NHL

Chelios: "Sein eigenes Monster geschaffen"

Von Interview: Florian Regelmann
Legende Chris Chelios (l.) hat in seiner Karriere 1651 NHL-Spiele bestritten
© Getty

Es sind nicht nur Penguins-Superstar Sidney Crosby und NHL-Topscorer Claude Giroux: Eine Unmenge von Stars fällt aktuell mit Gehirnerschütterungen aus. NHL-Legende Chris Chelios greift im SPOX-Interview die Liga scharf an, vor allem seinen ehemaligen Teamkollegen Brendan Shanahan. Außerdem spricht Chelios, der mit 47 Jahren noch in der besten Liga der Welt spielte, über Samuel L. Jacksons Coaching-Künste, Kid Rock und Bobfahren.

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SPOX: Chris, die erneute Zwangspause von Sidney Crosby nach seinem Comeback ist natürlich ein Riesenthema in der NHL. Und die Gehirnerschütterungen reißen nicht ab, auch Liga-Topscorer Claude Giroux hat es erwischt. Nun versucht die NHL ja verstärkt, die brutalen Hits aus dem Spiel zu bekommen. Brendan Shanahan ist in die Rolle des Richters geschlüpft. Geht es da Ihrer Meinung nach in die richtige Richtung?

Chris Chelios: Die Sache ist folgende: Brendan Shanahan war derjenige, der die Regeln in der NHL so verändert hat, dass nichts mehr erlaubt ist. Kein Haken, kein Halten, keine Behinderung. Damit hat er sich sein eigenes Monster geschaffen. Denn genau deshalb haben die Spieler jetzt diese offenen Bahnen, um Hits anzubringen. Und das müssen nicht mal brutale Dinger sein. Spieler knallen Schulter an Schulter zusammen und tragen Gehirnerschütterungen davon. Selbst im Basketball ist es erlaubt, dass man Blocks stellt und verteidigt, aber in der NHL kannst du deinen Teamkollegen gar nicht mehr beschützen.

SPOX: Das heißt, die NHL geht die Thematik vom Grundsatz her völlig falsch an.

Chelios: Genau. Sie reden immer nur von den brutalen Hits, aber das ist gar nicht der eigentliche Punkt. Es wird immer wieder Kollisionen geben wie die von Sid und Dave Steckel, als er sich zum ersten Mal verletzt hat. Beim zweiten Mal war es dann ein Hit von hinten, dafür war er einfach nicht bereit. Nein, es geht darum, dass man seinen Teamkollegen beschützen können muss. Es muss erlaubt sein, dass man den Stürmer aufhält, solange man den Stock nicht benutzt. Aber die NHL weigert sich, das Thema so zu sehen. Ich sage es noch mal: Brendan Shanahan hat die Regeln so gemacht und jetzt bezahlen die Spieler den Preis dafür.

SPOX: Aus Ihnen spricht der Verteidiger...

Chelios: Klar, Shanahan war ein Stürmer, ein Goalscorer. Er hat die Regeln geändert, um mehr Offense zu erzeugen, aber das Resultat ist, dass gerade auch die Verteidiger jetzt üble Hits abbekommen. Wenn der Stürmer auf dich zukommt und den Puck vorbei chippt, dann darfst du ihn nicht anfassen, aber er darf dich über den Haufen fahren, wenn du den Puck spielst. Es ist etwas Grundlegendes falsch mit den Regeln. Es ist eine Schande, dass derselbe Typ, der das alles kreiert hat, jetzt die Urteile spricht und nicht einsehen will, dass er einen Fehler gemacht hat.

SPOX: Kommen wir zu Ihnen. Sie waren beim Deutschland Cup als Assistant Coach im Team USA dabei. Können wir daraus schließen, dass Sie jetzt die Trainerlaufbahn einschlagen und wir Sie einmal als Head Coach in der NHL sehen werden?

Chelios: Ich bin immer noch in einer Phase, in der ich herausfinden will, was ich machen sollte. Aber nachdem ich ein Jahr lang im Management der Detroit Red Wings tätig war, tendiere ich doch sehr stark zum Coaching. Mir macht es einfach mehr Spaß, mit den Spielern auf dem Eis zu stehen, als die Spiele von der Press Box aus anzuschauen. Beim Deutschland Cup war ich jetzt zum ersten Mal Co-Trainer eines US-Teams, das war eine tolle Sache für mich.

SPOX: Sie haben in Ihrer langen Karriere für viele großartige Coaches gespielt, aber ich muss Sie auch nach einem gewissen Jules Winfield fragen, gespielt von Samuel L. Jackson...

Chelios: (lacht) Sie haben sicher den Clip gesehen.

SPOX: Selbstverständlich.

Chelios: Er ist wirklich so witzig, wie es da ausschaut. Auch wenn er natürlich nicht den geringsten Plan von Eishockey hat. Das war schon eine der lustigsten Geschichten, die ich in meiner Karriere so mitgemacht habe. Wir haben es damals für die ESPYs gemacht. Ich muss zugeben, dass ich mich heute noch schlapp lachen kann, wenn ich den Clip ab und zu mal wieder sehe.

SPOX: Sie haben noch mit 47 Jahren in der NHL gespielt. Ganz ehrlich: Das ist doch unfassbar! Die erste Frage: Warum?

Chelios: Dass ich so lange gespielt habe, hatte sehr viel damit zu tun, dass ich in Detroit Teil eines so erfolgreichen Teams war. Wenn es einen Punkt gegeben hätte, an dem ich aus Detroit hätte weggehen müssen, wäre ich früher zurückgetreten. Ich hätte meine Familie nicht mehr zurückgelassen. Aber wir hatten dann in Detroit immer weiter Erfolg, wir haben den Stanley Cup gewonnen und so habe ich eben weitergemacht. Dazu kommt, dass die Red Wings wirklich an ihre erfahrenen Spieler glauben. Und ich bin gesund geblieben, das war natürlich auch wichtig. Ich habe ja aber auch nur noch 10 bis 12 Minuten pro Spiel gespielt. Ich hatte wirklich großes Glück, so lange in Detroit sein zu dürfen.

SPOX: Sie haben dann auch noch eine kurze Zeit in der AHL für die Chicago Wolves gespielt. Und in der NHL gab es ganz am Ende eine kurze Episode bei den Atlanta Thrashers.

Chelios: Die Chicago-Geschichte war eine tolle Erfahrung für mich. Ich habe noch einmal zusammen mit meinen Eltern gelebt, meine beiden Söhne haben in der Juniorenliga gespielt - wir waren alle zusammen, das war super. Als ich dann in Atlanta war, hat es mir aber überhaupt keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe nur acht Minuten gespielt, ich habe meine Familie nicht mehr gesehen - da war dann der Punkt gekommen aufzuhören.

SPOX: Legende Gordie Howe hat sogar mit 52 noch gespielt und hält damit den Rekord. War es für Sie kein Ziel, ihn noch zu übertreffen?

Chelios: Nein, darüber habe ich nie nachgedacht. Was Gordie Howe gemacht hat, war sowieso unfassbar. Er hat in seiner letzten Saison ja immer noch 15 Tore für die Hartford Whalers gemacht. Mit 52 Jahren. Das kann man sich kaum vorstellen.

SPOX: Howe hat am Ende sogar noch mit seinen Söhnen in einem Team gespielt.

Chelios: Mal schauen, ob ich das auch noch erleben darf. Sollten es meine Jungs einmal in die Minors schaffen, muss ich mal schauen, ob wir das noch zustande bekommen. (lacht)

Chelios über McEnroe, seinen härtesten Gegenspieler und Bobfahren

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