SPOX: Wenn wir Deutsche Budenholzer hören, kommt uns das sehr vertraut vor. Da muss es ja deutsche Vorfahren geben, oder?
Mike Budenholzer: Ja, die gibt es. Ich weiß nicht genau, wie weit wir bei den Vorfahren meines Vaters zurückgehen müssen, da kenne ich mich nicht so gut aus, aber wir Budenholzers sind Deutsche. Ich mache jetzt in Atlanta schon immer Witze, dass ich mit Dennis Schröder endlich einen Spieler habe, der meinen Namen richtig aussprechen kann. (lacht)
SPOX: Waren Sie schon häufiger in Deutschland?
Budenholzer: Sicher. Vor allem in meiner Studentenzeit, als ich sehr viel gereist bin. Ich weiß noch, wie ich an einem Bahnhof war und in einer Telefonzelle das Telefonbuch durchgeblättert habe. Ich habe sehr viele Budens entdeckt und sehr viele Holzers - aber keinen einzigen Budenholzer. Vielleicht haben sie die beiden Namen irgendwann im Lauf der Geschichte kombiniert.
SPOX: Bevor Sie Ihre Coaching-Karriere in der NBA starteten, haben Sie nach Ihrer Zeit am Pomona College in Dänemark gelebt und für Vejle gespielt. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Budenholzer: Ich habe Dänemark geliebt. Ich bin heute noch mit vielen Leuten sehr gut befreundet, gerade mit dem Präsidenten des Klubs. Ich fühle mich ein bisschen wie adoptiert, die Menschen in Dänemark waren einfach großartig. In einem anderen Land zu leben, eine neue Kultur kennenzulernen, versuchen, die Sprache zu lernen - es war eine wundervolle Erfahrung für mich. Und ich konnte auch im Coaching meine ersten Erfahrungen sammeln, indem ich Jugend-Teams trainierte.
SPOX: War es für Sie immer klar, dass Sie Head Coach werden wollen? Sie haben am College ja nicht nur Basketball, sondern auch leidenschaftlich Golf gespielt.
Budenholzer: Mein Ziel und mein Traum war es immer, Basketball-Coach zu werden, so wie mein Vater Vince. Ich wusste schon von einem sehr frühen Zeitpunkt an, dass meine Leidenschaft Coaching ist. Das habe ich dann schon in jungen Jahren forciert.
SPOX: Was nicht jeder weiß: Bevor Sie Gregg Popovich nach San Antonio holte, holte er Sie zunächst mal nach Golden State. Pop war Assistent von Don Nelson und brauchte jemanden, der ein bisschen für ihn die Drecksarbeit macht und Tapes zusammenstellt. Sie waren nicht mal richtig angestellt.
Budenholzer: Das stimmt, ich musste so ziemlich ganz unten anfangen und mich nach oben arbeiten. Aber es war eine tolle Chance für mich, ich habe enorm viel gelernt. Ich saß so viele Stunden im Schnitt, um die Bänder für die Coaches und Spieler zusammenzustellen. Wenn du so viel Videomaterial studierst, dann lernst du wirklich eine Menge. Dein Auge wird dadurch auch extrem geschult. Dein Auge wird trainiert, nicht nur zu beobachten, was der Ballführende macht, du siehst auch, was abseits des Balls passiert. Du lernst, warum gewisse Dinge in der Defense funktionieren oder nicht. Es war eine wichtige Zeit für mich und meine weitere NBA-Karriere.
SPOX: Später waren Sie dann bekanntermaßen 17 Jahre bei den Spurs. Popovich gilt als bester Coach der NBA, was zeichnet ihn Ihrer Meinung nach aus?
Budenholzer: Pop ist unfassbar ehrgeizig, das ist das wichtigste Wort im Zusammenhang mit ihm. Jeder Sportler und jeder Trainer ist ja irgendwo ehrgeizig und will gewinnen, aber Pop ist noch mal auf einem anderen Level. Dazu kommt, dass er sich sehr um jeden kümmert. Spieler, Coaches, Spurs-Mitarbeiter - er sorgt sich wirklich um jeden. Er kümmert sich nicht nur um die sportliche Seite, sondern auch um den Menschen. Er will, dass es jedem auch abseits des Courts gut geht. Und das spürt jeder.
SPOX: Man kann aber auch mit ihm streiten. Es gibt ja die Geschichte über den George-Hill-Kawhi-Leonard-Trade. Sie waren ein Befürworter, aber Popovich hat Hill geliebt, er wollte ihn unter keinen Umständen traden.
Budenholzer: (lacht) Was soll ich sagen, wir hatten hitzige Diskussionen. Aber das war auch das Tolle an der Arbeit mit Pop. Es war ihm immer extrem wichtig, dass jeder seine Meinung geäußert hat. Also haben wir oft debattiert - und manchmal wurde es eben hitzig, das ist aber normal. Alle Diskussionen waren immer von großem gegenseitigem Respekt geprägt. Pop hat sich alles angehört und am Ende war er es natürlich, der das letzte Wort hatte und die Entscheidung treffen musste. Aber er wollte immer, dass wir ehrlich unsere Meinung sagen, ohne Angst. Das ist auch etwas, was wir in Atlanta so handhaben wollen. Wenn jemand eine Idee hat, dann darf und soll er sie äußern. Wir wollen alles hören. Ich denke, das ist der beste Weg, um möglichst oft gute Entscheidungen zu treffen. So fühlt sich am Ende auch jeder wohl mit einer Entscheidung.
