NFL: Quarterback Alexander Honig im Interview: "Warum sollte man einem deutschen QB vertrauen?"

Von Adrian Franke
07. August 201915:54
SPOX hat mit dem deutschen Quarterback-Talent Alexander Honig über seine Zukunft und seine College-Entscheidung gesprochen.Schwäbisch Hall Unicorns
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Alexander Honig gilt als das große deutsche Quarterback-Talent, der 17-Jährige bekam gerade erst von mehreren großen Colleges Stipendien angeboten und hat sich jüngst für TCU entschieden. Zunächst aber wird er noch bei den Schwäbisch Hall Unicorns weiterspielen, gleichzeitig bereitet er sich auf seine 2021 startende College-Karriere vor.

Im SPOX-Interview spricht er über diesen Auswahlprozess und die damit einhergehende jahrelange Vorbereitung, über die Chancen, die er sich selbst einräumt und über sein Treffen mit Jim Harbaugh, der sich selbst ein Bild von Honigs Händen machen musste.

Guten Morgen Herr Honig! Frisch zurück aus den USA - ist der Jetlag noch da, oder geht es schon wieder?

Alexander Honig: Ein bisschen, dadurch, dass ich es hier durchgezogen habe und so spät ins Bett bin, weil hier ja noch Ferien sind. (lacht) Dadurch habe ich den Jetlag noch nicht komplett raus geschlafen, ich bin auch gerade eben erst um halb 11 aufgestanden.

In den Ferien geht das ja zum Glück gut. Zunächst mal: Herzlichen Glückwunsch zum angenommenen Stipendium bei TCU!

Honig: Dankeschön!

Wie lief denn dieser ganze Prozess ab? Wie lange waren Sie in den USA, wie kann man sich die Workouts und Schulbesuche vorstellen? Anders gesagt: Wie liefen die letzten Wochen?

Honig: Ich war im Juni schonmal in den Staaten, da habe ich an Camps teilgenommen und vorgespielt, da konnten Coaches zuschauen und mich bewerten. Jetzt war ich nochmal eine Woche in Texas, und eigentlich wollte ich da nur für das Baylor-Camp hin, die hatten sehr großes Interesse gezeigt. Ich habe vor Ort Texas A&M besucht und anschließend auch TCU, zwei Tage darauf wollte ich dann zu Baylor. TCU hatte auch ein Camp, ich wollte da aber nicht zu viel machen, damit meine Beine fit sind für Baylor. Deshalb habe ich nur ein paar Quarterback-Drills gemacht und ein paar Wurfeinheiten, Eins-gegen-Eins mit Wide Receiver und Defensive Back. Also kein 40-Yard-Sprint, kein Weit- oder Hochsprung, nichts davon, damit ich mich ein bisschen schone. Dementsprechend hatte ich da auch nicht viel erwartet.

Und dann kam trotzdem das Angebot?

Honig: Ja, offenbar waren diese Einheiten so gut, dass ich am Tag darauf nochmal Kontakt mit dem Quarterback-Coach hatte, der mir gesagt hat, dass ich ein Angebot bekomme. Das hat natürlich den Druck von dem Baylor-Camp etwas rausgenommen, mit dem Angebot von TCU. Und Baylor lief anschließend auch gut, dort habe ich ebenfalls ein Angebot bekommen.

Wie häufig waren Sie damit jetzt insgesamt in den USA, um sich bei Camps vorzustellen?

Honig: Da muss ich kurz überlegen. 2017 war ich im Juni drüben, da finden generell die meisten Camps statt, das ist die Recruiting-Phase. 2018 nochmal im Juni, 2019 im Januar bei der All-American Combine, dann im Juni wieder, und jetzt Ende Juli nochmal in Texas.

Das heißt, das erste Mal waren Sie bereits mit 15 Jahren für ein Camp in den USA?

Honig: Ja genau, ich war relativ jung bei meinem ersten Camp.

