Elias Harris von Brose Bamberg im Interview: "Wir dachten, dass es ein Selbstläufer wird"

Robert Arndt
28. September 201812:38
Elias Harris will in dieser Saison wieder angreifen.getty
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Elias Harris von Brose Bamberg hat sich in den vergangenen beiden Jahren mit Verletzungspech herumgeplagt, nun ist der deutsche Nationalspieler wieder fit. Im Interview mit SPOX spricht der Forward vor dem Start der BBL-Saison mit dem Spiel in Würzburg am Samstag über seine Leidenszeit, die veränderten Bedingungen in Bamberg, die Entlassung von Coach Andrea Trinchieri und die neue Aufgabe Basketball Champions League.

Außerdem blickt Harris auf seine Zeit bei den Los Angeles Lakers zurück und spricht über seine verpasste Chance im Draft.

SPOX: Herr Harris, die vergangenen zwei Jahre hatten Sie unglaubliches Verletzungspech, mussten zweimal am Knie operiert werden. Nun sind Sie zum Saisonstart wieder fit, haben das Programm voll runtergespult. Wie geht es dem Knie?

Elias Harris: Ich fühle mich richtig gut. Klar, nach zehn Monaten Spielpause musste ich mich erst einmal wieder reinfinden und einen Rhythmus bekommen, aber es ist nun alles so, wie ich es mir erwünscht und erhofft habe.

SPOX: Wie war das für Sie in der vergangenen Saison? Sie kamen gerade erst von einer Meniskusverletzung zurück und mussten dann nach wenigen Spielen wieder operiert werden. Gleichzeitig lief es sportlich für Bamberg nicht mehr wie gewohnt.

Harris: Es war sehr ärgerlich, weil es auch wieder die gleiche Stelle war. Da fragt man sich dann natürlich selbst, ob man zu früh wieder angefangen hat. Andererseits hatte ich zu diesem Zeitpunkt keine Probleme mehr, ich fühlte mich fit. Das war alles schon sehr anstrengend und nervig, auch weil es beim Team nicht so lief. Ich wollte unbedingt helfen und war zum Zuschauen verdammt. So ist das leider im Leben eines Sportlers. Ich war da nicht der Erste, dem so etwas passiert und werde auch nicht der Letzte gewesen sein.

SPOX: Konnten Sie wenigstens ein paar Lehren aus dieser Zeit ziehen?

Harris: Das klingt ein wenig abgedroschen, aber du darfst nie aufhören, positiv zu denken. Diese Einstellung hat mir während der Zeit extrem geholfen, auch wenn es nicht immer leicht war. Ich habe darum versucht, nur auf mich und meine Gesundheit zu schauen, damit ich in dieser Saison wieder angreifen kann. Gleichzeitig bringe ich dem Sport nun eine ganz andere Wertschätzung entgegen. Ich kenne es ja selbst von früher, wo ich aufgestanden bin und mal keine Lust auf die Vorbereitung oder ein Spiel hatte. Durch eine solche Verletzung bekommt man die Augen geöffnet, wie kurz und kostbar diese Zeit ist, in der man sein Hobby zum Beruf machen darf.

SPOX: Das klingt so, als ob Sie diese Saison einiges vorhaben.

Harris: Oh ja, ich habe richtig Bock. Früher war es so, dass ein, zwei Wochen mehr Urlaub ganz schön gewesen wären, das war diesmal genau das Gegenteil. Ich hätte auch einen Monat früher loslegen können, aber nun geht es endlich los und ich bin richtig heiß.

SPOX: Das hört Ihr Team sicher gerne, wenn man bedenkt, dass es einige Veränderungen über den Sommer gab. Das Budget ist geringer, das Durchschnittsalter jünger, dazu ist mit Ainars Bagatskis ein neuer Coach da. Wie beurteilen Sie diese Moves?

Harris: Eine Garantie für Erfolg gibt es ja nie. Wenn man sich unsere Mannschaft aus der vergangenen Saison auf dem Papier anschaute, dachte man, dass es ein Selbstläufer wird. Das war bekanntlich nicht der Fall. Deswegen bin ich mit solchen Prognosen immer sehr vorsichtig, auch wenn ich glaube, dass wir dieses Jahr eine gute Mischung aus jungen Spielern, Veteranen und einigen Jungs, die in der Mitte rumbaumeln, haben. Nach unserer Vorbereitung glaube ich auch, dass die Charaktere gut zusammenpassen, was essentiell für eine gute Saison ist.

SPOX: Sie sprechen die vergangene Saison an, als Sie vor der Entlassung von Coach Andrea Trinchieri Gefahr liefen, sogar die Playoffs zu verpassen. Sie konnten das bestens von der Seitenlinie beobachten. Welche Schlüsse haben Sie gezogen?

