Die deutsche Nachwuchshoffnung Niklas Rimmel von den Buchbinder Legionären unterschrieb kürzlich einen Minor-League-Vertrag bei den Minnesota Twins, dem Team von Max Kepler. Im Gespräch mit SPOX verrät der 18-Jährige, wie die Verhandlungen mit dem MLB-Klub gelaufen sind, was den Baseballstandort Regensburg auszeichnet, wer seine Vorbilder sind und worauf er sich in den Staaten am meisten freut. Zunächst verfolgt er aber noch ein anderes, vernünftiges Ziel.
SPOX: Herr Rimmel, zunächst mal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Vertrag bei den Minnesota Twins!
Niklas Rimmel: Dankeschön!
SPOX: Wie ist denn der Deal mit den Twins zustande gekommen?
Rimmel: Na ja, das Interesse bestand schon etwas länger. Und wir hatten jetzt erstmal noch unsere U23-Europameisterschaft in Tschechien. Das war wohl der ausschlaggebende Punkt. Das war gewissermaßen nochmal ein Update für die Scouts.
SPOX: Gab es noch Kontakte zu anderen Teams als den Twins?
Rimmel: Ja, es gab durchaus Interesse von anderen Teams. Aber die Twins waren eben schon länger und durchgehend an mir dran.
SPOX: Ihre Entscheidung für die Twins lag jetzt aber nicht nur an Max Kepler, oder?
Rimmel: Nein, absolut nicht. Es gab natürlich auch noch andere Gründe, aber das Gesamtpaket hat bei den Twins einfach total gestimmt.
SPOX: Erklären Sie uns mal, wie der Scouting-Prozess abgelaufen ist. Wurden Sie schon Regensburg entdeckt oder wurden die Scouts erst bei den Nationalmannschaften auf sie aufmerksam?
Rimmel: Der allgemeine Scouting-Prozess lief schon über eine längere Zeit. Es hat eigentlich schon 2016 angefangen bei Turnieren, bei denen immer viele Scouts sind. Ich kann jetzt keinen genauen Zeitpunkt nennen, an dem ich konkret gescoutet wurde. Aber im Baseball ist es üblich, dass sehr viele Scouts bei Europameisterschaften oder auch beim MLB-Elite-Camp sind. Ich würde aber eher sagen, dass ich hauptsächlich bei der Nationalmannschaft beobachtet wurde. Es waren zwar auch oft Scouts in Regensburg, aber bei der Nationalmannschaft waren meist mehr.
spoxSPOX: Wer hat letztlich mit den Twins verhandelt? Sie selbst, vielleicht Ihre Eltern - oder haben Sie schon einen Agenten?
Rimmel: Ja, ich habe einen Agenten. Und der ist im Grunde meine Kontaktperson. Wir haben hauptsächlich über ihn kommuniziert. Und mein Agent hat auch dafür gesorgt, das Interesse hochzuhalten und, dass Teams ihn kontaktieren. Er hat viel Werbung für mich gemacht.
SPOX: Wie kamen Sie eigentlich generell zum Baseball?
Rimmel: Ich habe damals wie jeder andere auch Fußball gespielt. Eines Tages habe ich dann mal mit meinem Papa im Keller Fotos gefunden aus der Zeit, als er selbst auch jahrelang Baseball gespielt hat. Das hat mein Interesse erstmals geweckt und ich wollte es auch ausprobieren. Wir sind immer schon extra ein, zwei, drei Stunden vorm Fußballtraining zum Fußballplatz gefahren, um zu werfen oder sonst was zu machen. Und irgendwann fand ich dann Baseball interessanter als Fußball. Den Ausschlag gab eben mein Dad, der mich jahrelang trainiert und betreut hat, und mich zu dem gemacht, der ich heute bin.
SPOX: Wissen Sie denn schon, wo sie dann im nächsten Jahr im Farmsystem der Twins anfangen werden?
Rimmel: Erstmal werde noch mein Abi machen. Und im Juli geht es dann rüber nach Fort Myers/Florida in die Rookie-Liga. Konkret heißt die Liga Gulf Coast League und da spiele ich dann für die GCL Twins.
SPOX: Sie sprechen es selbst an, Sie machen erstmal Ihr Abitur. War das Ihre eigene Entscheidung oder gab es da vielleicht etwas Druck von den Eltern?