SPOX: Sie hätten natürlich weiter in San Antonio bleiben können, haben sich aber jetzt doch dazu entschlossen, Head Coach zu werden. Was reizt Sie an der Aufgabe bei den Hawks?
Budenholzer: Atlanta ist eine einmalige Möglichkeit für mich. Ich habe mit Danny Ferry einen General Manager an meiner Seite, den ich gut kenne und der eine ähnliche Vision und ähnliche Prioritäten wie ich hat. Ich weiß, dass wir sehr gut zusammenarbeiten werden. Dann haben wir bei den Hawks eine Ownership, die alles tut, um Erfolg zu haben. Und mir hat der Kader sehr gut gefallen. Al Horford, Lou Williams, dazu jede Menge Flexibilität, um gestalten zu können - es hat alles perfekt gepasst für mich.
SPOX: Jetzt haben wir noch gar nicht über Dennis Schröder gesprochen. Wann haben Sie seinen Namen eigentlich zum ersten Mal gehört?
Budenholzer: Als ich nach den Finals meinen ersten Tag in Atlanta hatte, habe ich ihn zum ersten Mal auf Video gesehen. Er war einer der Jungs, die wir für den Draft ins Visier genommen hatten. Wir haben gleich an meinem ersten Tag über Dennis gesprochen.
SPOX: Was sind die Qualitäten, die Ihnen bei Schröder am meisten imponieren?
Budenholzer: Ich mag seine Schnelligkeit, sein Tempo, mit dem er spielt. Es gibt viele Spieler, die schnell sind, das ist auch ohne Zweifel wichtig, aber sie können ihre Schnelligkeit nicht richtig einsetzen. Bei Dennis ist das anders. Sein Tempo hat mich beeindruckt. Außerdem hat er in der Verteidigung sehr gute Qualitäten. Er hat die Fähigkeit, ein Spiel defensiv sehr stark zu beeinflussen. Und ich mag sein Selbstbewusstsein.
SPOX: Wie waren Sie mit seiner Leistung in der Summer League zufrieden?
Budenholzer: Es war insgesamt eine gute Woche für ihn, auch wenn er natürlich noch in vielen Bereichen an sich arbeiten und sich verbessern muss. Aber sein Playmaking war gut, er hat seine Teamkollegen in gute Wurfpositionen gebracht. Seine Defense war zeitweise auch klasse, gerade, wie er durch Screens durchgekommen ist oder sie vermieden hat. Wenn ich Dennis sehe, sehe ich einen sehr selbstbewussten jungen Spieler. An seinem Shooting werden wir mit ihm arbeiten, er steckt jetzt schon Extra-Arbeit rein und bleibt länger in der Trainingshalle. Er muss noch besser verstehen, in welchen Situationen er abdrücken soll und wann nicht. Wenn er dann bessere Schüsse nimmt, wird das auch seinem Wurf und der Quote helfen.
SPOX: Und persönlich? Wie ist da Ihr Eindruck?
Budenholzer: Dennis hat eine großartige Persönlichkeit. Er hat immer ein Lächeln auf den Lippen, sein Englisch ist sehr gut, man kann sich sehr gut mit ihm unterhalten. Wir waren auch einmal zusammen Abendessen, auch da konnten wir uns gut austauschen. Es macht Spaß, Dennis um sich herum zu haben, er ist ein guter Junge.
SPOX: Da Sie Tony Parker kennen, seit er in einem ähnlichen Alter war wie Schröder jetzt, kommen unweigerlich die Vergleiche. Welche Parallelen sehen Sie?
Budenholzer: Beide waren schon in jungen Jahren selbstbewusst und beide haben den Speed und die Fähigkeit, in die Zone und zum Korb zu ziehen. Was diese Dinge angeht, sind sie sich wirklich ähnlich. Für Dennis werden jetzt die gleichen Sachen wichtig sein, die für Tony damals wichtig waren. Du darfst dich nicht nur auf dein Talent verlassen, du musst dich weiterentwickeln wollen und jeden Tag hart an dir arbeiten. Bei Tony kam das auch mit der Zeit. Hoffentlich wird es bei Dennis ähnlich sein, sodass er auch seine eigene erfolgreiche Karriere haben wird.
SPOX: Jeff Teague wird in der neuen Saison Ihr Starting-Point-Guard sein. Planen Sie Schröder als seinen Backup ein, wie sind Ihre Gedankenspiele?
Budenholzer: Es ist noch eine Weile hin bis zur neuen Saison. Wir sind immer noch dabei, Dennis kennenzulernen. Eines ist klar: Jede Chance, die er vielleicht bekommen wird, muss er sich verdienen. Wir wollen ihm die Möglichkeit geben, erfolgreich zu sein. Das kann bedeuten, dass er als Backup von Jeff Teague Minuten bekommt. Das kann vielleicht auch mal bedeuten, dass er von draußen zuschaut und lernt. Aber wenn er mit der richtigen Einstellung ins Camp kommt, dann wird es Möglichkeiten für ihn geben, sich Minuten zu verdienen.