Haben einzelne Scouts Sie auch wiedererkannt? Also nehmen die Scouts Weiterentwicklungen wahr oder ist das jedes Mal ein ganz neues Publikum?

Honig: Allzu viele haben sich nicht daran erinnert, dass ich im Jahr davor da war. Da sind natürlich sehr viele Jungs dabei und teilweise sind es auch unterschiedliche Camps. Aber sie waren jedes Jahr überrascht, wie groß ich für mein Alter bin und so konnte ich ein wenig herausstechen. In den vergangenen Jahren, als ich noch jünger war, haben mir viele gesagt, dass sie mir auf Twitter folgen und wir so schon in Kontakt kommen. Dieses Jahr, mit 17, wurde es ernsthafter und lief letztlich ja auch darauf hinaus, dass sie eine Entscheidung treffen müssen, ob sie mir ein Angebot machen oder nicht.

Wie haben Sie sich denn ursprünglich für diese ganzen Camps und all das angemeldet? Ich habe gesehen, dass Sie Highlight-Tapes hochgeladen haben, aber wie kamen diese Kontakte generell überhaupt zustande?

Honig: Highlight-Tapes sind ganz wichtig, ja. Die muss man auch immer wieder auffrischen. Durch PPI (PPI Recruits, ein Scouting-Service für Football-Spieler aus Europa, d. Red.) hatte ich da viel Hilfe, um mir einfach einen Namen zu machen. Der Quarterback-Coach von TCU hat jetzt konkret von mir gehört, als ich im Juni Videos auf Twitter gepostet habe; ich hatte von meinen Camp-Besuchen etwas zusammengeschnitten. Den Post hat jemand geteilt, dem er selbst auch folgt, dann hat er sich das Video angeschaut und war interessiert, danach ist er mir ebenfalls gefolgt.

Eigentlich ja wirklich verrückt - da spielt dann "zur richtigen Zeit am richtigen Ort" eine gar nicht unwesentliche Rolle.

Honig: Ein bisschen Glück spielt mit rein, ja. Aber wenn man das mit den Highlight-Videos regelmäßig macht - im Endeffekt haben die Recruiter ja keine andere Aufgabe als Highlight-Videos zu suchen und mögliche Talente zu finden. So kommt man dann irgendwie immer rein, aber klar: als Europäer ist es echt schwer, da brauchst du dieses Glück auch. Man spielt nicht in der Nähe der Schulen, man ist einfach nicht auf deren Listen. Man muss es irgendwie schaffen, deren Aufmerksamkeit zu bekommen, und da sind die Videos ein sehr guter Weg, genau wie PPI. Aber ich hatte jetzt auch einfach Glück, dass er das Video gesehen hat. Am Ende ist es ja gut gelaufen. (lacht)

Ich weiß nicht, wie offen Sie da sein dürfen, aber von welchen anderen Colleges hatten Sie am Ende noch Angebote?

Honig: Also ich hatte zwei 100-Prozent-Stipendien von UMass und Baylor. Andere haben Interesse gezeigt, da wäre vielleicht noch etwas passiert. Aber ich hatte die drei offiziellen vollen Stipendien von Baylor, TCU und UMass, und das hat mir auch gereicht. Ich wollte einfach nur ein Angebot, das für mich passt, mit dem ich zufrieden bin und dann kann ich ja mein Ding machen. Mir war es aber auch nicht wichtig, dass ich bei allen Schulen, bei denen ich bin, ein Angebot bekomme und am Ende möglichst viele Angebote habe. Das bringt einem letztlich ja auch nichts.

Was hat denn im Endeffekt den Ausschlag für TCU gegeben?

