in Kasan einfacher gehabt, eine gute Mannschaft zusammenzustellen.
Trinchieri: Mir lag von Kasan ein sehr gutes, sehr lukratives Angebot vor, um zu bleiben.
SPOX: Warum haben Sie sich dagegen entschieden? Sie hatten sofort Erfolg, führten Kasan mit der statistisch besten Defense aller Zeiten ins Eurocup-Finale, gewannen den russischen Pokal, pflanzten der Mannschaft eine kollektive Identität ein und stellten so die Bosse sehr zufrieden.
Trinchieri: Im Moment der Entscheidung habe ich mir die gleiche Frage gestellt - und sie mit "Nein" beantwortet. Es fühlte sich nicht richtig an. Nach dem ersten Jahr in Kasan wäre es mir wichtig gewesen, dass wir dort weitermachen, wo wir aufgehört haben. Ein paar Spieler behalten, Strukturen verbessern, eine gemeinsame Vision entwickeln. Nur: In Bamberg machen die Spielergehälter ungefähr 50 Prozent des gesamten Budgets aus, in Kasan sind es 90 Prozent. Das ist nichts, was nachhaltig sein kann, egal wie sehr sich alle bemühen.
SPOX: Stattdessen kehren Sie zu Ihren Wurzeln zurück: Bamberg erinnert vom beschaulichen Stadtbild und der Basketball-Tradition an Cantu, wo Sie zwischen 2009 und 2013 große Erfolge feierten. Oder ist der Vergleich zu offensichtlich?
Trinchieri: Ich mag es per se nicht, wenn etwas offensichtlich ist. Gemein haben Cantu und Bamberg die Passion für den Basketball und die überschaubare Größe der Stadt. Davon abgesehen ist Bamberg kein Abklatsch, sondern besitzt eine eigene Trademark - die allerdings ein bisschen aufgeweicht wurde. Daher wollen wir wieder dahinkommen, wo wir einmal waren, und zum Bamberg-Basketball zurückfinden: Jeder Spieler soll über die eigenen Grenzen hinausgehen und nach der Schlusssirene den Schweiß und das Blut mit dem roten Brose-Baskets-Trikot abwischen und erhobenen Hauptes den Court verlassen.
SPOX: Sie bezeichnen San Antonios Meistertrainer Gregg Popovich als den besten Basketball-Coach der Welt, dessen Rollenverteilung innerhalb eines Teams beispielhaft sei: Mit Tony Parker, Tim Duncan und Manu Ginobili besitzt er drei zentrale Spieler, um die er neun Ergänzungsspieler versammelt, die jeweils genau ihre Aufgaben kennen. Wen planen Sie in Bamberg als Ihre drei zentralen Spieler ein?
Trinchieri: Ich weiß es noch nicht, aber einer von den dreien wird definitiv ein junger Spieler sein.
SPOX: Elias Harris und Maik Zirbes, die beiden deutschen Nationalspieler, enttäuschten. Haben sich beide damit für eine tragende Rolle disqualifiziert?
Trinchieri: Die enttäuschende Saison auf einzelne Namen zu reduzieren und mit dem Finger auf zwei Spieler zu richten, ist unfair. Sie waren Opfer der Umstände.
SPOX: Bamberg bietet wie die Bayern und Alba um Würzburgs Maxi Kleber und Ulms Daniel Theis. Kennen Sie die beiden?
Trinchieri: Wenn ich Maxi und Daniel mit ihren Stärken und Schwächen nicht genau kennen würde, wäre ich der falsche Trainer für Bamberg. Ich verfolge den Werdegang der beiden und sie zu vergleichen, ist schwierig, obwohl beide Power Forwards sind. Für Maxi wäre nach den vielen Verletzungen am wichtigsten, ein komplettes Jahr durchzuspielen und so zu zeigen, was für ein Spieler er wirklich sein kann. Bisher ist er immer noch eine Versprechung. Daniel ist das größte deutsche Talent. Wenn wir ihn bekommen, dann ist er unsere Lebensversicherung für die Zukunft. Sein Potenzial ist unendlich. Wenn er sagt: "Ich möchte mich entwickeln! Ich möchte schuften!", dann würde er bei uns sehr viel eingesetzt werden und wir könnten gemeinsam daran arbeiten, ihn Schritt für Schritt zu verbessern. Sein Herz ist seine größte Stärke - und wenn er sie beibehält, wird er es ganz nach oben schaffen.