Rimmel: Nein, nein. Das war absolut meine Entscheidung. Man hört ja oft genug, dass jemand rübergeht in die USA und sich dann schnell verletzt oder irgendwas anderes Unvorhergesehenes passiert. Da hat das Abitur auf jeden Fall höchste Priorität. Das habe ich gleich gesagt, das muss als erstes sein, bevor ich rübergehe.
SPOX: Klingt sehr vernünftig, dass Sie da erstmal auf Nummer sicher gehen ...
Rimmel: Ja, denn wenn ich mich jetzt zum Beispiel nach zwei Jahren verletzte - so blöd es klingt - und dann zurückkomme und ohne vernünftigen Schulabschluss dastehe ... da ist mir das Abitur auf jeden Fall sehr wichtig.
SPOX: Da hätten die Twins auch nicht dran rütteln können?
Rimmel: Nein. Selbst wenn die Twins jetzt das Angebot gemacht hätten, dass ich im April schon hätte rübergehen müssen, wie es normalerweise ist - die Saison fängt im April an - dann hätte ich das auf jeden Fall abgelehnt, weil das Abitur schon ein ausschlaggebender Punkt ist. Daran wäre nichts vorbeigegangen.
SPOX: Kommen wir nun mal zum Sportlichen. Da wir jetzt noch nicht so wahnsinnig viel über sie wissen, könnten Sie mal beschreiben, was für ein Typ Pitcher Sie sind?
Rimmel: Generell gibt es ja zwei Kategorien von Pitchern: Starting Pitcher, das sind die, die das Spiel immer anfangen. Und die Relief Pitcher, die kommen nach den Starting Pitchern. Das sind die zwei großen Kategorien. Der Starting Pitcher braucht besonders viel Ausdauer und muss längere Zeit werfen als ein Relief Pitcher. Bei mir war es so, dass ich in den letzten zwei Jahren eigentlich beide Rollen immer mal wieder innehatte. In der 2. Bundesliga war ich lange Starting Pitcher und nahm eine Führungsrolle ein. Und als ich dann frisch in die 1. Bundesliga gekommen bin, war ich eher als Reliever im Einsatz, weil es da erfahrenere Pitcher gab. Bei uns ist es eigentlich üblich, dass der Relief Pitcher versucht, Starting Pitcher zu werden, weil das natürlich etwas ganz Besonderes ist. Und wenn man in die 1. Bundesliga kommt, dann versucht man sich diese Rolle des Starters zu erkämpfen. Aber ich war schon Starter als auch Reliever.
SPOX: Welches Pitch-Arten haben Sie denn im Repertoire? Fastballs wirft ja jeder ...
Rimmel: (lacht) Ja genau. Neben dem Fastball habe ich noch den Changeup und einen Curveball.
SPOX: Waren Sie denn schon immer Pitcher oder haben Sie es auch mal als Hitter versucht?
Rimmel: Als ich noch in Fürth bei meinem ersten Verein war, habe ich sowohl Pitcher als auch Positionsspieler allgemein gespielt. Und da war ich auch immer relativ erfolgreich als Schlagmann. Aber Pitching hat mir schon immer mehr getaugt. Vor allem auch wegen des Körperlichen. Ich bin relativ groß (1,95 m, Anm. d. Red.) und das ist für einen Pitcher ein großer Vorteil. Aber wenn man aufs Internat geht, dann muss man sich für eine Position entscheiden. Wenn man wirklich besser werden will, dann sollte man sich auch für eine Position entscheiden. Und da hat mir das Pitching einfach deutlich besser gefallen. Da gab es bei mir nicht sonderlich viel zu diskutieren.
SPOX: Beschreiben Sie doch mal Ihren Tagesablauf.
Rimmel: Generell läuft es so ab, dass ich ganz normal in eine öffentliche Schule gehe. An einem normalen Tag ist dann von 8 Uhr bis 13 Uhr Schule, anschließend gibt es mit allen im Internat um 13.15 Uhr Mittagessen. Um 14 Uhr stehen dann erstmal Hausaufgaben an, da haben wir extra einen Schulbetreuer, der uns da bei Bedarf weiterhilft. Da können wir dann ganz in Ruhe unsere Hausaufgaben machen. Und erst, wenn wir damit fertig sind, ist es uns sozusagen erlaubt, ins Training zu gehen. Erst steht Schule an und dann das Traininig.
