Eigentlich war das Thema Monta Ellis schon abgehakt in Dallas. Kein Bedarf, hieß es. Der Backcourt der Mavericks schien quantitativ exzellent besetzt und auch die Qualität war durchaus passabel. Jose Calderon als erfahrener Pass-First-Point-Guard, dazu Combo Guard Devin Harris, Shooter Wayne Ellington und die Rookies Gal Mekel und Shane Larkin. Absolut ausreichend. Zumal auch Vince Carter im Backcourt spielen kann.
Mit den Verletzungen von Harris und Larkin hat sich die Situation allerdings grundlegend geändert. Der Rookie fällt mit einem Knöchelbruch mindestens bis Saisonbeginn aus und auch Harris muss sich einer Operation am Fuß unterziehen, woraufhin die Mavs erst einmal Abstand von der noch nicht fixierten Verpflichtung nahmen.
Verletzungen öffnen Ellis die Tür
Und schon war die Tür für "The Mississippi Missile" wieder offen. Gott sei Dank für Ellis, denn der Guard hatte sich so richtig verspekuliert und war aus seinem Vertrag bei den Milwaukee Bucks vorzeitig ausgestiegen. Das letzte Vertragsjahr hätte ihm dabei 11 Millionen Dollar garantiert, ein mehr als marktgerechter Betrag.
Doch Ellis wollte seinen Marktwert testen und lehnte auch die ihm offerierte Vertragsverlängerung in Wisconsin über 36 Millionen Dollar für drei Jahre ab. Der Markt für Shooting Guards war definitiv vorhanden, aber eben auch Shooting Guards, die Free Agent waren.
Und so kamen die ebenfalls hochveranlagten Kevin Martin (Minnesota Timberwolves, 28 Mio. für 4 Jahre), O.J. Mayo (Milwaukee Bucks, 24 Mio. für 3 Jahre), J.J. Redick (Los Angeles Clippers, 27 Mio. für 4 Jahre) und J.R. Smith (New York Knicks, 24,7 Mio. für 4 Jahre) für weit weniger Geld unter, während Ellis nach einem Team suchte.
Fast verzockt
Klassischer Fall von verzockt. Sah wohl auch der Ex-Buck so und fand in seinem langjährigen Agenten Jeff Fried den passenden Sündenbock. Dan Fegan übernahm erst am vergangenen Mittwoch und konnte seinen Klienten schneller als erwartet unterbringen. Garantierte 25 Millionen Dollar erhält Ellis in den nächsten drei Jahren in Texas.
Aber hilft der ballverliebte Guard den Mavericks wirklich weiter? Ellis ist in erster Linie ein Shooter, der es zudem versteht, mit Tempo zum Korb zu schneiden. Das Problem dabei ist, dass seine Quote seit Jahren kontinuierlich sinkt. Seine Dreier-Quote (30,8 Prozent) war in der abgelaufenen Saison so schwach wie zuletzt 2008 und die Quote aus dem Feld (43,3 Prozent) war letztmalig in seiner Rookie-Saison auf einem schwächeren Niveau. Die Wurfauswahl ist mitunter vogelwild.
Allerdings muss zu seiner Verteidigung gesagt sein, dass Ellis in seiner gesamten Karriere noch nie mit einem hochklassigen klassischen Point Guard zusammenspielen durfte. Bei Golden State bildete er zusammen mit dem damals talentierten, aber noch unausgereiften Stephen Curry den Backcourt. In Milwaukee spielte mit Brandon Jennings ein Bruder im Geiste neben ihm.
Es kann nur einen geben: Der Backcourt der Milwaukee Bucks
Mit Calderon an seiner Seite wird er völlig vom Ballvortrag befreit sein und der Spanier, der es exzellent versteht, seine Mitspieler einzusetzen, wird Ellis viel häufiger in passende Situationen bringen, als es seine ehemaligen Partner vermochten.
Wichtige Scoring-Option
Dallas ist auf einen weiteren Scorer wie Ellis angewiesen. Dirk Nowitzki wird nicht jünger, Gleiches gilt für die Veteranen Vince Carter und Shawn Marion, der wohl weiterhin für die Mavs auflaufen wird. Aber eben diese Veteranen könnten Ellis dazu verleiten, sein Spiel anzupassen. Bislang war es ihm nicht vergönnt, an der Seite eines richtigen Superstars zu agieren.
Nowitzkis Präsenz wird ihm Würfe und Platz verschaffen, die er bislang in der Form nicht kannte. Begreift er dies als Chance, könnten die Zeiten des ineffektiven Egoshooters der Vergangenheit angehören. Aber ist Ellis vom Kopf so weit, dass er dies auch versteht? Schwer zu sagen.
Ohnehin ist klar, dass Dallas mit der Verpflichtung nicht auf einmal zum Contender aufsteigen wird. Ellis ist ohne Frage ein talentierter Spieler, der an guten Tagen jedes Team auseinandernehmen kann, aber eben auch kein Superstar wie Dwight Howard oder Chris Paul. Keiner, der auf Dauer den Unterschied ausmacht.
Bis auf seine Steal-Fähigkeiten sind seine Defense-Skills überschaubar und starke Verteidigung ist gerade das, was den Mavericks in der vergangenen Saison oftmals abging. Der Versuch, Andre Iguodala nach Dallas zu lotsen, zeigt, dass die Texaner auch gewillt waren, sich in diesem Bereich upzugraden. Doch auch hier fingen sie sich einen Korb ein.
Keine Resterampe, kein Contender
Dennoch sind Besitzer Mark Cuban und GM Donnie Nelson weit davon entfernt, ein Team von der Resterampe zusammenzuwürfeln. Bereits vor Beginn der Free Agency sagte man, dass für den Fall, dass wieder kein Superstar nach Dallas kommt, es einen Plan B gibt. Dieser wird nun verfolgt. Die Denver Nuggets wurden von Nowitzki damals als Vorbild genannt. Ein breit aufgestelltes Team, das auch ohne Superstar die beste Saison der Franchise-Geschichte spielte. Das Playoff-Aus folgte trotzdem in Runde 1.
Ellis wird die Mavericks sicher verbessern und sie zurück in die Nähe der Playoffs katapultieren. Da im Front Office ein totaler Rebuild nicht in Frage kommt, ist der Move daher richtig und notwendig, aber der ersehnte Angriff auf die Spitze im Westen ist auch mit "The Mississippi Missile" nicht möglich.