Draft: Nick Bosa oder Quinnen Williams - wer ist das bessere Prospect?

Von Adrian Franke
15. April 201917:02
Nick Bosa und Quinnen Williams gelten als die beiden besten Prospects im diesjährigen Draft.getty
Werbung
Werbung

Sie gelten gemeinhin als die beiden besten Spieler im diesjährigen Draft - Edge-Rusher Nick Bosa und Defensive Tackle Quinnen Williams. Doch was zeichnet die beiden Top-Prospects eigentlich aus? Und welcher der beiden könnte in der NFL der bessere Spieler werden?

Bevor der Hype um Kyler Murray so richtig Fahrt aufnahm, bevor die Verbindung von Kyler Murray zu Cardinals-Coach Kliff Kingsbury die Medienlandschaft diktierte und Arizona, Inhaber des Nummer-1-Picks im Draft, den Gerüchten immer wieder Nahrung gab, war sich die Football-Welt ziemlich einig: Nick Bosa würde der Nummer-1-Pick im Draft sein.

Bosa hatte in ersten Ansätzen schon 2016 und dann nochmal eindrucksvoller 2017, damals noch in einer Rotationsrolle, immenses Potential angedeutet, und sein Start in die 2018er Spielzeit ließ auf eine große Saison hoffen: Sechs Tackles for Loss, vier Sacks und ein Forced Fumble hatte Bosa nach drei Spielen auf dem Konto - als die Saison für ihn zu einem jähen Ende kam.

Ende September wurde bekannt, dass sich Bosa einer Operation an der Rumpfmuskulatur unterziehen wird. Nach einem Kreuzbandriss, der seine letzte High-School-Saison vorzeitig beendet hatte, war es für Bosa der zweite schwere Eingriff innerhalb weniger Jahre und so fasste er einen Entschluss: Am 16. Oktober verkündete Bosa, dass er nicht mehr für Ohio State spielen und sich stattdessen auf die Reha und dann den Draft-Prozess konzentrieren würde.

"Ich weiß, dass das eine sehr schwere und emotionale Entscheidung für Nick und seine Familie war", erklärte Ohio-State-Coach Urban Meyer anschließend, "und ich wünsche ihm, dass er zu 100 Prozent gesund und bereit für sein nächstes Kapitel sein wird. Ich möchte ihm danken für den großartigen Einsatz, den er für dieses Programm gezeigt hat. Er ist ein erstklassiger junger Mann und es war uns eine Ehre, ihn zu coachen."

Draft: Nick Bosa - was macht ihn so stark?

Mindestens zwölf Wochen hätte die Reha-Zeit betragen, die Bosa-Familie sah das Risiko, seine Draft-Aktien bei einer zu frühen Rückkehr ernsthaft zu gefährden, als zu groß an. Stattdessen ließ sich Bosa, jetzt nicht mehr Teil des Football-Teams, von eigenen Ärzten behandeln, trainierte nach strengem Reha-Plan und konnte in vollem Umfang bei der Combine Ende Februar teilnehmen.

Der alljährliche Quarterback-Wahnsinn könnte dennoch dafür sorgen, dass Bosa letztlich erst an Position zwei vom Board geht - dass er am Ende aus der Top-3 rausfällt, scheint kaum vorstellbar. Doch was macht sein Spiel aus? Weshalb wird Bosa gemeinhin als dieses Slam-Dunk-Prospect betrachtet?

SPOXYouTube

Bosa hat zwei Qualitäten, die ihn definieren und die ihn zu einem der besten Prospects in der diesjährigen Draft-Klasse machen: Technik und Power.

Ein zentraler Part seines Spiels ist dabei die sogenannte "Speed-to-Power"-Umwandlung. Gemeint ist, dass Bosa vom Snap weg eine gute Geschwindigkeit hat, damit alleine in der NFL aber nicht gewinnen wird - er ist nicht Von Miller, kein "Edge-Bender", der mit unheimlichem Speed und in engem Winkel um den Offensive Tackle herumkommt.