Honig: Es waren mehrere Sachen. Ich habe jetzt schon relativ früh zugesagt, was aber auch daran liegt, dass ich Quarterback spiele; auf der Position wollen die Schulen es oft schon möglichst früh geklärt haben, wer da kommt. Dann kommt der Europa-Faktor noch dazu. Man muss sich das so vorstellen: Die Amerikaner haben jetzt ihre Saison, die High-School-Camps haben am 1. August bekommen. Das bedeutet, dass sie über den Herbst und Winter nochmal von Scouts und Trainern beobachtet werden - und das ist bei mir eben nicht der Fall. Ich bin jetzt wieder hier in Deutschland, wieder "abgeschottet", wenn man so will, und könnte erst wieder nächsten Juli rüber fliegen und mich zeigen. So lange wollte ich nicht warten, das wäre mir etwas zu spät gewesen. Da war ich natürlich froh, dass ich die Angebote jetzt hatte. Baylor und TCU sind beides sehr schöne Schulen, man merkt auch, dass Football in Texas einfach nochmal eine größere Nummer ist. Beide sind schön, beide sind akademisch gut. Aber rein vom Football her hat es mir bei TCU besser gefallen. Der Trainer hat perfekt mit mir die Übungen gemacht, die Drills waren wirklich super. Er hatte auch wahnsinnig viel Enthusiasmus dabei, das hat sich einfach besser angefühlt, am Ende ist das ja auch eine Bauchentscheidung. Ich glaube, dass das perfekt zu mir passt. TCU ist nicht so groß, dass ich kaum eine Chance auf Spielzeit hätte, aber groß genug, dass ich mir Spielzeit trotzdem erarbeiten muss.

Und gute Gegner, das ist ja auch immer wichtig ...

Honig: ... ganz genau, die Big 12 ist eine super Conference mit Oklahoma, Texas, Baylor, West Virginia - da sind wirklich starke Schulen mit dabei.

Ich habe von zwei interessanten Begegnungen Ihrerseits mit Coaches im Rahmen der Football Camps gelesen: Einmal Jim Harbaugh in Michigan - war es tatsächlich so, dass er nicht geglaubt hat, dass Ihre Hände so groß sind?

Honig: Während wir die Drills hatten, hat er irgendwie erfahren, dass meine Hände so groß sind und ist dann zwischendrin auf mich zugekommen; ja, das war tatsächlich so. Wir haben dann über den Tag auch ein wenig gesprochen, mit Jim Harbaugh hatte ich mehrfach Kontakt und war auch häufiger in Michigan. Bei dem Camp war natürlich viel los, aber wir konnten uns ab und zu austauschen. Das war ganz schön, für mich war es das erste Mal, dass ich ein Treffen mit einem so großen Coach hatte - es war schon irgendwie auch verrückt. Das war 2017, als es in Michigan gerade noch den großen Hype um ihn gab, ich hatte mitbekommen, wie er nach Michigan gegangen ist. Insofern war es auch etwas surreal. Aber man merkt einfach, wie riesig Football in den USA ist, allein wie viele Leute zu den Spielen kommen; und dann über diese Camps mal mitten drin zu sein und so einem Trainer die Hand zu schütteln, ist dann schon auch etwas Besonderes.

Das wird für Sie vermutlich generell eine ziemliche Umstellung, oder? Ich hatte auf ein paar Videos Highlights Ihrer Spiele bei Schwäbisch Hall gesehen, und hätte geschätzt, dass da ein paar hundert Zuschauer waren?

Honig: Ja genau, das kommt hin. Mehr sind es nicht.

... und TCU hat wie viele Zuschauer im Stadion? 70.000? Ist das etwas, was einen manchmal kurz zusammenzucken lässt? Oder blendet man das im Spiel sowieso aus?

Honig: 50.000 Plätze sind es bei TCU, ja. Ich glaube, das ist genau der richtige Ausdruck: Während man spielt, blendet man es aus. Aber wenn man an der Seitenlinie steht, kann man daraus Motivation ziehen und es auch genießen. Das wird mich auf keinen Fall negativ beeinflussen.

Ich habe außerdem gelesen, dass Sie auch bei Duke waren oder zumindest mit den Duke-Coaches zu tun hatten?