Harris: Das ist schwer zu sagen, aber wir haben Charakter bewiesen, als wir im Februar auf Platz neun oder zehn standen. Da schien der Zug abgefahren und dennoch sind wir noch Dritter geworden und haben ordentliche Playoffs gespielt, wenn man bedenkt, wie gering da die Erwartungen waren. Allerdings muss man auch so ehrlich sein und sagen, dass der Funke nie wirklich übergesprungen ist.

SPOX: Machte sich da auch eine gewisse Abnutzung zwischen Mannschaft und Coach bemerkbar? Sie haben Trinchieri die komplette Zeit in Bamberg erlebt und können sicher bestätigen, dass er immer sehr fordernd war.

Harris: Auf jeden Fall ist er extrem anspruchsvoll. Ich habe aber viel von ihm gelernt und habe ihm viel zu verdanken, aber dass es Verschleißerscheinungen gab, ist durchaus möglich. Das ist aber von Spieler zu Spieler unterschiedlich, auch wie man auf einen Coach wie Trinchieri reagiert. Er ist sehr temperamentvoll und da kann es auch passieren, dass man gewisse Spieler nicht mehr erreicht. Ob das nun der ultimative Grund für eine solche Saison war, kann ich nicht sagen. Da spielten sicher noch mehr Faktoren eine Rolle, dass sich der Verein entschied, die Reißleine zu ziehen.

SPOX: Mit Bagatskis steht nun das komplette Kontrastprogramm an der Seitenlinie, ein Coach, der deutlich introvertierter als Trinchieri auftritt. Wie sind Ihre Eindrücke von ihm?

Harris: Ich bin ehrlich, ich habe ihn davor gar nicht gekannt und war wie alle hier sehr neugierig, was seine Vorstellung von Basketball ist. Und Sie haben es gesagt, er ist wirklich das komplette Gegenteil von Andrea. In den ersten zwei Wochen ist er nicht einmal laut geworden und bringt jede Menge Geduld mit. Ich kann die beiden gar nicht richtig vergleichen, so unterschiedlich sind sie. Das ist auch ein weiterer Beleg dafür, dass in Bamberg eine neue Zeitrechnung, eine neue Ära beginnt. Wir müssen offen für Neues sein, gerade ältere Spieler wie ich, das wird sehr wichtig sein.

SPOX: Neu ist auch, dass Bamberg in den kommenden fünf Jahren in der Basketball Champions League an den Start gehen wird. Wie haben Sie das aufgenommen, vor allem wenn man bedenkt, dass Sie wahrscheinlich Ihren Vertrag in Bamberg auch langfristig verlängerten, als noch die Perspektive EuroLeague gegeben war?

Harris: Natürlich will jeder EuroLeague spielen, da dort jede Menge namhafte Teams vertreten sind. Wir müssen diese neuen Herausforderungen aber annehmen. Keiner hat hier Champions League gespielt, keiner kann wissen, wie gut die Gegner wirklich sind. Wir sollten uns da nicht täuschen lassen, auch in der Champions League gibt es genug Teams, die wissen, wie man Basketball spielt. Wir dürfen das auf keinen Fall unterschätzen und nicht denken, dass es ein Selbstläufer wird, nur weil wir direkt aus der EuroLeague kommen. Gewonnen haben wir nämlich noch überhaupt nichts, stattdessen müssen wir da sehr vorsichtig sein.

SPOX: Kann die Champions League auch ein Vorteil für Bamberg sein? Stichwort Belastung. In der EuroLeague kamen zur BBL auch noch 30 garantierte Spiele alleine in der Regular Season. In der BCL werden es ein paar weniger.

Harris: Wer mal in der EuroLeague gespielt hat, weiß, wie viele Körner das kostet. Es ist unglaublich heftig, deswegen wird die Belastung durch die Champions League ein bisschen geringer sein. Aber ich muss noch einmal warnen: Wir müssen da aufpassen. Da laufen keine Blinden rum. Wir müssen das annehmen und uns nicht anschauen und fragen: 'Champions League? Was soll das denn jetzt?' Ich freue mich jedenfalls darauf, auch weil ich lange genug zuschauen musste, und werde diesen Wettbewerb voll annehmen.

SPOX: Wie stehen Sie überhaupt zum Wahnsinn EuroLeague mit dem vollgepackten Terminkalender, der nicht mit den nationalen Ligen abgestimmt ist?