Daniel Theis im SPOX-Interview: "Ich pushe mich mit Kevin Garnett"
SPOX: Die Bayern buhlen aktiv um Kleber und Theis. Wie sehr werden sie zukünftig mit den Münchnern ins Gehege kommen?
Trinchieri: Die Bayern fragen selbst bei LeBron James an, ob er nicht kommen will. Ich sage es, wie ich es empfinde: Die Bayern gehen mir auf die Nerven. Jedes Mal, wenn man mit einem möglichen Neuzugang spricht und die Verhandlungen weit gediehen sind, tauchen sie auf und versuchen, alles zu vermasseln. Zugleich dürfen wir nie vergessen, dass die Bayern mit ihren Ambitionen ein wichtiger Motor für die BBL sind, um sich immer weiter zu verbessern. Natürlich profitieren Sie vom starken Fußball-Verein im Hintergrund, andererseits hatten Basketball-Klubs schon oft ähnliche Voraussetzungen und ruinierten es sich selbst. Daher gebührt den Bayern Respekt.
Seite 1: Trinchieri über den Telekom-Deal und Brose-Boss Stoschek
Seite 2: Trinchieri über die Erwartungshaltung in Bamberg und die Bayern
Seite 3: Trinchieri über das Tauziehen um Gavel und seine multikulturelle Kindheit
SPOX: Wie geht es weiter mit Anton Gavel, dem Gesicht der Brose Baskets? Stoschek bot ihm sogar ein Mitspracherecht bei der Kaderfindung an, um ihn von der Unterschrift bei den Bayern abzuhalten.
Trinchieri: Ich habe mit ihm gesprochen, als ich in Bamberg zur Vorstellung war. Was ich mochte: Er war geradeheraus und sagte mir, was ihm diese Saison alles missfiel. Diese Ehrlichkeit zeichnet ihn aus. Er stammt nicht aus Chicago oder Los Angeles, sondern aus Kosice, Slowakei. Er musste einen unglaublichen Willen aufbringen, um so erfolgreich zu sein. Das bewundere ich an ihm. Er war das Herz und die Seele des Teams. In unserem Gespräch machte er mir deutlich, wie seine Position lautet. Und ich sagte ihm deutlich, was meine Position ist. Jetzt werden wir sehen, wie er sich entscheidet. Er soll zunächst seinen Kopf freibekommen.
SPOX: Auf die Dienste von Jared Jordan legt Bamberg keinen Wert mehr, so dass die Suche nach einem neuen Point Guard zu den wichtigsten Aufgaben gehört. Ist es ausgeschlossen, dass Sie Eurocup-MVP Andrew Goudelock, früher bei den Los Angeles Lakers, aus Kasan mitbringen?
Trinchieri: Es gibt keine Möglichkeit auf dieser Welt, jemanden wie Goudelock zu verpflichten. Er hat einen Weg eingeschlagen, der nicht nach Bamberg führt. Wir werden uns anderweitig umsehen und es ist klar, dass es nicht einfach wird.
SPOX: Sportdirektor Wolfgang Heyder ist bekannt dafür, extrem früh seinen Arbeitstag zu beginnen. Wie sieht die Zusammenarbeit mit ihm aus, nachdem er im Zuge der Fleming-Trennung aus der Geschäftsführung zurücktrat und seinen Abschied vorbereiten wollte?
Trinchieri: Zuletzt bekam ich von ihm um 4.49 Uhr früh eine Mail. (lacht) Wir telefonieren jeden Tag und die Arbeit mit ihm ist sehr befruchtend. Es entstand von Anfang an eine großartige Chemie zwischen uns. Wolfgang ist ein großartiger Manager und ich wünsche mir von Herzen, dass er an meiner Seite bleibt. Er kennt Bamberg wie kein Zweiter und hat den Klub aufgebaut. Wer sich so lange in so einer schwierigen Position behauptet, dem unterlaufen automatisch Fehler. Aber bei ihm sind es so wenige Fehler, dass es kein Zufall sein kann. Ich habe selten so etwas erlebt.