Honig: Genau, wir waren bei Duke und da durfte ich mit dem Quarterback-Trainer alleine ein Workout absolvieren und dann kam noch der Head Coach - David Cutcliffe - mit dazu.

Und David Cutcliffe gilt ja als einer der großen Quarterback-Coaches und auch als einer der Gründe dafür, dass Daniel Jones dieses Jahr im Draft so hoch ausgewählt wurde. Wie war Ihr Eindruck von ihm? Wie redet so ein Coach mit einem jungen Spieler, wie coacht er ihn?

Honig: Ich konnte leider nicht allzu viel mit ihm machen. Er stand daneben mit seiner Kaffeetasse (lacht) und hat ein paar Sätze mit mir gesprochen. Ich glaube, dass er ein sehr schlauer Trainer ist, er sieht vieles, und weiß, wie er Dinge korrigieren kann. Man hat gemerkt, dass er immer eine Idee hatte. Ein paar Mal kam er auch dazu und hat mir Dinge gesagt, die ich ein wenig umändern sollte. Er ist da wirklich der "Quarterback-Flüsterer", der für alles eine Lösung hat, so kam es bei mir an, das war wirklich bewundernswert. Den Namen hat man natürlich schon mal gehört, er hat ja auch die Manning-Brüder damals trainiert; das war auf jeden Fall eine super Erfahrung, und man hat mitbekommen, wie viel Intelligenz dahintersteckt und wie schlau er ist. Wenn man unter ihm mal fünf Jahre spielt und alles aufsaugt, was er sagt, dann bringt dich das auf jeden Fall deutlich weiter.

Wie groß ist denn der Unterschied zwischen deutschem Junioren-Football und den High Schools in den USA? Also wie viel muss man da aufholen, wenn man mal versucht, das Level zu vergleichen?

Honig: Ich würde es so sagen: Die Topspieler bei uns können in den Top-High-Schools mitspielen und vielleicht teilweise dort sogar herausstechen. Die durchschnittliche High School ist nicht besser als ein gutes Jugendteam, das ist mein Eindruck. Aber natürlich ist die Breite in den USA viel, viel größer. Es gibt viel mehr Spieler auf diesem Niveau, und aus Deutschland kommen dann vielleicht ein, zwei, die da mithalten können. Man merkt das bei den Camps: Wenn beispielsweise ein Top-Receiver von hier rüberkommt, dann sind da eben 20 andere, die genauso gut sind - und in Deutschland gibt es keinen anderen in seiner Altersklasse auf diesem Niveau.

Als Quarterback ist es dann wahrscheinlich nochmals schwieriger als auf den anderen Positionen, gerade mit Blick auf das Spielverständnis, oder? Arbeiten Sie daran auch jetzt schon konkret?

Honig: Ich versuche natürlich, auch da mitzuhalten. Beim Spielverständnis ist das kaum möglich, weil sich daraus wahnsinnig viel aus der Praxis heraus ergibt. Trotzdem glaube ich, dass ich auch da auf einem guten Level bin. Auf der Quarterback-Position ist es dahingehend nochmal anders, dass die Schulen nur einen pro Jahr nehmen - und wenn der schlecht spielt, verlieren die Coaches ihren Job. Das macht es umso schwieriger. Und ich verstehe das auch: Warum sollte man einem deutschen Quarterback vertrauen und den holen, wenn man auch den von der nächsten High School holen könnte, den man seit vier Jahren beobachtet? Das macht ja schon Sinn.

Absolut.

Honig: Mein Vorteil ist dann wiederum: Obwohl ich deutlich weniger Coaching und deutlich weniger Trainingspraxis habe, kann ich mit den guten Quarterbacks, die in der Saison jeden Tag trainieren, mithalten. Und ich auf der anderen Seite habe zwei Mal die Woche Training, manchmal noch am Wochenende etwas. Deswegen glaube ich, dass das Limit nach oben deutlich höher ist. Wenn ich im College täglich trainiere, mit einem Krafttrainer, einem Quarterback-Trainer, der alles korrigiert und so weiter - ich glaube, da habe ich dann auch nochmal ein deutlich höheres Potenzial. Wenn man sich hier gut vorbereitet, ist auch für Europäer alles möglich.