Harris: Das ist das größte Problem der EuroLeague. Die Leute dürfen nicht vergessen, dass die Reisen deutlich weniger angenehm als zum Beispiel in der NBA sind. Das ist extrem anstrengend. Aber wer bin ich schon, dass ich mir anmaßen würde, mitzureden oder zu entscheiden, wie es zu laufen hat? Wer auf dem höchsten Level spielen will, der muss das so akzeptieren, den Mund abwischen und mitmachen. Diese Einstellung hatten wir als Team in den vergangenen Jahren und damit haben wir es einigermaßen gut hinbekommen. Wir haben unsere Titel in der BBL geholt, auch wenn wir viel mehr Spiele als andere hatten. Es ist also müßig, über das Format zu diskutieren. Wir als Spieler sollten lieber froh sein, dass wir damit Geld verdienen und die Zeit genießen, die wir als Athleten haben.

SPOX: Die Bayern müssen nun erstmal beweisen, ob sie diesen Spagat meistern können.

Harris: Das kann durchaus ein Vorteil für uns sein, aber wir werden sehen, wie die Bayern nun diese zusätzliche Belastung wegstecken. Bei uns dachten auch alle, dass wir müde sein werden, das kam aber sehr selten vor. Diese vielen Spiele können auch von Vorteil sein. Man spielt gegen hochwertige Gegner, ist voll im Rhythmus. Durchhänger wird es immer geben, bei jedem Team, ob EuroLeague oder nicht, aber pauschalisieren kann man das alles nicht.

Elias Harris zählt zu den Routiniers bei Brose Bamberg.getty

SPOX: Glauben Sie, dass Sie den Bayern in diesem Jahr gefährlich werden können? Die Rollen haben sich ja ein wenig verändert. Seit langer Zeit ist Bamberg nun mal wieder der Jäger.

Harris: Ich glaube, dass die Leistungsdichte in der BBL allgemein viel höher geworden ist. Wer da jetzt wen jagt, sei mal dahingestellt. Alba Berlin hat zum Beispiel den Kader zusammengehalten und sich sinnvoll verstärkt. Ich rechne deswegen mit einer spannenden Saison, auf die sich die Fans freuen können.

SPOX: Und wie sieht dann Ihr Ziel konkret aus?

Harris: Wir wollen natürlich oben und nicht nur irgendwie mitspielen, das ist weiterhin der Anspruch in Bamberg. Was dann am Ende dabei herauskommt, wird man sehen und hängt auch davon ab, wie wir uns entwickeln. Eine Meisterschaft ist immer schön, vor allem, wenn man dieses Gefühl kennt. Dann will man daran anknüpfen. Das Jahr ist lang, deswegen will ich mich da eher bedeckt halten.

SPOX: Wie ist Ihr Eindruck von den Neuzugängen? Gerade Tyrese Rice scheint sehr motiviert zu sein.

Harris: Bei Tyrese merkt man einfach diese enorme Erfahrung, er hat alles erlebt und ist folglich auch ein echter Führungsspieler bei uns. Ich glaube, dass er uns eine große Hilfe sein und die Youngster als Point Guard gut anleiten wird. Gleichzeitig wird sich seine Präsenz in unserer Offense sehr bemerkbar machen. Sein Spielverständnis ist herausragend, er hat ein gutes Gespür für die Räume und ist jederzeit gefährlich. So einen Spieler hat jeder gern in seinen eigenen Reihen.

SPOX: War das eines der Probleme in der vergangenen Saison, dass Sie keinen Closer wie Rice hatten, dem man im entscheidenden Moment den Ball in die Hand drücken konnte?

Harris: In den vergangenen Jahren waren wir sehr homogen, jeder hat ein bisschen von allem gemacht. Letztes Jahr hatten wir uns mehr erhofft, das ist nicht eingetreten. So ist es leider oft im Sport, aber wir dürfen nicht in der Vergangenheit leben. Es war nicht das Bamberger Jahr, das haben wir akzeptiert und wollen es diesmal besser machen. Ob es klappt, wird man dann am Ende der Saison sehen.

SPOX: Kommen wir noch einmal zurück zu Ihnen. Die deutsche Nationalmannschaft hat sich vorzeitig für die WM 2019 in China qualifiziert, bisher ohne Niederlage, unter anderem auch mit zwei Siegen in Serbien. Sie waren im September nicht dabei. Werden Sie in der Zukunft noch einmal den Adler auf der Brust tragen oder sind Sie klammheimlich zurückgetreten?

Harris: Nein, keine Sorge. Grundsätzlich stehe ich zur Verfügung, aber bei mir liegt der Fokus darauf, dass ich gesund bleibe und eine Saison durchspiele. Das ist mir schließlich in den vergangenen beiden Jahren nicht gelungen. Wenn der Körper mitspielt, bin ich für alles offen. Wichtig ist aber erst einmal, dass das Knie zu 100 Prozent intakt ist, danach können wir über alles reden.

SPOX: Wie sehen Sie denn allgemein die Entwicklung des deutschen Basketballs?

