Aus dem Schatten eines berühmten Vaters zu treten, ist nie leicht. Leon Draisaitl arbeitet seit einigen Jahren allerdings daran - und das durchaus eindrucksvoll. Mit seiner ersten DNL-Saison hat er einen weiteren Schritt getan und hinterließ bereits Eindruck in Nordamerika.
Dort soll die Reise mittelfristig für Draisaitl auch enden: in der NHL. Vor einem möglichen Draft muss er allerdings die internationalen Scouts auf sich aufmerksam machen. Derzeit befindet er sich auf einem guten Weg.
Von den Haien nach Mannheim: auf eigenen Füßen stehen
2009 entschied sich der 16-Jährige für einen Wechsel von der Jugend der Kölner Haie zu den Adler Mannheim, ein erster Schritt, um auf eigenen Füßen zu stehen. "In Köln war die Situation schwierig. Da man in Mannheim die beste Ausbildung bekommt, war die Entscheidung leicht", sagt Draisaitl.
Es war eine Entscheidung, die ihn zwang, auf eigenen Füßen zu stehen, wie er im "Mannheimer Morgen" zugibt: "Früher haben immer Mama und Papa alles für mich erledigt, jetzt muss ich es selbst in die Hand nehmen." Aber, und das betont Leon Draisaitl, es war auch eine Entscheidung, die er ohne seinen Vater fällte: "Als ich die Chance hatte, nach Mannheim zu gehen, hat er gesagt, ich solle selbst entscheiden."
Ein Aspekt, der Draisaitl wichtig ist, schließlich geht es für ihn auch darum, aus dem langen Schatten seines Vaters Peter (Adler Mannheim, Kölner Haie, Moskitos Essen, Revierlöwen Oberhausen) zu treten - auch wenn er gleichzeitig betont: "Wenn es um Eishockey geht, ist er immer für mich da. Wenn mein Vater mir etwas sagt, glaube ich ihm, weil ich weiß, dass er mein Bestes im Sinn hat."
Erste sportliche Ausrufezeichen
Sportlich hat der gebürtige Kölner den Wechsel definitiv nicht bereut. 97 Tore und 95 Assists in 29 Spielen? Klingt wie eine absolute Fabelzahl, war aber tatsächlich Draisaitls Bilanz in seiner zweiten Saison (2009-2010) für die U-16 der Adler. Bereits in der Saison davor gelangen ihm 48 Tore und 55 Assists in 26 Spielen.
Es folgte der Sprung zu den Jungadlern in die DNL (Deutsche Nachwuchs Liga), wo er sein Talent bestätigte: 21 Tore und 35 Vorlagen in 35 Spielen bedeuteten den zweitbesten Wert der Liga, nur sein Mannschaftskamerad Dominik Kahun war besser. "Besser hätte es kaum laufen können. Ich denke, dass ich meinem Trainer gezeigt habe, dass er auf mich zählen kann", zeigte Draisaitl sich nach seiner ersten DNL-Saison stolz.
Und auch außerhalb des Sportplatzes hat er sich mittlerweile eingelebt. Er besucht die Integrierte Gesamtschule Mannheim und fühlt sich pudelwohl in der Mannschaft. "Die Jungs sind super!", betont Draisaitl.
In Dominik Kahun hat er auch bereits einen guten Freund gefunden: "Schon in der vergangenen Saison stand ich mit Dominik in einer Reihe, damals meist in der Schüler-Bundesliga. Wir verstehen uns sehr gut." Und so kann er seinem Mitspieler, der nur einen Assist mehr lieferte als Draisaitl selbst, auch problemlos den Sieg in der Scorer-Wertung gönnen: "Dass er die Topscorer-Wertung gewonnen hat, freut mich für Dominik. Ich weiß meistens, wo er steht, obwohl ich ihn nicht sehe."
Das erste Mal nach Kanada
Sein Ziel bleibt allerdings weiterhin die NHL. "Das ist mein größter Wunsch", macht der Linksschütze keinen Hehl um den lange geplanten nächsten Schritt, den er fest im Visier hat. "Es wird schneller und härter gespielt, das gefällt mir."
Einen ersten Vorgeschmack bekam Draisaitl bereits Ende des letzten Jahres, als es mit den Jungadlern zum Challenge Midget AAA-Turnier und dann mit der Nationalmannschaft zur U-17-Hockey-Challenge nach Kanada ging.
Entsprechend groß war auch die Vorfreude bei der Nachwuchshoffnung vor dem Flug in das Hockey-Land: "Für mich ist es das erste Mal, dass es nach Kanada geht. Bei einem solchen Turnier mitzuspielen, ist schon ein Höhepunkt." Mit den Jungadlern sprang die respektable Teilnahme am Halbfinale raus, bei der U-17-Challenge reichte es nur zu Platz neun, wobei Draisaitl an fünf von elf Toren direkt beteiligt war.
Selbstkritik, Verbesserungspotential, Lob
Bei all dem Lob, das auf den Teenager einprasselt, hat Leon Draisaitl aber nicht vergessen, dass auch noch viel Arbeit vor ihm liegt: "Glücklicherweise habe ich von meinem Papa das Spielverständnis und die Hände in die Wiege gelegt bekommen - aber leider auch seine läuferischen Fähigkeiten. Das Skaten und das Körperspiel muss ich noch verbessern."
Dem stimmt auch sein Trainer Helmut de Raaf zu: "Leon hat eine sehr gute Übersicht. Er muss aber noch daran arbeiten, die Intensität kontinuierlich aufrecht zu halten. Manchmal neigt er dazu, das Tempo herauszunehmen."
Darüber hinaus sieht Draisaitl seine Stärken im Torabschluss: "Ich spiele nicht einfach Dump'n'Chase, das ist nicht mein Spiel. Mein Spiel ist eher das Eins-gegen-Eins. Und ich bin eher ein Torschütze als ein Vorlagengeber."
Auch sein Nationaltrainer Ron Chyzowski hält große Stücke auf die Nachwuchshoffnung: "Er ist extrem begabt. Er bewegt sich gut und findet in der Offensive die Lücken. Er ist auf jeden Fall einer der wenigen besonderen Spieler, die wir in Deutschland haben."
Datsyuk ist wie Gott
Das große Idol des Jungadlers ist Pavel Datsyuk von den Detroit Red Wings, ebenfalls ein Linksschütze. "Pavel Datsyuk ist für mich wie ein Gott. Er macht auf dem Eis so viele außergewöhnliche Sachen", schwärmt Draisaitl von dem Russen - während die kanadische Presse im Zusammenhang mit seinen beeindruckenden Statistiken bereits von "Gretzky-like numbers" spricht.
Chyzowski dagegen vergleicht seinen Spieler mit einem Superstar der Pittsburgh Penguins: Evgeni Malkin. "Er ist eher wie Malkin, ein großer und technisch starker Offensivspieler."
Über allem schwebt natürlich der Traum von der NHL, 2014 könnte sich der Traum vom NHL-Draft erfüllen. Davor muss er weiter auch bei internationalen Turnieren beeindrucken. So wie bei der U-18-WM, bei der Deutschland Sechster wurde und Draisaitl zwei Tore und fünf Assists beisteuerte. "Mal öffnet es Türen, mal weckt es große Erwartungen", weiß er um die Bedeutung seines Namens. Mit dem Sprung in die NHL würde er aber Neuland in der familiären Eishockey-Geschichte betreten.