Stichwort Vorbereitung: Wie kann man sich überhaupt hier in Deutschland Dinge wie das Analysieren von Tapes, das Lernen eines Playbooks und all das vorstellen? Wie sieht da für Sie die tägliche Arbeit bei den Unicorns aus, wie gut bereitet einen das auf Football in den USA vor?

Honig: Schwäbisch Hall ist da ziemlich gut. Wir haben beispielsweise ein ziemlich dickes Playbook, es gibt Video-Sessions vor Spielen, jedes Training wird aus verschiedenen Perspektiven gefilmt, damit wir es anschließend anschauen können. Am Sonntag beispielsweise hatten wir ein Treffen, bei dem es nur darum ging, den Scout-Bericht zu besprechen vor unserem Spiel gegen Köln und worauf wir da achten müssen. Das wird ein spannendes Spiel, im Internet heißt es, dass Köln zu 70 Prozent der Favorit ist, das ist der Nummer-1-Seed Köln gegen den Nummer-2-Seed Schwäbisch Hall - also wie Alabama gegen Clemson im College-Finale! (lacht) Also wir bereiten uns da schon viel vor. Natürlich nicht so viel wie Amerikaner, die jeden Tag Meetings haben, aber wir machen das Beste daraus und bei einigen Teams ist das hier inzwischen auf einem sehr hohen Niveau. Ich weiß das von Köln, Paderborn und Düsseldorf beispielsweise, aber Schwäbisch Hall ist da in der Jugend ganz vorne mit dabei. Unsere Trainer machen sich da eine riesige Mühe, um für uns Dinge vorzubereiten.

Das heißt, es ist schon eine sehr ausgeprägte Vorbereitung, auch im Jugendbereich.

Honig: Definitiv, ja. Vor neuen Spielen installieren wir auch konstant neue Plays, um bestimmte Gegner unterschiedlich zu attackieren und um nicht ausrechenbar zu werden oder vielleicht Plays so anzupassen, dass man Gegnern eine Falle stellt. Da gibt es ja als Beispiel diese Szene mit Cam Newton, wo er zum Verteidiger vor dem Snap sagt, dass er Tape geschaut hat. Die Panthers hatten da den Arrow-Pass, diesen schnellen Out-Pass auf Christian McCaffrey gespielt. Das hat der Linebacker auf Video gesehen, ist dann nach dem Snap raus gesprintet als gäbe es kein Morgen mehr, um McCaffrey einzufangen und der hat dann einen kurzen Richtungswechsel nach innen vorgenommen, wo anschließend alles frei war. Um diese Sachen geht es, und es ist absolut faszinierend, wie viel in diesem Sport mit Vor- und Nachbereitung zu tun hat. Wenn man im Spiel Dinge erkennt, die einem in der Vorbereitung aufgefallen sind, macht das die Sache natürlich einfacher.

Gibt es denn jetzt schon einen konkreten Zeitplan? Das ist jetzt noch ein Stück weit weg, klar, aber wann geht es wirklich bei TCU für Sie los?

