"DBB-Team braucht Kaman nicht"

Von Max Marbeiter
Patrick Femerling ist Rekordnationalspieler Deutschlands
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SPOX: Und wie war es bei Ihnen damals?

Femerling: Bei mir ging das alles relativ zügig. Ich habe in der B-Jugend mit zwei Mal Training pro Woche angefangen. Das hat sich dann gesteigert auf drei Mal, vier Mal, bis ich mit 17 dann in die erste Herrenmannschaft von ART Düsseldorf gerutscht bin, die in der zweiten Liga gespielt haben. Dort haben mir Leute wie Arvid Kramer, der ja auch schon Bundesligaerfahrung hatte, gezeigt, wo ich wirklich stehe. Es ging alles relativ schnell und deshalb unbewusst, was aber in einigen Situationen nicht unbedingt schlecht ist. Man macht sich dann nicht so einen Kopf, um die Dinge, die eigentlich passieren müssten oder sollten. Man gibt einfach alles und schaut, wo man steht. Das macht es vielleicht sogar ein wenig leichter.

SPOX: Wie beurteilen Sie die Nachwuchssituation im deutschen Basketball?

Femerling: Erst einmal ist wahnsinnig viel Talent vorhanden. Wir haben viele Jungs, die richtig Lust haben, etwas zu erreichen und sich zu verbessern. Die Quote in der BBL hilft natürlich. Dazu ist die Situation in anderen europäischen Ländern nicht mehr so rosig wie noch vor einigen Jahren. So profitiert die BBL ungemein.

SPOX: Dabei wurde die Quote zunächst nicht überall positiv gesehen.

Femerling: Richtig. Viele haben gemeckert und geunkt, dass man nun keine Spieler mehr bekommen würde, was an sich schon mal eine Frechheit ist. Denn, wenn du einen guten Spieler haben möchtest, musst du auch Geld hinlegen. Das ist im Profisport nun mal so. Mittlerweile steht die Liga national besser da, aber auch international. Andererseits bedienen wir derzeit aber wahrscheinlich noch nicht all die vorhandenen Talente. Dazu brauchen wir eine flächendeckendere Förderung mit mehr Sponsoring, besserer Logistik. Der eingeschlagene Weg ist in meinen Augen aber richtig. Nun muss man dran bleiben.

SPOX: Ist das abseits der großen Vereine überhaupt möglich?

Femerling: Sicherlich. Auch in kleinen Vereinen wird gut gearbeitet, auch dort gibt es gute Trainer. Es steht und fällt mit den Trainern und der Zeit, die sie investieren können - und wollen. Wenn sie aber genügend Zeit haben, um den Kindern dabei zu helfen, den nächsten Schritt zu tun und vielleicht zu einem größeren Verein zu gehen, profitieren alle. Gerade der deutsche Basketball. Dann hätte man eine ganz andere Masse und Qualität an Spielern. Dann könnte die Nationalmannschaft aus einem viel größeren Talentepool schöpfen - und plötzlich hat man ein Luxusproblem. Das dauert natürlich noch, aber ich glaube, dass es durchaus möglich ist.

SPOX: Sie haben die internationalen Ligen bereits angesprochen. Wo stehen die deutschen Vereine international derzeit? Geht es schon in Richtung Elite oder ist der Weg noch weit?

Femerling: Man muss sich mit den internationalen Vereinen messen und will das natürlich auch. Ich persönlich mag es nicht so, wenn man die Dinge immer nur auf das Geld reduziert. Denn Geld allein gewinnt keine Meisterschaft - und auch keine Euroleague. Natürlich hat man mit Grundvoraussetzungen, wie Moskau, Barca oder Real sie haben, einen kleinen Wettbewerbsvorteil. Den kann man auch nicht wegdiskutieren. Man darf das aber nicht als Ausrede verwenden. Es heißt nämlich nicht, dass wir in Deutschland deshalb weniger machen müssen. Rein leistungsmäßig hat die BBL einen großen Schritt gemacht. Chris Fleming hat in Bamberg beispielsweise gezeigt, was mit Kontinuität alles zu erreichen ist.

SPOX: Sie selbst haben ja bereits für den einen oder anderen Topverein gespielt. Tibor Pleiß hat nun wie Sie 2002 den Schritt zu Barca gewagt. Wie beurteilen Sie seine Entwicklung?

