Erst führte die phänomenale Biathletin Miriam Gössner die deutschen Langläuferinnen bei der WM von Liberec sensationell zu Staffel-Silber, dann brannten bei Schlussläuferin Claudia Nystad die Sicherungen durch. Die von der Dauerkritik von Bundestrainer Jochen Behle frustrierte Oberwiesenthalerin zeigte nach der ersten Medaille für die gescholtenen Frauen in der Mixed-Zone einen "Stinkefinger". Der vermeintliche Adressat stand direkt neben ihr.
"Bei einer WM Prügel zu verteilen, ist absolut unprofessionell. Was er sagt, kann ich nicht beeinflussen, und es ist mir auch wurscht", sagte sie in Richtung Behle und stützte Frauenchef Ismo Hämäläinen: "Diese Medaille ist einzig allein für Ismo." Unmittelbar danach leistete sich die 31-Jährige die unmissverständliche Geste mit dem Mittelfinger.
Gössner führt DSV-Quartett auf Medaillenkurs
Der Eklat überschattete den ersten Medaillengewinn für die vielgescholtenen deutschen Frauen. Bei Halbzeit hatte das deutsche Quartett noch chancenlos mit über einer Minute zurücklegen, dann führte das 18 Jahre alte Skating-Wunder Gössner Deutschland mit der besten Rundenzeit wieder heran. Nystad schob auf der Ziellinie die Skispitze noch um 0,4 Sekunden an der Schwedin Charlotte Kalla vorbei. Gold gewann Topfavorit Finnland mit 13 Sekunden Vorsprung.
"Das ist einfach schön, ich bin überglücklich - ich konnte am Ende gar nicht hinsehen. Von der Biathletin zur Vizeweltmeisterin im Langlauf, das ist der Hammer und einfach Wahnsinn", sagte Gössner: "Aber ich bleibe trotzdem Biathletin." Eigentlich nur für den Einzelsprint ausgeborgt, rutschte sie durch die Erkrankung von Stefanie Böhler auch noch in die Staffel.
Nystad: "Eine bedeutende Medaille für uns"
Nystad, die auf der Zielgeraden zunächst auch die Norwegerin abhängte, nahm die kleine Retterin in die Arme und sagte: "Das ist nach dem zähen WM-Beginn eine bedeutende Medaille für uns. Ich bin eben wie bei Olympia in Turin die Drama-Queen." Wie wahr.
Evi Sachenbacher-Stehle, die als abgeschlagene Sechste übergeben hatte, weinte vor Freude. "Oh Schreck, dachte ich beim Endspurt - so ein Rennen habe ich noch nie erlebt. Jetzt bin ich total erleichtert", sagte die Staffel-Olympiasiegerin von 2002: "Die Beste ist eine Biathletin - das ist schon ein bisschen schlecht für uns Langläuferinnen. Die kleine Miri ist der Hammer. Ich denke, ich spinne. Die lassen wir nicht mehr weg."
Einen Tag nach Silber im Teamsprint durch Tobias Angerer und Axel Teichmann holten die Langläufer mit ihrer zweiten Medaille die insgesamt vierte deutsche Silberplakette bei diesem Championat. In der Männer-Staffel am Freitag soll der nächste Paukenschlag folgen.
"Sensationsleistung" von Gössner
Sportchef Thomas Pfüller hatte ebenfalls Tränen in den Augenwinkeln: "Jetzt muss ich mich wenigstens nicht mehr von einigen Trainern beschimpfen lassen, dass ich Gössner ins WM-Team gedrückt habe." Behle bescheinigte Gössner eine "Sensationsleistung", damit habe nie jemand rechnen können.
Vom Staffel-Auftritt will er sich mit Blick auf Vancouver 2010 dennoch nicht blenden lassen: "Wir müssen etwas verändern. Die Mädels können mehr. Die Leistungen waren ansonsten unbefriedigend." Pfüller und Behle plädierten zwar für eine Rückkehr von Gössner zum Biathlon, wollen sie aber im Falle einer dort verfehlten Qualifikation für Vancouver "im Blick behalten".
Der von Behle als zu weich gescholtene Frauencoach Ismo Hämäläinen meinte: "Die Behle-Kritik sagt mir, dass ich meine Arbeit besser machen muss." Zu tun gibt es im zerstrittenen Lager der silbernen deutschen Langläuferinnen jedenfalls genug.
Die Ergebnisse der Nordischen Ski-WM