Honig: Mein Plan ist jetzt erst einmal, hier mein Abitur zu machen, damit wäre ich dann im Juli 2020 fertig. Wahrscheinlich im Januar 2021 würde ich danach rüber gehen. Bis dahin spiele ich für die Unicorns in der U19 und im Oktober für die U17 der Baden-Württemberg-Auswahl. Nebenbei versuche ich, mich bestmöglich vorzubereiten. Ab 1. September kann ich dann auch regelmäßig mit meinen TCU-Coaches in Kontakt stehen, vielleicht fliege ich auch mal für ein Spiel rüber, aber das ist natürlich auch eine Geldfrage. Eventuell mache ich auch noch einen "Official Visit", um meiner Familie die Schule zu zeigen. Meine Mutter war jetzt mit mir in Texas, aber vielleicht dann noch mit meinem Bruder und meinem Vater. Da kann man von der Schule eingeladen werden und sich das anschauen. Ansonsten fahre ich oft nach Paderborn zu Peter Daletzki, das ist ein guter Quarterback-Trainer, der auch Luke Wentz schon trainiert, mit dem ich gut befreundet bin. Peter Daletzki hat da jede Menge Erfahrung, er hat auch in der High School zuletzt einen Quarterback trainiert, der jetzt für Hawaii spielt. Das macht immer Spaß, da gecoacht zu werden; auch im athletischen Sinne, um sich dort mal eine Woche lang auszupowern. Das ist so mein Plan, aber wer weiß - irgendwie läuft ja doch meistens alles anders. (lacht)

Sie bekommen aber noch kein Playbook von TCU, oder? Also irgendwelche Ansätze zur Vorbereitung was die Plays angeht?

Honig: Das denke ich nicht, nein. Das bekomme ich wahrscheinlich kurz vor dem Camp und muss mir das dann reinpauken.

Und wenn Sie das Quarterback-Training eh ansprechen: Gibt es einen Aspekt, der Ihnen besonders wichtig ist? Was ist die wichtigste Quarterback-Eigenschaft?

Honig: Das wichtigste Quarterback-Attribut sind eindeutig die Füße. Die Bewegung mit den Füßen. Patrick Mahomes ist jetzt kein gutes Vorbild, wenn es darum geht, in der richtigen Wurfposition zu sein, (lacht) aber wenn die Füße richtig stehen, dann klappt auch der Wurf. Patrick Mahomes hat eben die Fähigkeit, aus Plays noch etwas zu machen, bei denen es nicht so aussieht, als könnte das noch was werden. Athletik spielt denke ich in der modernen Zeit auch eine Rolle. Fußarbeit ist der wichtigste Part, aber heutzutage ist es ganz wichtig, dass man athletisch ist und aus jeder Position den Ball werfen kann. Es bringt nichts, sich gegenüber zu stellen und einander den Ball zuzuwerfen. Man muss Druck bekommen, man muss in blöde Situationen kommen, blöde Schritte machen und aus allen Positionen den Wurf akkurat anbringen. Man sieht das bei Baker Mayfield, bei Patrick Mahomes. Die können den Ball aus jeder Position perfekt an den Mann bringen. Der Quarterback muss sich selbst in die Position bringen können, dass er den Ball zum Receiver bringt, auch wenn er vor einem Pass-Rusher wegläuft. Das wird sich denke ich auch revolutionieren. Es sind keine Spieler mehr, die 120 Kilo wiegen, in der Pocket stehen und den Ball 80 Yards weit werfen können. Ich will so breit wie möglich aufgestellt sein, dass ich auf verschiedene Situationen reagieren kann und keine Defizite habe. Ich arbeite jetzt dementsprechend auch bewusst an der Athletik und werfe so viel wie möglich, dass diese Dinge in die Muscle Memory übergehen.

Haben Sie sich in dem Zusammenhang auch mit grundlegenden Schemes befasst? Gibt es da etwas, das Ihnen eher zusagt?

Honig: Generell passt mir eher eine Spread-Offense, mit dem Quarterback nicht under Center sondern fünf Yards hinter der Line of Scrimmage. Das ist alles ein bisschen schneller, mit weniger Play Action und dergleichen. Spread-Offenses sieht man denke ich sowieso häufiger. Michigan spielt häufiger das Gegenstück, die Pro-Style-Offense. Mir gefällt die Spread besser, da kann ich auch meine Athletik zeigen und man kann das Spiel beherrschen, wenn man schnell an der Line ist, wenn man No-Huddle spielt und wenn man die Defense überrascht. Das gefällt mir am meisten, eine schnelle Offense, mit schnellen, kurzen Pässen und gelegentlich dem langen Ball. Das ist auch die aktuellste Offense würde ich sagen. Dieser eher altmodische Ansatz, bei dem man seine größten Jungs rein stellt und versucht, einen Lauf durch die Mitte zu schieben, das sieht man ja immer seltener.

