Der Konkurrent aus dem Kinderzimmer

Von Eugen Epp
Tarjei Bö hat den Weltcup bereits gewonnen, sein Bruders Johannes steht noch am Anfang
© Getty

Tarjei Bö ist schon Olympia- und Weltcupsieger. Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Johannes Bö ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten und gilt zudem als eines der größten Biathlon-Talente der Welt. Gemeinsam könnten sie Norwegens Status als führende Biathlon-Nation in Zukunft weiter zementieren.

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Er lief, schoss und siegte. Tarjei Bö war mit dreimal Gold und zweimal Bronze der große Gewinner der Biathlon-WM 2011 in Chanty-Mansijsk. Doch was Bö danach in einem Interview sagte, musste der Konkurrenz einen noch größeren Schrecken einjagen als seine beeindruckenden Leistungen: "Da gibt es noch einen Besseren: meinen jüngeren Bruder Johannes. Da hab ich schon Schiss, wenn er mal weltcuptauglich ist. Der ist wirklich gut!"

Tarjei und Johannes wuchsen mit zwei weiteren Geschwistern in Stryn im Westen Norwegens auf - ein kleiner Ort, der bereits norwegische Fußballnationalspieler wie Tore Andre Flo hervorgebracht hat und schon rein wettertechnisch beste Voraussetzungen für eine Laufbahn im Wintersport bietet.

Früh schlossen sie sich dem Verein Markane IL an, wo ihre Biathlon-Karriere ihren Lauf nahm. Während sein 23 Jahre alter Bruder bereits seinen Platz an der Weltspitze gefunden hat, will der fünf Jahre jüngere Johannes auch bald bei "den Großen" angreifen.

Kurzer Weg in die Weltklasse

Tarjei, der in seiner Jugend auch durchaus ambitioniert Fußball spielte, entschied sich mit 16 Jahren für eine Laufbahn im Biathlon - der Beginn einer furiosen Karriere. Schon bei seiner ersten Junioren-WM 2006 holte der ältere Bö-Bruder zwei Medaillen und setzte diesen Trend in den folgenden Jahren fort: Egal, wo er startete, stets holte Bö Siege und Medaillen. Die neue norwegische Biathlon-Hoffnung war geboren.

Direkt bei seiner ersten EM im erwachsenen Bereich gewann Bö 2009 Gold mit der Staffel, das Weltcup-Debüt folgte wenig später. Ein ums andere Mal lief er in die Top Ten, gewann mit der Staffel, bis er zu Beginn der Saison 2010/11 in Hochfilzen endlich seinen ersten Weltcupsieg im Sprint feiern konnte.

Spätestens seit diesem Sieg muss jeder, der im Biathlon aufs Treppchen will, an Bö vorbei. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte seine Erfolgsstory dann bei den Weltmeisterschaften in Chanty-Mansijsk: Bö war schier nicht zu stoppen und nahm fünf Medaillen mit nach Hause. Auch den Weltcup gewann er - in die aktuelle Saison ging er somit als Titelverteidiger.

Viel Lob, viel Druck

Kein Wunder also, dass im wintersportverrückten Norwegen die Lobeshymnen immer lauter werden. "Tarjei ist ein viel größeres Talent als ich", sagt zum Beispiel Ole-Einar Björndalen. Ein Lob aus berufenem Munde, denn Norwegens Grandseigneur des Biathlons hat immerhin elf olympische Medaillen gewonnen.

Ein Lob, das aber auch den Druck auf den jungen Mann erhöht und ihn möglicherweise auch ein wenig überfordert.

"Das ist zu viel für einen jungen Athleten", gestand Tarjei Bö, den das Fachblatt "Biathlon World" im Frühjahr 2011 das "phänomenalste Talent, welches je in einem Biathlon-Stadion gelaufen ist" nannte, schon nach den WM-Erfolgen von Chanty-Mansijsk.