Harris: Top, absolut Spitze! Die Entwicklung der Nationalmannschaft und der Spieler an sich ist unglaublich. Wir haben massenhaft Spieler, die international unterwegs sind, und auch mehrere NBA-Spieler. Es geht also in die richtige Richtung im deutschen Basketball und diese Anerkennung bekommt man dann auch aus anderen Ländern. Stefan Jelovac hat mir schon gesagt, dass Deutschland nicht mehr eine so leichte Aufgabe wie noch vor einigen Jahren ist. Wir werden ernstgenommen, weil nun eben eine gewisse Qualität da ist. Darauf können wir als Deutsche stolz sein. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg.

SPOX: Hatten Sie schon Kontakt mit Moritz Wagner oder Isaac Bonga? Ihr Privileg als einziger Deutscher im Jersey der Los Angeles Lakers dürfte ja bald Geschichte sein ...

Harris: Ja, das ist wohl so, aber dafür war ich der Erste. (lacht) Kontakt hatte ich aber bislang mit keinem von beiden. Die Jahrgänge sind inzwischen so weit auseinander, dass wir uns noch nie gesehen haben.

SPOX: Sie haben 2013 immerhin zwei Spiele für die Lakers gemacht und somit Kobe Bryant noch ein wenig erlebt. Wie waren Ihre Erfahrungen mit ihm?

Harris: Er war zu dieser Zeit leider verletzt, war aber trotzdem beim Team. Im Flugzeug war ich sogar sein Sitznachbar, aber viel gesprochen hat er nicht mit mir. Ich war eben auch ein Rookie. Ein paar Mal haben wir aber dann doch geredet und diese Gespräche waren durchaus interessant für mich. Es gibt ja nicht wenige, die behaupten, dass er arrogant und abgehoben sei, aber das kann ich absolut nicht bestätigen. Mir gegenüber war er eigentlich immer fair und respektvoll.

SPOX: Sie haben Kobe kennengelernt, Wagner und Bonga dürfen nun LeBron James erleben. Mit wem hätten Sie lieber gespielt: mit LeBron oder Kobe?

Harris: Ganz ehrlich? Wenn du als Rookie mit einem der beiden zusammenspielen darfst, hast du sowieso einen Sechser im Lotto gezogen. Wer dann noch Wünsche hat, ist komplett abgehoben. Es ist ohnehin ein Privileg, auch wenn ich nie zusammen mit Kobe auf dem Feld in einem Spiel stand, weil er verletzt war. Ich habe aber gesehen, wie er gearbeitet hat. Trotz Verletzung war er immer um sechs Uhr in der Früh in der Halle, auf dem Laufband, um seine Achillessehne zu stärken. Das war schon beeindruckend, dass jemand nach so vielen Jahren in der NBA so viel opfert.

SPOX: Sie waren vier Jahre auf dem College, das hat in der NBA heutzutage Seltenheitswert. Es gibt immer mehr One-and-Done-Spieler, Commissioner Adam Silver will das nun abschaffen. Glauben Sie, dass die G-League eine gute Option für Talente sein kann?

Harris: Die Zeiten haben sich geändert. Früher sollten die Rookies sofort helfen, nun wird eher auf das Talent und Potenzial geschaut. Ich kann deswegen verstehen, dass viele so schnell wie möglich in die NBA wollen, weil sie wissen, dass Geduld da ist, dass sie dort entwickelt werden. Warum sollte man dann noch den Umweg übers College gehen und warten? Auf der anderen Seite hätte ich auch nach einem ersten Jahr gehen können, hatte aber nicht die Erfahrung und Ahnung und habe mich entschieden zu bleiben. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass ich über die Jahre in Gonzaga besser geworden bin, als ich es als Freshman war. Ich bin dort als Spieler gewachsen. Jetzt heißt es aber: Je schneller, desto besser.

SPOX: Bereuen Sie es heute noch, dass Sie nach dem ersten Jahr nicht den Sprung gewagt haben? Sie galten damals als sicherer Erstrundenpick und wurden letztlich als Senior nicht gedraftet.

Harris: Wäre mir das damals so bewusst gewesen, hätte ich es bereut. Mir war es aber nicht bewusst. Ich hatte nicht die Person in meinem Umfeld, die gesagt hat: 'Hey, Elias, geh! Du hast ein perfektes Jahr gespielt, wirst sicher gedraftet, mach mal!' Mir hat damals einfach niemand gesagt, dass ich diesen Schritt gehen soll. Deswegen kann ich auch nicht sagen, dass ich es bereue. Ich wusste es einfach nicht besser. Aber: Ich habe meinen Bachelor gemacht, habe in Gonzaga viele Kontakte geknüpft, bin dort in diese Community reingewachsen. Das hat natürlich auch was. Ich hätte Millionen verdienen können, aber so wird die Zeit zeigen, was es mir letztlich gebracht hat.