In der NFL wird das vermutlich dieses Jahr von Arizona mit Kliff Kingsbury und Kyler Murray besonders intensiv getestet ...

Honig: ... Ja, bei Arizona wird es sehr spannend sein zu sehen, die könnten tatsächlich eine College-Spread-Offense spielen. Bisher war es bei den NFL-Umsetzungen meistens so, dass ein paar Oldschool-Elemente mit dabei waren. Kliff Kingsbury kommt ja von Texas Tech und mit Kyler Murray musst du es schaffen, dass er bei jedem Spielzug als Läufer und als Passer eine Gefahr darstellt. Das gibt Kyler Murray eine große Freiheit, aber bei Oklahoma hat man ja auch gesehen, dass er häufig die richtige Entscheidung getroffen hat, wenn es darum ging, wann er passt und wann er losläuft. Und manchmal hat man dann einen 70-Yard-Touchdown-Run von seinem Quarterback.

Und die nimmt jeder Coach am Ende gerne mit! Woher kommt eigentlich Ihre Begeisterung für Football? Wann haben Sie selbst den Sport für sich entdeckt? Das war schon recht früh, oder?

Honig: Darüber spreche ich in jedem Interview, und jedes Mal muss ich überlegen, wann genau das war. (lacht) Vor sieben oder acht Jahren, also für deutsche Verhältnisse relativ früh. Das kam über meinen Vater, der hat früher Linebacker in der Nationalmannschaft gespielt und dann nochmal Offensive Lineman für die Nürnberg Rams. Da habe ich also zugeschaut und wollte dann auch selbst anfangen. Zuerst hieß das: Football mit meinem Bruder im Garten spielen! Außerdem haben wir die Videos von meinem Vater gesehen, die DVDs mit zusammengeschnittenen Highlight-Videos, das war noch bevor es so etwas auf YouTube gab, und Football-Filme, die er aus den USA mitgebracht hat. Dann habe ich selbst angefangen, erst mit Flag Football, wie es ja hier in Deutschland typisch ist, was sehr gut war, um meine Grundlagen auszubilden. Vor zweieinhalb Jahren etwa bin ich nach Schwäbisch Hall gekommen. Das Interesse kam zunächst über meinen Vater, aber ich konnte dann gar nicht mehr aufhören, weil es mir so viel Spaß gemacht hat. Ich durfte beim Flag Football auch verschiedene Positionen spielen, Defense und Offense, und durfte alles Mögliche ausprobieren. Das hat mir viel mehr Spaß gemacht als Fußball, und dann hab ich irgendwann nur noch Football gespielt.

Gab es denn eine andere Position, die Sie ebenfalls gereizt hätte? Defense vielleicht, wenn Ihr Vater auch Linebacker war?

Honig: Ich habe früher offensiv Receiver und Running Back gespielt und war zudem der Backup-Quarterback, und in der Defense habe ich Linebacker gespielt. Auf Linebacker war ich früh Starter, obwohl ich noch jünger war als die anderen. Ich hatte da vergleichsweise schnell ein gutes Spielverständnis - aber ich war eben 12, die meisten waren 15. Als es dann ans Tackling ging, war ich eigentlich absolut furchtbar. Leider gibt es die Videos auch noch im Internet. Da stand ich als Middle Linebacker, der Lauf kommt und ich werde einfach vom Pulling Guard über den Haufen gerannt. Aber: Der Defensive Coordinator hat immer gesagt, dass ich der einzige Spieler war, der die Spielzüge der Offense richtig gelesen hat. Jedoch war ich eben zu klein. Eigentlich wollte ich auch immer Linebacker werden, ich war damals ein riesiger Ray-Lewis-Fan. Aber als ich dann Quarterback spielen durfte, hat mir das extrem gut gefallen und da wurde ich schnell auch besser - und wenn man etwas richtig gut macht, will man natürlich auch nicht aufhören. Erst habe ich beides noch gemacht, aber irgendwann kann, oder sollte, man nicht mehr beides machen und dann bin ich beim Quarterback geblieben.