Femerling: Er entwickelt sich wirklich gut. In großen europäischen Klubs zu spielen, ist nämlich alles andere als einfach. Tibor hat aber bereits bei Laboral Kutxa gute Leistungen gebracht und so Barcas Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Am Ende muss man immer in neue Rollen hineinwachsen, aber er wird auch dieser neuen Aufgabe gewachsen sein und alles dafür tun, sich zu behaupten.

SPOX: Inwieweit haben sich denn die Anforderungen an einen Center, verglichen mit Ihrer Zeit in Barcelona, geändert?

Femerling: Das Spiel wird immer athletischer. Du musst mittlerweile den Tempowechsel beherrschen und laufen können. Wenn du als Big Man mitlaufen kannst, kannst du auch mitspielen. Zudem ist das Spiel taktisch immer anspruchsvoller geworden. Und gerade diese Mischung aus Athletik und Taktik macht es immer schwerer. Es wird schneller gespielt, dennoch muss man taktisch clever sein. Alles in allem ist es schon anspruchsvoller geworden. Andererseits wachsen die Jungs aber auch so auf. Sie trainieren täglich auf diesem Niveau - und das bereits über einen längeren Zeitraum. Da gewöhnt man sich an diese Anforderungen.

SPOX: Apropos, anspruchsvoll: Im kommenden Jahr steht die nächste EM an. Die DBB-Auswahl wird die Vorrunde in Berlin absolvieren und Sie haben die Gruppen mit ausgelost. Hat man da im Nachhinein ein schlechtes Gewissen, dass Deutschland nun unter anderem auf Serbien und Spanien trifft?

Femerling: (lacht) Ich habe das natürlich extra so gemacht, um für eine noch spannendere Vorrunde zu sorgen. So können sich die Jungs direkt gegen die großen Teams behaupten sind gleich drin im Turnier.

SPOX: Spaß beiseite: Wie schätzen Sie Chancen der DBB-Auswahl auf ein erfolgreiches Turnier ein?

Femerling: Eigentlich gar nicht so schlecht. Es kommt natürlich darauf an, wie die Vorbereitung läuft, ob alle fit sind, dass man gleich einen guten Rhythmus findet. Ich denke nicht, dass wir uns verstecken müssen. Klar spielen in der Gruppe fast nur Mitfavoriten, andererseits braucht es da keine zusätzliche Motivation mehr.

SPOX: Sollten wirklich alle dabei sein - Dirk Nowitzki, Dennis Schröder, etc. besäße der DBB bei dieser EM dann die talentierteste Nationalmannschaften seit langem?

Femerling: Mit Sicherheit. Wir sind sehr gut ausbalanciert. Es geht dann natürlich darum, das alles auch zusammenzubringen. Allerdings sollte man nicht den Fehler machen und gerade von Dennis zu viel erwarten. Er ist ja noch ein Basketballküken, extrem jung. Er hat gerade erst den Schritt in die beste Liga der Welt gemacht, sucht dort seinen Platz und behauptet sich in diesem Jahr gut. Da sollte man die Erwartungen an ihn ein wenig zurückschrauben und ihm Ruhe gönnen. Bei Dirk ist das natürlich etwas anderes. Er ist das gewohnt.

SPOX: Würde Schröder angesichts dessen vielleicht sogar am meisten von Nowitzki profitieren?

Femerling: Sicherlich. Dirk zieht so viel Aufmerksamkeit auf sich und kann damit bestens umgehen. Davon profitieren alle.

SPOX: Inwieweit würde die Nationalmannschaft von einer Zusage Chris Kamans profitieren? Sie haben ja selbst mit ihm gespielt.

Femerling: Ich denke nicht, dass Kaman wichtig für die Mannschaft ist. Klar kommt es darauf an, wie man ihn einsetzt. Offensiv ist er ein grandioser Spieler, aber auf den großen Positionen haben wir in Deutschland in meinen Augen relativ wenige Probleme. Deshalb sehe ich nicht die Notwendigkeit, ihn zu holen. Chris ist ein netter Typ, war ein guter Teamkolleg. Aber mit Daniel Theis, Tibor Pleiß, Maik Zirbes oder Andreas Seiferth haben wir so viele gute Jungs, die sich zeigen wollen. Und wenn Dirk dabei ist, wird es ohnehin schon eng. Deshalb denke ich nicht, dass die Nationalmannschaft Kaman braucht.

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