Was Bosas Spiel auszeichnet, ist, dass er wie hier zu sehen einen Tackle mit seinem Get-Off dazu bringen kann, sich ein wenig zu öffnen und ihn dann mit seiner Power attackiert. Bosa hat ein niedriges Pad-Level und die notwendige Agilität, dass er mühelos jede Menge Power aufbauen und dann nach innen attackieren kann.

SPOXYouTube

Bosa kann seine Hüften schnell in eine andere Richtung bewegen, ohne dass er dabei signifikant an Geschwindigkeit verliert, während er gleichzeitig aus den Beinen Power aufbaut.

Das kombiniert er - und das ist der "Technik"-Part - mit einerseits wahnsinnig guten Händen und andererseits mit einer Vielzahl an Pass-Rush-Moves.

Teilweise gewinnt er einfach, weil er mit seinen Händen viel zu schnell für den Tackle ist und sich so blitzartig an ihm vorbei arbeiten kann.

Teilweise gewinnt er auch mit seinen Pass-Rush-Moves, ein Bereich, in dem Bosa vermutlich mit deutlichem Abstand weiter ist als jedes andere Prospect im diesjährigen Draft.

SPOXYouTube

Bosa ist außerdem ein guter Edge-Setter, also ein Spieler, der seine Position in der Run-Defense halten kann, vereinfacht könnte man sagen: Er ist ein wahnsinnig sicheres Prospect. Weil er nicht die Athletik eines Von Miller hat und weil er teilweise aufgrund seiner für die Position kurzen Arme vor Probleme gestellt wird, mag er nicht das absolute Elite-Upside haben. Doch ist umgekehrt die Basis extrem hoch.

Bosa ist als Techniker und was die Nuancen der Position angeht schon viel zu weit und viel zu gut, als dass er in zwei, drei Jahren als Draft-Bust dastehen könnte. Er wird in der NFL schnell Fuß fassen, er wird schnell Sacks liefern und mit seinen Qualitäten kann er den allermeisten Offensive Tackles in der NFL Probleme bereiten.

Wenn er mal Inside rushen durfte, fallen seine Agilität und seine schnelle, gut eingesetzte Arbeit mit den Händen umso mehr auf - gegnerische Guards haben gegen Bosa im Pass-Rush oftmals überhaupt keine Chance.

SPOXYouTube

Nick Bosa Draft Profile

Stärken:

  • Ist technisch unheimlich weit. Bosa setzt seine Hände wahnsinnig gut und effizient ein, er hat auffallend viele verschiedene Pass-Rush-Moves in seinem Repertoire und kann sich konstant schnell von einem Blocker lösen.
  • Niedriges Pad-Level in Kombination mit jeder Menge Kraft aus den Beinen führt zu einer beachtlichen Power beim Kontakt. Bosa nutzt die Kraft, die er hier aufbauen kann, um Blocker nach innen zu schlagen. Bosa nimmt mit den ersten Schritten Geschwindigkeit auf und kann die dann in enorme Kraft umwandeln, was für Offensive Linemen eine große Herausforderung darstellt.
  • Dazu hat Bosa die hierfür notwendige Agilität. Er kann aus seiner tiefen Grundhaltung heraus die Hüften schnell in alle Richtungen bewegen, ohne dass er dafür abbremsen muss.
  • Außerdem ist Bosa ein guter Tackler und ein verlässlicher Run-Verteidiger.

Schwächen:

  • Bosa ist kein athletischer Edge-Bender wie Von Miller, der mit unglaublichem Speed innerhalb kürzester Zeit um den Offensive Tackle herum kommt.
  • Er hat zwar eine gute Beschleunigung vom Snap weg, aber damit alleine wird er in der NFL nicht gewinnen. Bosa muss mit seiner Technik und Power auf dem nächsten Level Erfolg haben.
  • Bosa hat kurze Arme, und manchmal fällt es auf. Athletische Tackles, die ihm hier überlegen sind, können ihn fixieren; hier bleibt Bosa gelegentlich an Gegenspielern hängen. In der Folge hat er doch einige Plays, wo er auf das Play überhaupt keinen Impact hat.