Ein paar Sachen sind schon durchgeklungen, trotzdem die Frage: Wie aktiv verfolgen Sie jetzt schon die NFL? Gibt's jeden Sonntag die RedZone, oder ist dafür zwischen Schule und eigenem Training nicht die Zeit?

Honig: Ich schaue schon regelmäßig während der Saison Spiele, ja. Ich bin jetzt auch in einer Fantasy-Liga mit ein paar Freunden und durch Twitter und Instagram bekommt man ja während der Saison einfach auch viel mit. Ich bin Patriots-Fan und vor allem von Tom Brady. Von den Football-Filmen, die ich vorhin erwähnt hatte, die mein Vater aus den USA mitgebracht hat, hat mich einer am meisten geprägt: Ein einstündiger Zusammenschnitt vom Super Bowl 2004, den die Patriots gewonnen haben. Dadurch bin ich Patriots-Fan geworden. Ich würde nicht sagen, dass ich ein Hardcore-NFL-Fan bin, aber ich bekomme viel mit und bin immer auf dem neuesten Stand. Auch wenn ich vielleicht nicht überall in die Details gehen kann. College-Football ist leider etwas weniger, College-Football finde ich schwieriger zu verfolgen durch die Masse an Teams. Da verfolge ich eher die Spiele der größten Teams oder der Teams, die mich interessieren - so wie jetzt natürlich TCU.

Was ich mich abschließend noch gefragt hatte: Wäre nicht auch ein Jahr an der High School eine Option gewesen, um dort auch in den USA schon zu spielen?

Honig: Ich habe darüber nachgedacht, das auf jeden Fall. Aber als ich dann bei den ersten Camps war und mich vergleichen konnte, habe ich gemerkt, dass ich da mithalten kann, wenn ich hart arbeite. Ich hätte noch nach der 12. Klasse auf eine Prep School gehen können, um so ein Auslandsjahr zu machen, so hatte ich es eigentlich mal geplant. Aber auch durch PPI habe ich den Mut bekommen, hier bleiben zu können und mich hier vorzubereiten. Das war natürlich mit ein bisschen - ich würde sagen, sehr viel Selbstbewusstsein, zu sagen, dass ich als Quarterback auf die Spielerfahrung verzichte. Aber am Ende hat es sich für mich gelohnt. Ich glaube, die meisten überlegen zumindest, auf eine High School zu gehen und manche wählen ja auch diesen Weg, der dann auch funktionieren kann.

Und der Strom an Spielern aus Europa wird auch konstant größer, oder?

Honig: Ja, sowohl an die High Schools als auch an die Colleges. High Schools sind eben immer so eine Sache. Ich würde lieber hier für ein gutes GFL-Nachwuchsteam spielen und nebenbei in Deutschland zur Schule gehen, als auf eine High School zu gehen, nur damit man an der High School ist. Mich haben sehr viele Coaches angeschrieben und mich gebeten, an ihre High School zu kommen. Und da wurde ich dann schon stutzig: Wenn der Trainer mir sagt, dass ich einen Platz sicher habe, ohne dass er mich auch nur ein Mal getroffen hat, dann habe ich da auch nicht so Lust drauf. Dazu kann ich hier mein Abitur in Deutschland machen, und das ist mir auch wichtig, damit ich ein Standbein in Deutschland habe.