SPOX: Und wie sieht das Training aus?
Rimmel: Das Training ist unterschiedlich. In der Offseason haben wir mindestens sechs Mal die Woche Training - die Offseason geht immer von Oktober bis März - und Sonntag ist in der Regel frei. Täglich sind es dann immer so zwei bis drei Stunden, die meist abends stattfinden - so zwischen 18 und 21 Uhr. Diese drei Stunden teilen sich wiederum auf in reines Baseball- und in Krafttraining. Und zwischen der Schulzeit zwischen 14 und 18 Uhr, wenn man bis 13 Uhr Schule hat, gibt es natürlich auch noch ein bisschen Freizeit.
SPOX: Das hört sich nicht nach wahnsinnig viel Freizeit an.
Rimmel: Stimmt. Wenn man noch was machen muss, ist man schon ziemlich eingebunden. Zudem gibt es abends, immer so gegen 19, noch Abendessen, aber die meisten kommen immer ein bisschen später.
SPOX: Dass sich dieser Aufwand aber letztlich lohnt, sieht man ja an Ihnen. Sie Sind nun schon der zwölfte Spieler aus der Akademie in Regensburg, der einen Minor-League-Vertrag in den Staaten unterschrieben hat. Warum ist der Standort Regensburg gewissermaßen die Nummer eins für Baseball in Europa?
Rimmel: Über allem steht natürlich das Programm beziehungsweise die Trainer. Wir haben einen super strukturierten Trainingsplan mit wirklich guten Trainern. Das haben bestimmt andere auch, aber wir haben hier den Martin Brunner, der das zehn Jahre gemacht hat. Der arbeitet jetzt eher für die MLB, aber er hat hier einen super Job gerade bei der Betreuung der Pitcher gemacht. Und jetzt haben wir den Stefan Müller als Internatsleiter, der auch seine eigene Fitnessmarke hat. Der macht einen super Job für alle Athleten hier, damit wir körperlich gute Voraussetzungen haben. Und ich muss natürlich auch die Voraussetzungen erwähnen, die wir hier haben. Also die gute Trainingshalle, zwei richtig gute Plätze ... das Gesamtpaket ist einfach top. Die Trainingsmöglichkeiten hier sind super. Gute Voraussetzungen haben zwar andere auch, wie etwa das Paderborner Internat, das auch super Erfolge in den letzten Jahren hatte, aber in Regensburg gibt es einfach das beste Gesamtpaket.
SPOX: Haben Sie ein sportliches Vorbild?
Rimmel: Das ist für mich eine schwierige Frage, denn das wechselt bei mir öfter mal. Aber weil ich gerade den Twins-Vertrag unterschrieben habe, ist es natürlich Max Kepler.
SPOX: Der ist aber Outfielder und kein Pitcher!
Rimmel: Stimmt. Aber aufgrund des Weges, den er gegangen ist, ist er natürlich mein Vorbild. Das Ziel MLB verfolge ich ja auch. Deswegen ist Max Kepler jetzt schon mein Vorbild.
SPOX: Und wie sieht es bei den Pitchern aus?
Rimmel: In der MLB ist mein Vorbild eigentlich Kyle Hendricks von den Chicago Cubs.
SPOX: Interessant. Was gefällt Ihnen an Hendricks so besonders? Der ist ja auch noch extrem jung ...
Rimmel: Was er aus seinen Möglichkeiten macht gefällt mir sehr gut. Er wirft eigentlich mit am langsamsten in der MLB. Er hat jetzt auch nicht das ganz große Repertoire, das man sich von einem MLB-Spieler vorstellt. Im Durchschnitt wirft er so 88, 89 Meilen pro Stunde. Was ich faszinierend finde, ist, dass er trotz seines beschränkten Repertoires das Beste aus sich heraus holt und wie fokussiert er jeden Tag an die Sache rangeht. Er schafft es trotz seines geringen Pitch-Speeds im Vergleich zur Konkurrenz einer der besten Pitcher in der MLB zu sein.
SPOX: Haben Sie eigentlich ein Lieblingsteam abseits der Twins?