SPOX: Auf was werden Sie bei der Spielerrekrutierung achten?
Trinchieri: Ich stehe für Team-Basketball. Ich glaube einfach nicht daran, dass der NBA-Stil mit den Isolations in Europa unter FIBA-Regeln erfolgreich sein kann. Das Spielfeld bei uns ist viel kleiner und wenn ein Spieler andauernd alleine zum Korb zieht, kollidiert er immer gegen eine Wand aus Gegnern. Daher möchte ich Spieler, die meine Aufforderung verstehen, dass der Ball und die Spieler ständig in Bewegung sein müssen.
SPOX: Sie sind multikulturell aufgewachsen und können neben italienisch auch serbokroatisch und englisch fließend sprechen. Hilft das?
Trinchieri: In mir fließt das Blut aus vielen Ecken der Welt. Ich hatte das Privileg, mit drei Sprachen aufzuwachsen und von drei Familien erzogen zu werden mit den unterschiedlichsten Kulturen und Gebräuchen. Das kommt mir entsprechend entgegen, wenn ich einen jungen Amerikaner trainiere, der erstmals in Europa spielt. Ich verstehe, wie er tickt, weil ich die US-Sozialisation kenne. So entsteht eine Verbindung. Kyle Hines habe ich beispielsweise in die zweite italienische Liga geholt, danach gelang ihm über Bamberg sogar der Sprung zu ZSKA Moskau, obwohl mir jeder einreden wollte, dass er zu klein wäre. Ich erkannte durch die Gespräche mit ihm, dass die Körpergröße nicht von Belang sein darf, weil sein Herz so riesengroß ist. Ähnlich lief es mit Keith Langford, der ebenfalls bei mir in der zweiten italienischen Liga anfing, bevor er diese Saison für Milano als Euroleague-Topscorer ausgezeichnet wurde.
SPOX: Wie sind genau Ihre familiären Wurzeln?
Trinchieri: Mein Großvater lebte in Boston als italienischer Konsul und heiratete eine Amerikanerin. Dort wurde mein Vater geboren, daher erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Er wiederum zog nach London um, wo er meine Mutter, eine Kroatin, kennenlernte. Nach der Hochzeit entschlossen sie sich, nach Italien zu gehen, weil es damals einer der schönsten Orte der Welt war.
SPOX: Sie sagten einmal, als Sie auf die beiden Trainer-Legenden Zeljko Obradovic und Ettore Messina angesprochen wurden: "Obradovic wurde fürs Coaching geboren, er ist ein Genie. Messina hingegen musste sich alles selbst erarbeiten." Sind Sie ein Genie oder ein Arbeiter?
Trinchieri: Ich kam aus dem Nichts und musste Stufe um Stufe erklimmen. Ich war kein guter Spieler und als Coach fing ich in der sechsten italienischen Liga an. Von daher muss ich ein harter Arbeiter sein.
SPOX: Andererseits: Wer sich so schnell hocharbeitet, den könnte man als Genie bezeichnen.
Trinchieri: Ich weiß es nicht. Sagen wir es so: Ich habe etwas Großes geschafft in Cantu. Aber ich spüre, dass noch einiges in mir steckt. Daher habe ich für mich selbst noch gar nicht entschieden, wer ich bin. Ich weiß noch nicht, was alles möglich ist. Und ich will es auch gar nicht wissen. Wer zu viel über sich nachdenkt, dem unterläuft bereits der erste Fehler. Die Bayern landeten wie die Außerirdischen auf der Erde, keiner hatte sie erwartet, und sie übernehmen die Bundesliga und bald Europa. Sie sind die Realität. Doch wir Bamberger sind als Underdogs zur Stelle, um sie herauszufordern. Wenn mir das gelingt, habe ich vielleicht die innere Ruhe, um kurz über mich nachzudenken. Vielleicht bin ich danach schlauer.
Seite 1: Trinchieri über den Telekom-Deal und Brose-Boss Stoschek
Seite 2: Trinchieri über die Erwartungshaltung in Bamberg und die Bayern
Seite 3: Trinchieri über das Tauziehen um Gavel und seine multikulturelle Kindheit
Alles zu den Brose Baskets Bamberg