Draft: Quinnen Williams ist der Freak

Spätestens seit der Combine hat auch wirklich jeder auf dem Schirm, was für ein athletischer Freak Quinnen Williams ist. Williams zeigte seine enorme Explosivität, er ist unter Combine-Spielern mit mindestens 300 Pfund Körpergewicht einer der schnellsten Spieler aller Zeiten und sorgte anschließend für Schmunzler, als er zugab, dass er am Combine-Tag statt eines Frühstücks schnell ein paar Oreos gesnackt hatte.

Aber er ist auch ein Spieler, der eine tiefe Narbe mit sich herumträgt - der Verlust seiner Mutter als er gerade einmal zwölf Jahre alt war. Marquischa Henderson Williams starb an Brustkrebs, sie wurde nur 38 Jahre alt. Die Kinder wuchsen anschließend bei den Großeltern weiter auf, noch heute möchte Williams über dieses tragische, prägende Ereignis in seinem Leben eigentlich nicht sprechen.

Quinnen Williams - der nächste Aaron Donald?

Wo Nick Bosa über ausgefeilte Technik in Kombination mit Power kommt, gewinnt Williams durch eine imposante Mischung aus Explosivität und seinen Händen. Williams' Spezialität ist der "Swim-Move"; ein Pass-Rush-Move, bei dem der Verteidiger versucht, mit einer Armbewegung die der Bewegung beim Schwimmen ähnelt, zunächst die Arme des Blockers beiseite zu schieben, um ihn dann aus der Balance zu bringen und so einen direkten Weg an ihm vorbei zu kreieren.

SPOXYouTube

Quinnen Williams beherrscht diesen Move wie im Schlaf, es ist sein Go-to-Move. Weil Williams selbst einerseits explosiv spielen kann, aber auch spielintelligent ist und Blocker sowie Plays lesen und erkennen kann, bringt er eine für Offenses fatale Kombination aufs Feld.

Williams ist einerseits in der Lage, eine Gap blitzartig zu attackieren - andererseits kann er sich Blocker auch zurechtlegen und sie dann in Sekundenbruchteilen schlagen.

SPOXYouTube

Nicht selten sieht es in der Folge so aus, als würde er wie das sprichwörtliche Messer durch die Butter gleiten. Williams hat einen Plan, wenn er die Offensive Line attackiert, er baut aus dem Stand heraus schon eine unheimliche Power und Geschwindigkeit auf und weiß genau, wie er die einsetzen muss.

Dabei spielt er meist mit sehr gutem Pad-Level, er liest Plays auch nach dem Snap und kann so Runner oder den Quarterback auch noch zu Fall bringen, wenn er an seinem eigentlichen Gegenspieler nicht vorbei kommt.

Und: Williams hat einen unheimlich hohen Motor, er gibt Plays quasi nie auf und wenn nötig arbeitet er sich auch durch Kontakt.

SPOXYouTube

Hin und wieder bleibt er mal an Blockern hängen, wenn er mit seinem Get-Off nicht gewinnt. Das fällt immer wieder mal auf. Außerdem sollte man Williams nicht als 2-Gapping-Spieler einsetzen. Er kann das spielen und da als Anker die Line of Scrimmage kontrollieren; doch verschwendet man so sein Potential. Williams ist dann am gefährlichsten, wenn er selbst attackieren kann.

Quinnen Williams hat in der Summe nicht die hohe Basis, die Bosa mitbringt; dafür ist Bosa als Spieler einfach schon weiter entwickelt, und Williams muss in manchen Bereichen noch zeigen, dass er sich konstant auch in allen Bereichen auf dieses Level entwickeln kann.

Williams aber bringt eine enorme physische und athletische Upside mit, die wiederum Bosa nicht hat - und Tape über eine Saison, das zeigt, dass er dieses Potential auch in Leistung auf dem Platz ummünzen kann.