Tatsächlich läuft es in dieser Saison nicht mehr rund beim laufstarken Norweger. Auch wenn er zwischenzeitlich das gelbe Trikot des Führenden trug, ist die Titelverteidigung - auch wegen einer hartnäckigen Erkältung - in weite Ferne gerückt.

Millimeterarbeit am Schießstand

Landsmann Emil Hegle Svendsen läuft ihm im Weltcup ebenso davon wie die Fourcade-Brüder und auch die Deutschen Andreas Birnbacher und Arnd Peiffer.

Bö verliert im Gesamtklassement (Platz 9) immer mehr an Boden und fühlt sich gleichzeitig von den hohen Erwartungen etwas erdrückt: "Die Leute erwarten, dass man immer gewinnt, wenn man einmal gewonnen hat. Sie verstehen nicht, dass das ein schwieriger Sport ist. Man kann in körperlicher Topverfassung sein, aber wenn man einmal um einen Millimeter vorbeischießt, ist man Fünfter."

In der Loipe gehört er zu den Schnellsten, doch mit seiner risikofreudigen Art brachte er sich am Schießstand schon einige Male um Spitzenplätze. Seine besten Ergebnisse in dieser Saison erzielte Bö noch in den Verfolgungsrennen. Da kommt die WM in Ruhpolding gerade recht, um sich zurückzumelden.

Johannes noch ganz am Anfang

Während sein großer Bruder längst zu den besten Biathleten der Welt zählt, steht Johannes noch ganz am Anfang - und hat mit seinen 18 Jahren trotzdem schon beeindruckende Erfolge in der Vita stehen. Zum Beispiel drei Medaillen beim European Youth Olympic Festival. Die Ähnlichkeiten zu Tarjei sind nicht nur äußerlicher Natur. Ebenso wie Tarjei hat er auch Ambitionen im Langlauf, wo er bereits den Titel im norwegischen Juniorenbereich geholt hat.

Doch sein Auftritt auf der großen Biathlon-Bühne muss noch warten. Zunächst muss er die Qualifikationskriterien für den Weltcup erfüllen, doch auch danach wird sein Platz wohl vorerst in der zweiten Reihe bleiben. Immerhin: Im IBU-Cup durfte Johannes Bö schon einmal bei den "Großen" mitmachen.

Das Supertalent braucht Zeit, um sich zu entwickeln und Erfahrungen zu sammeln - und die bekommt es auch. Die Konkurrenz im norwegischen Team ist mit Svendsen und Bruder Tarjei - um nur die bekanntesten Namen zu nennen - ohnehin riesig, Grund zum Wechseln gibt es vorerst nicht.

Norwegische Luxusprobleme

An Klassebiathleten mangelt es in Norwegen wahrlich nicht und mindestens solange Legende Björndalen weiter mithalten kann und will, wird sich der Jungspund noch gedulden und mit guten Leistungen weiter empfehlen müssen.

Zum Beispiel bei der Junioren-EM in diesem Jahr, wo er Silber im Einzel sowie Bronze in der Verfolgung gewann und auch die norwegische Mixed-Staffel mit einer überragenden Laufleistung zur Goldmedaille führte. Aber eines scheint sicher: Die Zeit von Johannes Bö wird früher oder später kommen.

Dann könnte er seinem Bruder den befürchteten Druck machen. Und wer weiß, vielleicht kämpft das Brüderpaar, das sich einst ein Kinderzimmer teilte, bald um Medaillen und Podiumsplätze. "Im Einzelwettkampf wird er mal ein harter Konkurrent. Da muss ich noch härter trainieren, damit er mich nicht schlägt", fürchtet Tarjei Bö, wenn auch nicht ohne Schmunzeln.

Lieber wäre ihm sein Bruder ohnehin als Teamkamerad: "Ich hoffe schon, dass wir irgendwann in der Staffel zusammen laufen können." Das wiederum dürfte dann wohl bei den anderen Nationen für Unbehagen sorgen.

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