Rimmel: Eigentlich sind es die Chicago Cubs, aber nicht wegen Kyle Hendricks. Die haben im letzten die World Series gewonnen. Aber wenn ich jetzt bei den Twins unterschreibe, dann rückt das eher in den Hintergrund.
SPOX: Die Twins haben sich mittlerweile für die Postseason qualifiziert. Was trauen Sie ihnen jetzt zu?
Rimmel: In der Postseason werden die Karten ja nochmal neu gemischt, da kann alles passieren. Es gibt ja so Teams wie die Dodgers, die schon lange qualifiziert sind. Man weiß zum Beispiel nicht, wie die in Form sind. Es steht quasi eine kleine Extra-Saison an. Und gerade durch diese Spielserien - ob nun über fünf oder sieben Spiele - die die Teams gegeneinander spielen, macht es das eben noch ein bisschen spannender und interessanter. Aber ich bin durchaus zuversichtlich, dass die Twins weit kommen könnten. Denn es geht ja wirklich nochmal alles von vorne los. Ich glaube, dass sie wirklich gute Chancen haben.
SPOX: Haben Sie eigentlich Kontakt zu den anderen Deutschen in den Minor Leagues?
Rimmel: Also mit Sven Schüller (Pitcher im System der Dodgers, Anm. d. Red.) habe ich immer mal wieder Kontakt, mit Pascal Amon (Outfielder im System der Dodgers, Anm. d. Red.) genauso. Mit dem habe ich gerade auch erst bei der U23-EM zusammengespielt. Zudem habe ich noch von früher mit Markus Solbach (Pitcher, spielt derzeit in der CanAm League, Anm. d. Red.) Kontakt, mit dem ich neulich erst zusammengearbeitet habe.
SPOX: Hat sie denn Max Kepler schon mal bei Ihnen gemeldet?
Rimmel: Nein, noch nicht. Aber wir kennen uns ja auch eigentlich überhaupt nicht. Der hat jetzt auch ganz andere Dinge im Kopf. Und ich weiß auch nicht, ob er solche Minor-League-Personalien überhaupt mitbekommt.
SPOX: Es ist noch sehr früh - ich weiß -, aber Hand aufs Herz: Wann sehen wir Sie in der MLB?
Rimmel: Es sind glaube ich fünf oder sechs Farmteams, die man durchlaufen muss bis zur MLB. Bei Kepler waren es sechs oder sieben Jahre, bis er es nach oben geschafft hatte. Erstmal die sechs Ligen zu durchlaufen, wäre natürlich ein Traum. Es ist mein Ziel, so schnell es geht hoch zu kommen. Aber das ist selbstverständlich schwierig. Also sechs bis sieben Jahre dann.
SPOX: Was macht denn für Sie persönlich die Faszination Baseball aus?
Rimmel: Ich finde vor allem das Duell zwischen Pitcher und Schlagmann unglaublich faszinierend, weil die Karten eigentlich immer wieder neu gemischt werden. Jeder hat immer wieder einen neuen Start und das ist einfach spannend. Dieses Duell Eins-gegen-Eins, wenn man als Pitcher mit dem Gegner spielen, ihn austricksen kann. Und wenn du mit einem Strike vorne liegst oder zwei Balls und einen Strike hast, ist natürlich auch die mentale Situation unglaublich unterschiedlich. Es gibt so viele verschiedene Situationen. Das finde ich sehr gut.
SPOX: Können Sie das präzisieren?
Rimmel: Na ja, zum Beispiel muss man bei einem eher nicht so guten Schlagmann einen mindestens genauso guten Fokus haben wie bei einem gestandenen MLB-Spieler. Das ist einzigartig, dass man da immer mit dem selben Aufwand rangehen muss.
SPOX: Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn es endlich drüben losgeht?
Rimmel: Zunächst freue ich mich darauf, jetzt erstmal meinen Schulabschluss in der Tasche zu haben und dann sozusagen befreit Baseball spielen zu können. Danach freue ich mich darauf, jeden Tag mit dem Team alles zu geben, hart zu trainieren und natürlich Fortschritte zu machen. Auf was ich mich aber am meisten freue, ist, dass da eine unglaublich hohe Professionalität herrscht und, dass wir dort alle gemeinsame Ziele verfolgen. Ich weiß, dass es hart wird, aber ich freue mich richtig drauf.
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.