SPOXYouTube

Quinnen Williams Draft Profile:

Stärken:

  • Toller, explosiver Get-Off mit einer spektakulären Mischung aus Power und Explosivität. Oft der erste, der vom Snap weg losstürmt
  • Williams kombiniert das mit einem herausragenden Swim-Move. Das macht ihn so gefährlich. Williams kann vom Snap durch eine Gap explodieren, er kann aber auch gezielt Blocker mit seinem Swim-Move attackieren und blitzartig schlagen.
  • Außerdem spielt er mit einem niedrigen Pad-Level und gewinnt Snaps dadurch einfach häufig schnell. Gleichzeitig hat er die Physis und den Anker, um an der Line of Scrimmage auch standzuhalten und Räume für Linebacker zu schaffen.
  • Williams zeigt außerdem Spielintelligenz. Er liest Plays oft richtig und kann so auch Running Backs oder Quarterbacks beim Scramble stoppen, wenn er seinen Blocker nicht direkt geschlagen hat.
  • Außerdem fällt die Agilität auf, insbesondere bei Stunts. Williams kann sich für seine Größe unerwartet gut von links nach rechts bewegen und hat einen großartigen Motor.

Schwächen:

  • Gelegentlich bleibt er an Blocks hängen, wenn er mit seinem Get-Off nicht gewinnt. Das fällt hin und wieder auf.
  • Er kann sich in Double Teams behaupten, ankern und Blocker beschäftigen. Aber als 2-Gapping-Tackle sind seine besten Qualitäten ein wenig verschwendet.
  • Williams ist noch unerfahren, manchmal sieht man das - aber nicht ansatzweise so häufig, wie man vermuten könnte. Am ehesten in der Run-Defense. Williams ist kein Monster-All-Around-DT, aber als One-Gap-Penetrator ist er ein Elite-Prospect.

Draft: Bosa oder Williams - wer ist besser?

Vielleicht ist, wenn es darum geht, ob man eher Bosa oder Williams draften sollte, die Frage nach dem besseren Spieler im Vakuum gar nicht so entscheidend.

In einer ausführlichen Studie hat Pro Football Focusvor der vergangenen Saison dargelegt, dass Edge-Rusher, wenn sie Druck auf den Quarterback ausüben, einen größeren Einfluss auf die Offense haben, als Interior-Rusher, wenn diese den Quarterback unter Druck setzen.

Das wirft in der Folge zunächst einmal eine konkrete Frage auf: Könnten wir hier eine Trendwende sehen? Die NFL geht immer stärker in Richtung Spread-Offenses und Kurzpassspiel; könnte vereinfacht gesagt der Wert von Defensive Tackles gegen den Pass größer werden, weil die Entwicklungen im Passing Game Edge-Rusher besser aus dem Spiel nehmen?

Kann Williams auf Donald-Level kommen?

Die zweite Frage geht dann doch wieder auf die Qualität der beiden zurück. Bosa ist als Spieler weiter entwickelt, er bringt aber auch gewisse Limitierungen mit. Quinnen Williams ist noch etwas roher, zeigt auf Tape und mit seiner Athletik aber, dass sein Potenzial das von Bosa übertrifft.

Anders gesagt: Angenommen, Williams wird einer der drei, vier besten Defensive Tackles und Bosa einer der zwölf bis 15 besten Edge-Rusher - was könnte das für den Value bedeuten?

Wir kommen gerade aus einer Saison, in der mit Aaron Donald, Fletcher Cox und Chris Jones drei Defensive Tackles zu den dominantesten Pass-Rushern der Liga gehörten. Insbesondere Donald und Cox stellten die Edge-Rusher mit 106 beziehungsweise 95 Quarterback-Pressures in den Schatten, kein Edge-Rusher kam auf über 80 Pressures. Donald führte die Liga gar mit 21 Sacks an.

Es wäre nicht fair, Donald als Maßstab für irgendein Draft-Prospect zu nehmen. Doch falls man Williams, der letztes Jahr zehn Sacks sowie alle sechs Pass-Rushing-Snaps einen QB-Pressure hatte (Donald: 5,5; Cox: 6,2), zutraut, in die Kategorie von Cox oder Chris Jones (74 QB-Pressures, 16 Sacks letztes Jahr) vorzustoßen - und ich glaube, dass das im Rahmen seines Potentials liegt -, dann kann man problemlos argumentieren, dass Williams der beste Spieler im diesjährigen Draft ist.