"Kann Rammstein und Metallica hören"

Von Interview: David Schmitt
Bundestrainer Markus Weise ist seit 2006 Trainer der Herren-Nationalmannschaft
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SPOX: Im Unterschied zum Fußball ist der Hockey-Sport auf Fördergelder angewiesen. Es gibt sogar einen Businessplan mit dem DOSB für Rio 2016: Sowohl die Damen als auch die Herren sollen ins Halbfinale kommen, am Ende muss mindestens eine Medaille stehen. Spüren Sie den Druck?

Weise: Keine Frage, das ist immer das Damokles-Schwert, das über all den Sportarten schwebt, die Erfolg liefern müssen, um in einer hohen Förderstufe zu verbleiben. Es ist schwierig, aber ich kann diese Situation nicht ändern. Wenn ich mir persönlich oder der Mannschaft größeren Druck machen würde, wäre das der völlig falsche Ansatz. Ich denke nie großartig darüber nach. Mir ist es - flapsig gesagt - egal, welche Ziele der Verband mit dem DOSB vereinbart. Meine Herangehensweise ändert sich dadurch überhaupt nicht. Entscheidend ist, was die Mannschaft erreichen will.

SPOX: Auch für die Spieler wird der Faktor Geld immer wichtiger. Ein heiß diskutiertes Thema dabei ist die Profiliga im Hockey-verrückten Indien. Wie groß ist die Angst, dass die deutschen Aushängeschilder - wie in der Vergangenheit bereits Moritz Fürste - dorthin wandern?

Weise: Angst wäre zu hoch gehängt, aber natürlich mache ich mir ein paar Sorgen. Für die Spieler ist es sehr verlockend, da sie zu hohen Preisgeldern gedraftet werden können. Wenn der Fall eintritt, kann man ungefähr 50.000 Dollar in sechs Wochen verdienen. Für einen Studenten ist das natürlich ein Traumjob. Aber es gibt auch andere Fälle und man kassiert viel weniger, das ist dann eine ganz andere Hausnummer.

SPOX: Welche Auswirkungen hat die indische Liga für die Nationalmannschaft?

Weise: Im kommenden Draft werden sich sicherlich einige Spieler anmelden, um ihren Marktwert zu testen. Dann wird man sehen, was passiert. Aber wir werden das in die Planung für die Nationalmannschaft einbauen. Ich kann es den Jungs nicht verdenken, da es eine tolle Verdienstmöglichkeit für den Amateursport ist.

SPOX: Wie genau läuft das Draft-System ab?

Weise: Man kann es mit dem US-Sport vergleichen. Ein Spieler wird von einem Team gedraftet, woraufhin er in der Regel einen Drei-Jahres-Vertrag bekommt. In dieser Zeit hat man ein festes Einkommen und zudem die Chance auf Siegprämien und Bonusgelder.

SPOX: Wäre so etwas auch in Deutschland denkbar?

Weise: Nein, in Indien gibt es eine Art Beteiligungsgesellschaft, die die Finanzen vorstreckt und so das ganze Modell über Fernsehpräsenz finanziert. Offensichtlich scheint dieses System zu funktionieren, solche Mittel haben wir in Deutschland jedoch nicht zur Verfügung.

SPOX: Sie haben zuletzt gefordert, dass sich die Gesamtgesellschaft zum Sport bekennen solle und Sport eine Staatsangelegenheit sein müsse.

Weise: Ich will beim besten Willen kein System mit Sportministerium wie in der DDR. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir eine große Chance verstreichen lassen, Sport viel gezielter für ganz andere Gebiete zu nutzen. Bildung, Gesundheit und Integration, für diese Themen ist der Sport ein unfassbar guter Hebel, um die Entwicklung zu beeinflussen. Deshalb brauchen wir ein Bekenntnis zu mehr Sport. Es geht mir gar nicht ausschließlich um den Leistungssport und die Spitze, sondern um den Gesamtsport.

SPOX: Viele Athleten schwärmen von China als Sportland. Olympiasieger bekommen dort eine lebenslange Rente, Wohnungen und einen Luxuswagen. In anderen Ländern gibt es Universitätsstipendien, Zusatzrenten und kostenlose Krankenversicherungen. Davon kann man in Deutschland nur träumen.

Weise: Bei uns geht der Leistungssport sehr in Richtung Hobby. Kaum jemand kann die Leistung, die die Sportler bringen, richtig einschätzen. Wenn man ein guter Eisschnellläufer oder Turner werden will, muss man jeden Tag stundenlang trainieren und zudem gut in der Schule sein. Die Systeme greifen zurzeit einfach nicht nahtlos ineinander, aber das sollten sie. Man muss die Talente, die die notwendige Motivation haben, unterstützen. Vielleicht braucht man zehn Elitesportschulen, die richtig funktionieren. Das ist derzeit nicht der Fall. Man sollte nicht Politikdenkmäler setzen, weil man gerade ein bisschen Geld zu vergeben hat, die in der Praxis dem Sportler für eine duale Karriere aber gar nicht helfen.

SPOX: Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Sportlotterie rund um Robert Harting?

Weise: Robert versucht im Grunde genommen, die finanzielle Basis für viele Sportler zu verbessern. Daran profitieren natürlich auch die Talente. Mit der Sportlotterie hätte man neben der Stiftung Deutsche Sporthilfe und dem Staat eine weitere Säule, auf die man den Sport aufstellen könnte.

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